Grossbritanniens Regierung bestraft chinesische Akteure als Reaktion auf Hackerangriffe auf die Wahlkommission und auf kritische Unterhausabgeordnete. Angesichts der chinesischen Beeinflussungsversuche feuert der Westen nun einen Warnschuss ab.

Die Electoral Commission ist in Grossbritannien eine Art Schiedsrichter über den demokratischen Wettstreit. Die unabhängige und politisch neutrale Behörde überwacht beispielsweise, dass die Vorschriften zur Parteienfinanzierung eingehalten werden, und sie erlässt die generellen Spielregeln zur Abhaltung von Wahlen. Als im letzten Sommer bekanntwurde, dass die Wahlkommission Opfer einer breit angelegten Cyberattacke geworden war, läuteten in Grossbritannien daher die Alarmglocken.

Die Kommission teilte mit, feindliche Akteure hätten sich 2021 Zugang zu den Kopien der Wählerregister und zu internen E-Mails verschafft und seien in die Kontrollsysteme eingedrungen. Zwar versicherte die Behörde, die Attacke habe keinerlei Einfluss auf Wahlen oder auf die Registrierung von Wählern gehabt. Doch erbeuteten die Angreifer die Namen und Adressen von allen Briten, die zwischen 2014 und 2022 als Wähler erfasst gewesen waren.

«Muster feindlichen Verhaltens»

Am Montag nun hat die britische Regierung dem chinesischen Regime vorgeworfen, hinter der Attacke auf die Wahlkommission zu stehen. Vizepremierminister Oliver Dowden erklärte vor dem Unterhaus, die Untersuchungen der britischen Sicherheitskräfte hätten ergeben, dass die Urheber der Attacke mit Peking verbunden seien. Die USA erhoben später ähnliche Vorwürfe, was darauf hindeutet, dass der Westen insgesamt seine Rhetorik gegenüber den chinesischen Beeinflussungsversuchen verschärft.

Laut Dowden steht China auch hinter missglückten Aufklärungs-Attacken auf mindestens drei Unterhausabgeordnete. Verantwortlich dafür sei die Hackergruppe APT31, die mit dem chinesischen Staat affiliiert sei. Unter den Betroffenen, die einschlägige E-Mails erhielten, finden sich der ehemalige Chef der Konservativen Partei, Ian Duncan-Smith, der frühere konservative Minister Tim Loughton sowie Stewart McDonald von der Scottish National Party (SNP). Alle drei sind Mitglieder einer parlamentarischen Gruppe, die die Aktivitäten Chinas in der ehemaligen britischen Kolonie Hongkong und in der Provinz Xinjiang wiederholt scharf kritisiert hat.

Dowden betonte, die Angriffe auf die britische Demokratie seien letztlich gescheitert. Doch entsprächen die Aktivitäten Pekings zusammengenommen einem klaren und anhaltenden Muster feindlichen Verhaltens. Die britische Regierung erhob Sanktionen gegen zwei Personen sowie eine Scheinfirma, die London mit den Cyberangriffen und der Hackergruppe APT31 in Verbindung setzt.

In Grossbritannien haben sich in den vergangenen Jahren die Berichte über chinesische Spionage und Beeinflussungsversuche gehäuft. Ken McCallum, der Vorsteher des Inlandgeheimdienstes MI5, bezeichnete China bereits 2022 als «grösste grundlegende strategische Herausforderung» für das Vereinigte Königreich. Im Sommer 2023 erklärte der Geheimdienst- und Sicherheitsausschuss des Unterhauses in einem Bericht, China nehme Grossbritannien gezielt und aggressiv ins Visier.

Mögliche Spione im Parlament

Nicht zuletzt versucht Peking offenbar, den politischen Prozess im Parlament in Westminster zu beeinflussen. Im letzten Jahr wurde ein 28-jähriger wissenschaftlicher Mitarbeiter des Unterhauses wegen Vorwürfen der Geheimnisverletzung und der Spionage verhaftet. Der Brite, der seine Unschuld beteuert, arbeitete unter anderem für den heutigen Sicherheitsminister Tom Tugendhat, soll aber als Spion im Dienste Chinas tätig gewesen sein.

Für Aufsehen sorgte ein Jahr zuvor auch der Fall der Anwältin Christine Lee. Die gebürtige Chinesin wohnte seit dem Alter von 11 Jahren im Vereinigten Königreich, wo sie sich zur Anwältin ausbilden liess und sich mit dem langjährigen Labour-Abgeordneten Barry Gardiner anfreundete. Die britischen Geheimdienste erklärten, Lee sei Teil einer grösseren und langfristig angelegten chinesischen «Saat-Operation» zum Aufbau enger Kontakte mit jungen oder lokalen Politikern – in der Hoffnung, diese könnten später zu nationalen Entscheidungsträgern avancieren.

Die robuste Rhetorik und die Verhängung von Sanktionen durch London kommen einem Warnschuss und einem Aufruf an Peking zur Mässigung bei seinen Cyberaktivitäten gleich. Ein Sprecher des chinesischen Aussenministeriums sprach von «haltlosen Anschuldigungen», weshalb auch eine gewisse diplomatische Verstimmung droht. Besonders drastisch muten die britischen Sanktionen aber nicht an. Chinakritische Hinterbänkler innerhalb der Konservativen Partei forderten die Regierung daher auf, den scharfen Worten auch entschiedenere Taten folgen zu lassen.

Exit mobile version