Der Pharmaauftragsfertiger hat in den vergangenen Jahren investiert und sich erfolgreich fokussiert. Sowohl strategisch als auch mit Blick auf die Leistung passt das 2017 übernommene Kapselgeschäft nicht zum Konzern. Das neue Management könnte damit dem Aktienkurs einen Impuls geben.
Geschätzte Leserin, geschätzter Leser
Im Wallis tut sich etwas. Am 12. Dezember hält Lonza ihren diesjährigen Investorentag ab, und vielleicht wird es ein denkwürdiger. Interessierte sind angewiesen, sich für die Medienmitteilung, die wie üblich um 6.30 Uhr publiziert wird, bereit zu halten. Investoren und Analysten wurde gemäss meinen Informationen zudem mitgeteilt, es finde bereits ab 7 Uhr eine Gesprächsrunde mit dem Management statt, an dem die drängendsten Fragen beantwortet würden.
Die Neuerung im Tagesablauf ist eine Initiative des neuen Investor-Relations-Chefs Daniel Buchta und kommt bei den Beobachtern gut an. Doch was könnte in zwei Wochen derart spannende Fragen aufwerfen?
Lonza sollte sich weiter fokussieren, der Verkauf von Geschäftsteilen wäre also denkbar. Eine Möglichkeit, über die gemäss meinen Informationen intern schon länger gemunkelt wird, die sich Investoren wünschen würden und die auch dank Aussagen des neuen Managements Auftrieb erhält, ist die Trennung von Capsugel, des vor rund sieben Jahren übernommenen Geschäfts mit Kapseln für Pharma- und Nahrungsergänzungsmittel.
Es wäre ein bedeutender Schritt, immerhin würde damit die grösste Übernahme der Unternehmensgeschichte rückgängig gemacht – und er könnte dem Aktienkurs Leben einhauchen.
Spekulationen über eine mögliche Abspaltung von Capsugel kommentiert das Unternehmen nicht.
Eine teure Enttäuschung
5,5 Mrd. $ legte Lonza 2017 für den US-Pillenhersteller Capsugel auf den Tisch, Schulden in Höhe von 2 Mrd. $ inklusive. Der Kauf war transformativ: Künftig sollte der Pharmaauftragsfertiger auch im Endverarbeitungsgeschäft für Medikamente und Nahrungsergänzungsmittel tätig sein – «End to End»-Lösung in der Medikamentenherstellung, lautete die Zauberformel.
Doch bereits als erste Gerüchte um eine Transaktion die Runde machten und auch am Tag der tatsächlichen Ankündigung Mitte Dezember 2016 waren die Skeptiker an der Börse in der Überzahl. Von Beginn weg war klar, dass Lonza viel Geduld und – das spiegelte sich im fallenden Aktienkurs – vor allem frisches Kapital benötigen würde.
Der Kurstaucher war zwar schnell verdaut. Doch über die Jahre zeigte sich deutlicher: Capsugel würde aus Konzernsicht auf absehbare Zeit nicht das erhoffte Potenzial entfalten. Zum einen liegt das Wachstum des Geschäfts deutlich hinter dem übrigen Konzern, und der Preiskampf ist angesichts der Konkurrenz durch kleinere, vor allem indische Produzenten intensiv, wie Daniel Jelovcan, Analyst der Zürcher Kantonalbank, festhält. 2023 waren Umsatz und Profitabilität der Einheit klar rückläufig. Zum anderen hätten sich die von Lonza erhofften Umsatzsynergien im Bereich der chemischen Wirkstoffe (Small Molecules) durch die Integration der gesamten Wertschöpfungskette nicht manifestiert.
Vor allem aber passt die Division Capsules & Health Ingredients (CHI), wie das Geschäft heute genannt wird, strategisch nicht in die Ausrichtung von Lonza, wie mir mehrere Beobachter bestätigen. Eine Abspaltung wäre auch vor dem Hintergrund der Entwicklung in den vergangenen Jahren der nächste logische Schritt: Das Unternehmen hat sich in der Zwischenzeit vor allem ausserhalb des Produktgeschäfts, das auch die Kapselfertigung umfasst, weiterentwickelt. 2021 wurde das Chemiegeschäft verkauft, der Erlös daraus ins Pharmageschäft investiert. Im grossen Stil hat Lonza die Produktionskapazität für die Auftragsfertigung insbesondere im Bereich der biologischen Medikamente (Biologics) ausgebaut.
Mit der Akquisition eines Werks der Roche-Tochter Genentech in Vacaville, Kalifornien, gelang in dieser Hinsicht Anfang 2024 ein bedeutender Schritt. Das ist auch im Hinblick auf die geopolitische Unsicherheit von Bedeutung. Der Gesundheitssektor ist in den Fokus des Handelskriegs zwischen den USA und China geraten. Insbesondere chinesischen Auftragsfertigern könnte in den kommenden Jahren der Zugang zum US-Markt verbaut werden. Die Wahrscheinlichkeit ist gross, dass der US-Kongress dem Biosecure Act zustimmt, der die chinesischen Auftragsfertiger in ihrer Tätigkeit stark einschränken würde und den westlichen Anbietern – und Lonza im Besonderen – einen Wettbewerbsvorteil verschaffen dürfte.
Interne wie externe Gesprächspartner sind sich einig: Die Abspaltung des ehemaligen Capsugel-Geschäfts wäre sinnvoll und ist je nach Angebot absehbar. Dieser Meinung ist auch ZKB-Analyst Jelovcan. Wenn der Preis stimme, werde Lonza das Geschäft verkaufen. «Unter Zeitdruck steht das Management dabei aber nicht.» Entsprechend hält er eine Ankündigung am 12. Dezember zwar für möglich, aber nicht unbedingt für wahrscheinlich.
Was ebenfalls gegen die Präsentation eines pfannenfertigen Deals in zwei Wochen spricht: Im Investment Banking ist es ruhig, bisher habe ich nichts von Verkaufsgesprächen gehört. Das muss nicht bedeuten, dass sich hinter den Kulissen nichts tut. Aber wenn Lonza etwas handfestes präsentieren wollte, müssten Banker bereits seit längerem aktiv sein.
Fragt sich noch, was ein angemessener Preis wäre. Lonza hat 2017 rund den fünfzehnfachen Betriebsgewinn auf Stufe Ebitda für Capsugel bezahlt. Das wurde bereits damals als sehr teuer eingeschätzt; Catalent, ebenfalls ein Anbieter von Dosierungsformen für pharmazeutische Wirkstoffe, war zum selben Zeitpunkt mit dem Zwölffachen des Ebitda bewertet. 2023 musste das Kapselgeschäft (Capsules & Health Ingredients) einen deutlichen Gewinnrückgang hinnehmen und erwirtschaftete noch einen Kern-Ebitda von 327 Mio. bei einem Umsatz von 1,16 Mrd. Fr. Auf dieser Basis ist die Division heute wohl weniger als 5 Mrd. Fr. wert.
Zum Vergleich: Der Gesamtkonzern bringt bei einem für 2024 geschätzten Umsatz von rund 6,7 Mrd. Fr. und einem erwarteten Kern-Ebitda zwischen 1,8 Mrd. und 2 Mrd. mehr als 38 Mrd. Fr. auf die Börsenwaage.
Neuer CEO und VR-Präsident könnten sich verewigen
Die Capsugel-Übernahme fällt in die Amtszeit von CEO Richard Ridinger. Sie trägt aber vor allem die Handschrift des damaligen VR-Präsidenten und späteren Konzernchefs ad interim Albert Baehny. Seit diesem Jahr hat Lonza eine neue Spitze. Im Juli stiess CEO Wolfgang Wienand von Siegfried zum Unternehmen. Baehny zog sich nach langen, zuletzt schwierigen Jahren zurück, auf dem Posten des VRP ist ihm im Frühjahr Jean-Marc Huët gefolgt.
Die beiden Neuen haben ambitionierte Pläne mit Lonza. Und sie könnten mit einer Lösung für Capsugel einen bleibenden Eindruck hinterlassen. «Unter der neuen Führung gibt es keine Tabus mehr», sagt ZKB-Analyst Jelovcan.
Das Aufräumen bei Lonza geht weiter. Den Aktien könnte die Ankündigung der Capsugel-Transaktion, sei es in zwei Wochen oder zu einem späteren Zeitpunkt, Schwung verleihen. Auch andere, kleinere Verkäufe sind denkbar. Seit Jahresbeginn notieren die Titel zwar noch immer rund 50% im Plus, zuletzt bewegten sie sich aber über Monate seitwärts. Und ganz grundsätzlich bin ich von der strategischen Ausrichtung und der Positionierung sowie vom Marktpotenzial und dem neuen Management überzeugt.
Die Kommunikation mit Investorinnen und Analysten wird dank der Initiative von Investor-Relations-Chef Buchta verbessert, unabhängig davon, ob es in der Telefonkonferenz am 12. Dezember brisante Fragen zu beantworten gibt.
Freundlich grüsst im Namen von Mrs Market
Gabriella Hunter