Dienstag, März 4

Es ist eine alte Unsitte, dass sich namhafte Schriftsteller auf dem Cover von Büchern anderer mit wohlwollenden Kommentaren zitieren lassen. Ein amerikanischer Verleger hat genug davon.

Muss man immer loben, immer höflich sein? Die Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller hat sich etwas ausgedacht. Wenn sie nach ihren Auftritten gebeten wird, einen freundlichen Spruch ins Gästebuch einzutragen, befreit sie sich von der Last erzwungener Originalität, indem sie einfach schreibt: «Das Schnitzel war sehr gut!» Im Beisein der Veranstalter mögen Herta Müller nach langen Lesungsabenden etliche Schnitzel begegnet sein, aber auch wenn einmal keines dabei ist: Der Satz bleibt der gleiche. Und er drückt auf flirrend leichte Weise Dank und Respekt aus.

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Sollte man solche Sätze auf Buchrücken drucken, weil es ohnehin schon egal ist? Weil dort nach Strich und Faden gelobt und gelogen wird? Blurbs nennen sich die kurzen Wortspenden, in denen Autoren die jüngsten Werke von Kollegen in den Himmel rühmen. Mit dieser marketingtechnischen Unsitte solle jetzt endlich Schluss sein, hat der Chef eines der renommiertesten amerikanischen Verlage im Fachmagazin «Publishers Weekly» gefordert. Sean Manning von Simon & Schuster möchte, dass der durchsichtige «Gefälligkeitstausch» zwischen Schriftstellern aufhört. Das «inzestuöse und nicht auf Leistung basierende literarische Ökosystem, das Beziehungen statt Talente belohnt».

Rushdie rühmt Kehlmann

Wenn die Verlage ihre Prospekte drucken und die Bücher in den Handel kommen, dann ist der Schleichhandel schon gelaufen. Autoren oder Lektoren haben um Wortspenden gebeten und scheinen dabei unter Schriftstellern auf offene Ohren zu stossen. Wenn auf dem englischsprachigen Markt im Mai Daniel Kehlmanns Roman «Lichtspiel» als «The Director» erscheint, legen sich keine Geringeren als Zadie Smith, Jeffrey Eugenides und Salman Rushdie für das Buch ins Zeug.

Rushdie, auf den bei der Friedenspreis-Verleihung 2023 Kehlmann die Laudatio gehalten hatte, preist diesen als einen der «glänzendsten Autoren seiner Generation». Er beweist damit auch, dass die Blurbs ein gewisses Generationenproblem haben. Denn gerade da herrscht enormes Gedränge. «Rachel Kushner ist die aufregendste Autorin ihrer Generation», schreibt Bret Easton Ellis über die Amerikanerin, deren Roman «See der Schöpfung» im April auf Deutsch erscheint.

Dass Christian Kracht «der grosse deutschsprachige Schriftsteller seiner Generation ist», meldet wiederum der Autorenkollege Joshua Cohen. Krachts «Air» kommt am 13. März in die Buchhandlungen. Dass es auch anders geht, hat der Schriftsteller Dale Peck einmal bei einem Buch von Rick Moody bewiesen. Im Magazin «The New Republic» eröffnete er einen Text mit der schlanken Feststellung: «Rick Moody ist der schlechteste Autor seiner Generation.»

Dass selbst Lob leicht vergiftet sein kann, beweist dieser Tage Joël Dicker, wenn er über Takis Würger («Für Polina») sagt: «Takis Würger ist wahrscheinlich einer der wichtigsten Autoren unserer Zeit.» Tonnenschwer lastet das Wort «wahrscheinlich» auf diesem Blurb.

Fadenscheinige Solidarität

Die Blurb-Schreiberei im Buchwesen ist ein seltsames Geschäft. Keinem Musiker fiele ein, auf dem Plattencover eines anderen Musikers rühmende Worte zu hinterlassen, kein Regisseur würde sich im Filmvorspann eines Kollegen zu Wort melden. Sean Manning von Simon & Schuster kritisiert die Schriftsteller für ihre fadenscheinige Solidarität und dafür, dass sie mit dem Schreiben von Kürzest-Lobhudeleien ihre Zeit vergeuden würden.

Möglicherweise ist es naiv, wenn Manning meint, dass die von den Büchern anderer beglückten Autoren diese wirklich ganz gelesen hätten. Salman Rushdies Blurb-Pensum ist genauso enorm wie das von Daniel Kehlmann. Autoritäten wie diese loben väterlich von oben herab, schicken Debütanten mit Vorschusslorbeeren auf den Weg.

Am deutschen Markt sind werbewirksame Wortmeldungen von Elke Heidenreich oder Juli Zeh Gold wert, auch wenn man gerade Zehs Beiträge sprachlich nicht auf die Goldwaage legen darf. «Eine tolle Symbiose von Sprachkunst und Figurenpsychologie», so lobt die Autorin etwas hölzern das Buch «Zuleika» von Bernardine Evaristo. Bei Takis Würger gibt es von Zeh eine schiefe Metapher als Marketing-Angebinde: «Takis Würger folgt seinen Figuren so einfühlsam, dass sein Roman wirkt wie eine berührende Melodie.»

Der amerikanische Verleger Sean Manning hat recht. Man könnte auf so etwas gerne verzichten. Nicht so schnell, ruft unterdessen die amerikanische Schriftstellerin Rebecca Makkai in einem Artikel in der «New York Times». Sie habe in ihrem Leben so viele Blurbs geschrieben, dass sie finde, jetzt müssten einmal ihre eigenen Bücher dran sein und von den Kollegen gelobt werden. So funktioniere nun einmal das «Ökosystem» der Empfehlungen. «Ich habe weiss Gott im Voraus bezahlt», meint die Autorin. Irgendjemand wird ihr doch hoffentlich den erlösenden Satz auf den Buchrücken schreiben: «Rebecca Makkai ist eine der wichtigsten Schriftstellerinnen ihrer Generation.»

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