Dienstag, Januar 7

Den passenden Wein zu jedem Gang eines Menus zu servieren, ist heute in vielen Restaurants Mode. Nicht immer zum Vorteil der Gäste.

Mein preiswertestes Wine Paring hatte ich vor einiger Zeit im «Diverxo», dem höchstbewerteten Restaurant von Madrid. Ich war, als Journalist, anlässlich der jährlich stattfindenden Messe Madrid Fusión eingeladen und bekam zum Menu fast ein Dutzend Weine serviert. Raritäten wie einen Champagner der Marke Krug oder einen der seltenen Jahrgangs-Sherrys von 1955 (!). Alles gratis.

Am Schluss war ich zwar nicht betrunken, weil die Weine nur in kleinen Mengen ausgeschenkt wurden, aber komplett überfordert. Eine flüssige Delikatesse nach der anderen. Kaum hatte ich begonnen, mich mit einer zu beschäftigen, kam die nächste. Ob die Weine zu den Speisen passten, konnte ich mangels Zeit gar nicht richtig überprüfen.

Das Wine Pairing ist in Mode gekommen

Vor einiger Zeit hätte das Erlebnis in ähnlich renommierten Restaurants eine andere Richtung genommen. Nur wenige Gourmetlokale in Spanien, Frankreich oder Italien hatten in den neunziger Jahren je vom Begriff des Pairings gehört. Auch in Deutschland oder in der Schweiz fragten damals nur wenige Gäste nach einer Weinbegleitung zum Menu. Hochwertige Weine glasweise gab es zwar schon – ich erinnere mich an einen Dezi 1975er Château Ausone aus dem Bordelais, 1999 zum fairen Preis in der «Stapferstube» getrunken. Aber eine überwältigende Anzahl der Gäste orderte noch vor 20 Jahren wie ohne zu zögern eine Flasche, notfalls eine halbe.

Gewandelt haben sich seitdem das Genussverhalten der Gäste und das Selbstverständnis der Sommeliers. Für viele Kunden ist das Essengehen heute nicht mehr Alltag, sondern Event; entsprechend erlebnisreich darf auch das Getränkespektakel sein. Die Weinkellnerinnen und -kellner wiederum verstehen sich oft als Fachleute, welche nicht nur zu Jahrgängen beraten, sondern die allerletzte Perfektion aus dem Spannungsverhältnis von Speise und Wein kitzeln wollen.

Als Umsatzbringer fast unentbehrlich geworden

Auch ist die Weinbegleitung zu einer Möglichkeit geworden, den Umsatz anzukurbeln. Manches Restaurant verlangt fürs Pairing nämlich Summen, die erhebliche Gewinnspannen beinhalten. Wenn ich für sieben Gläser verschiedener «nur guter» Weine deutlich mehr zahlen muss als für eine Flasche eines «sehr guten» Weines, ist meine Entscheidung klar. Zumal ich bei einer Flasche die Entwicklung des Weines über Stunden gern nachvollziehe; nicht konsumierte Reste kann ich zudem ohne Probleme mitnehmen und am nächsten Tag trinken.

Auch die Erfindung namens Coravin hat die Gastro-Pairings verändert; das Konservierungssystem erlaubt seit einigen Jahren den Ausschank sogenannter Premium oder Icon Pairings. Luxusweine werden aneinandergereiht, können über Wochen hinweg in angebrochenen Flaschen aufbewahrt werden, ohne dass ihre Qualität leidet. Schliesslich ist ja nicht jeder Tag ein Gast anwesend, der Hunderte von Franken in die Weinbegleitung investiert.

Keine Grenzen beim Preis

Nach oben hin gibt es inzwischen kaum Grenzen. Das «Pier» in Kapstadt bot bei meinem kürzlichen Besuch eine Pairing-Variante für 9000 Rand an (fast 450 Franken), das dreifach besternte Restaurant «Geranium» in Kopenhagen verlangt gar für die teuerste Begleitung 20 000 dänische Kronen, also rund 2500 Franken pro Person. Dafür gibt’s beispielsweise den kultigen Kalifornier Scraming Eagle, einen Château-Grillet aus Frankreich und die Scharzhofberger Auslese vom deutschen Saar-Weingut Egon Müller. Soll bestellen, wer will.

Ausnahmen von meiner Pairing-Aversion mache ich nur aus drei Gründen. Erstens wenn eine aussergewöhnlich gute Sommelière oder ein ebenso kompetenter Kollege anwesend und der von ihm oder ihr betreute Weinkeller herausragend ist. Zweitens wenn ich von den Weinen der Karte keine Ahnung habe – wie neulich in einem türkischen Restaurant; schliesslich wenn ich alkoholfrei bleiben und das Pairing mit Säften, Essenzen und fermentierten Flüssigkeiten geniessen möchte. Die geschmackliche Entwicklung eines Kombuchas über Stunden nachzuprüfen, ist nämlich sinnlos, und Icon Parings zu atemberaubenden Preisen gibt es in dem promillelosen Getränkesegment auch nicht.

Exit mobile version