Freitag, April 25

Die Gaza-Proteste vom vergangenen Jahr halten den Verband der Studierenden der Universität Zürich bis heute auf Trab. Wird mit den Wahlen alles besser?

Studiengelder für Anti-Israel-Verband? So nicht!

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Das steht in fetten Buchstaben in einem Schreiben, das vor ein paar Tagen auf der Redaktion eingetroffen ist. Zwei Seiten Text, drei Seiten mit kopierten Links, die zu belastenden Dokumenten über den Verband der Studierenden der Universität Zürich (VSUZH) führen sollen. Ohne Absender, ohne Unterschrift.

Der Brief liest sich wie eine Anklageschrift gegen die Studentenvertretung der grössten Hochschule der Schweiz. Der VSUZH bestehe aus einer «fast inzestuösen Gruppierung gleichgesinnter Kolleg:innen, die sich den Verband kapern, um ihre eigenen weltanschaulichen Meinungen zu verbreiten, ohne Rücksicht auf jüdische Studierende. Es ist fast schon eine Mafia!», heisst es darin.

Und: «Hat der VSUZH eine einseitig anti-israelische, vielleicht ansatzweise antisemitische Haltung?» Und weiter: «Wieso positioniert sich ein Studienverband überhaupt zu aussenpolitischen Themen?»

Die Vernünftigen schweigen lieber

Normalerweise wandern solche Zuschriften in den Papierkorb. Hier jedoch darf man festhalten: Komplett aus der Luft gegriffen sind die Anschuldigungen des anonymen Verfassers nicht.

Der VSUZH hat sich in den vergangenen Monaten tatsächlich auf fragwürdige Weise exponiert. Die Vereinigung, die alle Studentinnen und Studenten der Universität Zürich vertreten soll, hatte immer wieder mit Partikularinteressen aus den eigenen Reihen zu kämpfen. Linke Gruppierungen drängten sich regelmässig in den Vordergrund, indem sie lautstark ihr Weltbild propagierten und ihre Interessen ungerührt als Anliegen «aller Studierenden» vermarkteten.

So geschehen vor kurzem im VSUZH-Rat, dem Parlament der Studierenden der Universität Zürich. Eine Studentin hatte den Rat um finanzielle Unterstützung ersucht wegen einer Anzeige, die sie und acht weitere Studierende der Universität Zürich wegen Hausfriedensbruchs kassiert hatten. Die Frau hatte zum harten Kern von Demonstranten gehört, die am 7. Mai 2024 im Hauptgebäude der ETH «No tech for genocide!», «Israel bombardiert, ETH finanziert!» oder «Global intifada!» skandiert hatten und nach Ablauf eines Ultimatums von der Polizei nach draussen geleitet oder gar getragen werden mussten.

Die Debatte im Studentenparlament lässt tief blicken. Und sie scheint dem Autor des erwähnten Briefes recht zu geben: Die radikalen Stimmen im Rat geben den Ton an. Die Vernünftigen machen allenfalls ein paar technische Anmerkungen. Sofern sie nicht ohnehin schon längst resigniert haben. Grundsätzlich nämlich will niemand gegen den Antrag der linkslastigen Fraktion kritische Politik (kriPo) opponieren. Auch im Nachhinein nicht, als die NZZ bei mehreren Ratsmitgliedern nachfragt.

Der Tenor der Unterlegenen: Mehrheit ist Mehrheit. Der Entscheid des Parlaments sei klar ausgefallen. Also werde man ihn mittragen. Ausserdem seien die Ratssitzungen öffentlich, Studenten ohne Mandat könnten ebenfalls mitdiskutieren. «Wir stehen zum Rat und schätzen seine Arbeit sehr», schreibt eine Studentin, die einer ökoliberalen Gruppierung angehört, auf Anfrage.

Sozialismus für alle!

Man hätte sich ein deutlicheres Statement gewünscht. Was das studentische Parlament der Universität Zürich im März beschlossen hat, kann man nicht einfach ad acta legen.

Für die kriPo-Studentin indes ist klar: Hier geht es nicht um Hausfriedensbruch, sondern um das Recht auf freie Meinungsäusserung an Hochschulen. Dieses quasi universelle Anliegen sei viel wichtiger. Das müsse auch gelten, wenn Studierende der Universität an der benachbarten ETH protestierten. Ob die Kundgebung bewilligt war oder nicht (wie in diesem Fall), spielt für sie keine Rolle. Ob die Demo von israelfeindlichen und antisemitischen Kräften unterwandert war (sie war es, wie TV-Bilder zeigen), ist der jungen Frau offenbar ebenfalls egal.

Laut, radikal, postkolonial: Das hingegen passt zum Programm der kriPo, des selbsterklärten «linken Sammelbeckens» für Studierende der Universität und der ETH Zürich. Das Emblem der Gruppierung ziert ein schwarzes Megafon auf antikapitalistisch rotem Grund. Sozialistisches Denken findet sich auch im Antrag der kriPo-Vertreterin: Sie und ihre Mitstreiter haben sich bei der Besetzung des ETH-Hauptgebäudes persönlich in Schwierigkeiten gebracht. Dafür bezahlen allerdings soll die Allgemeinheit, beziehungsweise die anderen Studierenden der Universität.

Von dieser selbstgerechten Haltung liess sich der VSUZH-Rat nicht aus der Ruhe bringen, im Gegenteil. Das Studentenparlament stimmte dem Antrag der Studentin zu: Sie und die anderen Besetzer der ETH sollen bei ihren Prozesskosten unterstützt werden. Die Demonstranten erhalten über 12 000 Franken aus der Kasse des Studierendenverbands. Die Mittel dazu stammen aus der Studentenschaft: Studentinnen und Studenten der Universität können jedes Semester entscheiden, ob sie den VSUZH mit je 14 Franken mitfinanzieren wollen. Die meisten tun das, es gehört zum guten Ton im Studium.

Doch ob sie einverstanden wären, dass ihr Geld für solche Zwecke ausgegeben wird?

Palästina überall

Die kriPo-Vertreterin ist keine Unbekannte an der Universität Zürich. Bis Ende 2024 war sie Co-Präsidentin des VSUZH. Nach eigenen Angaben unterstützt sie die Ziele einer Organisation namens Palestine Student Association. Diese wiederum hält ein «propalästinensisches Studentenparlament» für wichtig – und empfahl die Studentin prompt zur Wahl fürs kommende Parlament, wie es auf einem Instagram-Post der Organisation von Anfang April heisst.

In einem Interview mit der «Zürcher Studierendenzeitung» vom vergangenen Jahr sagte die damalige Co-Präsidentin des Studentenverbandes, dass sie sich als Erstes mit einer Ausstellung zur «Geschichte von Palästina und zum aktuellen Genozid» befassen wolle. Die studentische Ausstellung hätte im Oktober an der Universität Zürich stattfinden sollen. Sie wurde jedoch abgesagt: zu wenig wissenschaftlich, zu wenig ausgewogen, befand die Unileitung damals. Auch in einem zweiten Anlauf habe das Konzept diesen Anforderungen nicht genügt, schreibt die Hochschule auf Anfrage.

Die Reaktion des VSUZH: ein offener Brief, in dem die Studentenvertreter die «intransparente Entscheidungsfindung» der Universität kritisieren und kurzerhand die Durchführung der abgesagten Ausstellung fordern.

Wenig erbaulich sind vor diesem Hintergrund auch die Szenen, die sich im Dezember während eines Auftritts von Ralph Friedländer an einer Vorlesung zum Thema Antisemitismus zugetragen haben: Der Präsident des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebunds wurde von mehreren jungen Männern im Hörsaal niedergeschrien. «Israel is committing a genocide!» – «Israel is an apartheid state!» – «Free, free Palestine!» Die üblichen Parolen der Unvernünftigen fielen auch hier. Dann endlich zogen die Schreihälse und ihre studentischen Sympathisanten von dannen.

Doch zuerst gab es neben Buhrufen auch Applaus und Jubel für die israelfeindlichen Störenfriede. Keine schönen Bilder, wie Handyaufnahmen zeigen. Freie Meinung, freie Rede? In diesen Kreisen gilt das offenbar nur für sich selbst, nicht für andere.

Kritik von jüdischen Studierenden

Salome Kornfeld sagt dazu: «Man darf Israel kritisieren – solange das Existenzrecht des einzigen jüdischen Staates nicht infrage gestellt wird.» Doch das sei in den vergangenen Monaten immer wieder passiert an der Universität. Kornfeld ist Präsidentin des Vereins jüdischer Studenten Zürich. Für sie waren die antiisraelischen Kundgebungen eine Belastung. Dass der VSUZH «seinen» Demonstranten nun auch noch Tausende von Franken zuschiebt, hält sie für einen Missbrauch. «Der Verband erhält auch Geld von jüdischen Studenten», sagt Kornfeld.

Sébastian Margot, Co-Präsident des VSUZH, sieht das anders. Jüdische Studierende seien keine homogene Gruppe. Es habe auch positive Reaktionen gegeben zum Ratsentscheid, den Studierenden im Rechtsstreit mit der ETH finanziell zur Seite zu stehen.

Margot befindet sich in einer schwierigen Lage. Er muss den Kopf hinhalten, wenn Studierende im VSUZH-Rat seltsame Beschlüsse fassen. Auch in den Medien. Die frühere Co-Präsidentin war für diesen Artikel nicht zu erreichen. Die kriPo, die grösste Fraktion im Studentenparlament, liess die Fragen der NZZ ebenfalls unbeantwortet.

Man darf gespannt sein, ob die Aufregung um die Gaza-Proteste Folgen hat. Im April wurde der VSUZH-Rat neu gewählt, bis Ende der vergangenen Woche konnten alle Studentinnen und Studenten der Universität Zürich ihre Stimme abgeben. Die Resultate werden am Montag bekanntgegeben.

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