Samstag, Februar 22

Dominikus Wagner von Wagner & Florack setzt auf Tech-Aktien, aber auch auf Konsumgüterwerte wie L’Oréal, Nestlé und Beiersdorf. Im Interview sprechen Wagner und Co-Manager Dirk Schmitt über Chancen für die Markenkonzerne durch KI und teils wenig ambitionierte Managementziele.

Die Tech-Plattformen aus den USA werden profitieren, falls der chinesische Rivale DeepSeek mit seinen Innovationen das Entwickeln und Nutzen von künstlicher Intelligenz (KI) günstiger macht, sind Dominikus Wagner und Dirk Schmitt überzeugt. In ihrem Wagner & Florack Unternehmerfonds setzen sie auf «robuste Gewinnmaschinen».

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Die KI ist auch für die Konsumgüterhersteller relevant, die einen beträchtlichen Teil des Portfolios ausmachen, sagt Wagner. Er sehe bei Procter & Gamble, L’Oréal und Colgate das Bestreben, bei KI der Erste zu sein und die Marge dadurch zu steigern. «Bei Nestlé hören Sie nichts davon.»

Herr Wagner und Herr Schmitt, Google, Apple und Microsoft machen 20% ihrer Aktieninvestitionen aus. Ist das nicht ein beträchtliches Klumpenrisiko?

Wagner: Auf den ersten Blick mag das so scheinen, aber es handelt sich um absolute Ausnahmeunternehmen, die aufgrund ihrer robusten und hoch profitablen Geschäftsmodelle deutlich weniger angreifbar sind als viele andere.

Woran machen Sie das fest?

Wagner: Tech-Firmen sind im Alltag von Milliarden von Konsumenten und Millionen von Geschäftskunden tief verankert. Und: Sie sind in sich selbst sowie über alle Kontinente hinweg diversifiziert. Die Risiken, dass sich das ändert, sind relativ gering. Die Gründe dafür könnten wir für jedes der drei Unternehmen durchdeklinieren.

Einverstanden. Aber fliesst nicht ein beträchtlicher Teil des Cashflows in Investitionen für Rechenzentren?

Wagner: Vorübergehend ist in der Tat die Kapitalintensivität gestiegen, bedingt durch die massive KI-Investitionsoffensive. Die Free-Cashflow-Marge, also der Anteil des Free Cashflow am Umsatz, ist gesunken. Der entscheidende Punkt ist aber, dass wir trotzdem bei Google eine Free-Cashflow-Marge von 21% haben und bei Microsoft von 30% für 2024. Das heisst: Wir haben es immer noch mit extrem profitablen Firmen zu tun. Dennoch müssen wir als Investoren die Frage beantworten: Sind diese Investitionen sinnvoll?

Ist es denn sinnvoll, derart viel zu investieren, obwohl DeepSeek mit deutlich weniger Kapital ein leistungsfähiges KI-Modell bereitstellt?

Wagner: Ja, die Investitionen sind sinnvoll: Die Firmen können damit – neben dem hochprofitablen Kerngeschäft – einen weiteren Monetarisierungsturbo zünden. Der jüngste Weckruf durch DeepSeek hat gezeigt, dass der KI-Wettbewerb in vollem Gange ist. Die massiven Investitionen in Rechenzentren sind die erste Phase der KI-Welle. Jetzt beginnt eine zweite Phase, in der es um Effizienzgewinne geht und das Schonen von Ressourcen. Wenn es demnächst sehr viel günstiger werden sollte, KI-Modelle zu betreiben, wäre uns das hochwillkommen: Google und Microsoft könnten sich vielleicht einen Teil der Investitionen in Rechenzentren sparen und wieder ein schlankeres, weniger kapitalintensiveres Geschäft betreiben. Sinkende Kosten für KI wären ausserdem gut für Konsumgüterhersteller, die mit der Technologie schon heute ihre Marge erhöhen.

Warum setzten Sie so stark auf Konsumgüterhersteller?

Wagner: Der Markt war zuletzt eindimensional auf Technologie konzentriert. Das ändert sich gerade. Und: Consumer Staples sind für uns seit jeher ein Fels in der Brandung. Sie haben minimale Geschäftsmodellrisiken, steigern ihren Unternehmensgewinn stetig und langfristig – was will man mehr?

Nestlé: Kritik am «Financial Engineering»

Was erwarten Sie vom neuen Nestlé-CEO Laurent Freixe?

Wagner: Mehr Streben nach Effizienz und Exzellenz. Es wird jetzt zu Unrecht so getan, als ob das Ende von Nestlé bevorstünde. Mark Schneider hat sehr vieles richtig gemacht. Er hat resolut wachstumsschwaches Geschäft abgestossen. Denken Sie an Wurstwaren und Tiefkühlpizza oder Teile des Wassergeschäfts. Die margenstarken Wachstumsfelder wie Kaffee, Nahrungsergänzungsmittel und Tiernahrung hat er gestärkt, auch durch Übernahmen. Das war im Kern gut. Allerdings wurde auch Financial Engineering betrieben, etwa durch Aktienrückkäufe.

Der Lehrmeister des Value-Investings Bruce Greenwald von der Columbia University forderte Nestlé 2015 auf, die günstigen Anleihezinsen von rund 2% zu nutzen. Er kalkulierte, dass Nestlé sogar 300 Mrd. Fr. an Nettoschulden tragen könnte. Derzeit sind es 49 Mrd. Fr. Was stört Sie daran?

Wagner: Bei allem Respekt, aber das ist diese typische angelsächsische Schönwetterstrategie aus vergangenen Nullzinszeiten. Nestlé war fast schuldenfrei, wenn man den Anteil an L’Oréal berücksichtigt. Daraus hat Schneider ein verschuldetes Unternehmen gemacht, durch Aktienrückkäufe und Dividenden oberhalb des freien Cashflows. Das stört uns. Wir wollen makellose Bilanzen sehen und Kraft für Zukäufe, wenn sie sinnvoll sind. Das ist bei Nestlé etwas abhandengekommen.

Was ist noch falsch gelaufen in der Ära Schneider?

Wagner: Es kehrte diese Stimmung ein, dass doch alles gut läuft. Man war mit anderen Dingen beschäftigt als mit Effizienzsteigerungen. Nehmen Sie als Beispiel den Umgang mit dem IT-Problem in der Health-Science-Sparte, das in anderen Unternehmen schneller behoben worden wäre. Das hat richtig Gewinn gekostet und auch Marktanteile.

Das geschah 2023. War diese Trägheit 2024 immer noch zu beobachten?

Wagner: Ja, ich gebe ihnen drei Beispiele: Ich sehe bei Procter & Gamble, L’Oréal und Colgate das Bestreben, bei KI der Erste zu sein und die Marge dadurch zu steigern. Bei Nestlé hören Sie davon relativ wenig. Ich sehe bei Procter & Gamble und L’Oréal, wie die starken Marken aufpoliert werden, auch durch sinnvolle Marketingaktionen: Da war Nestlé unterambitioniert. Ich sehe Doppelstrukturen im Verwaltungsapparat.

Was halten Sie von den bis jetzt von Freixe verkündeten Schritten?

Wagner: Die Äusserungen von Freixe gehen in die richtige Richtung, zum Beispiel zur Struktur der Organisation und zur Erhöhung des Marketingbudgets. Es muss jetzt wieder mehr Zug rein. In diesem Unternehmen steckt viel mehr Potenzial, als es momentan hebt. Nestlé hat die besten Voraussetzungen, Marktführerin zu bleiben und die Position auszubauen.

Schmitt: Es war auch richtig, kein neues Aktienrückkaufprogramm aufzulegen.

L’Oréal und Beiersdorf: Warten auf die Erholung in China

L’Oréal hat auf Jahressicht mehr als 20% an Wert eingebüsst. Was könnte beim französischen Kosmetikkonzern Besserung bringen?

Wagner: Aus voller Überzeugung sage ich Ihnen: nichts, denn es gibt nicht viel zu verbessern. Kritikpunkte müssen Sie da mit der Lupe suchen. L’Oréal strotzt vor Kraft, die Produkt- und Innovationspipelines sind prall gefüllt, das Unternehmen kann und wird mit neuen Produkten angreifen.

Wieso dann diese Entwicklung an der Börse?

Wagner: Die Kursentwicklung war sehr enttäuschend. Es liegt nicht am Management, an der Strategie oder am Produktportfolio. Sondern es gibt eine allgemeine Konsumschwäche in China, das ist ein wichtiger Markt von L’Oréal. Auch Beiersdorf ist mit La Prairie betroffen. Wir haben die Geduld, um auf eine Erholung in China zu warten. Und L‘Oréal hat die Mittel, etwa durch ein eigenes Stimulusprogramm und eine Produktoffensive.

Wenn man die Kursentwicklung von L’Oréal und Beiersdorf über zwanzig Jahre vergleicht, liegen die Deutschen die ersten knapp fünfzehn Jahre vorn. Seit 2018 dominieren die Franzosen. Worin sehen Sie den Grund dafür?

Schmitt: Beiersdorf hat eine nicht unbedeutende Klebstoffsparte, das Geschäft ist zu Teilen konjunkturabhängig. Daher ist es sinnvoller, Beiersdorf mit Henkel zu vergleichen. Seit Verkündung des Effizienz- und Wachstumsprogramms wächst das Unternehmen mehr. Seitdem das Programm greift, haben wir die Beiersdorf-Position deutlich aufgestockt. Beiersdorf ist für uns das Paradebeispiel eines Unternehmens, das echten Value bietet.

Woran machen Sie das fest?

Schmitt: In erster Linie an einer felsenfesten Bilanz, die prall gefüllt ist mit Cash, das sich einsetzen lässt, und nicht am niedrigen Verhältnis von Kurs und Buchwert oder Kurs und Gewinn. Eine starke Bilanz und viel Cash sind der beste Schutzwall für uns als möglichst langfristige Miteigentümer.

Aber nur, wenn das Unternehmen das Kapital irgendwann auch einsetzt, oder nicht?

Schmitt: Genau. Da sehen wir ganz klar die Bereitschaft. Wir sehen ein ganzes Feuerwerk an Innovationen, um die Marken wieder attraktiv zu machen und in die Regale zu bekommen. Die Kosmetikmarke La Prairie – trotz aktuell schwieriger Marktbedingungen in China – läuft bereits sehr gut, das Klebstoffgeschäft auch. Auch das Derma-Geschäft entwickelt sich prächtig. Beiersdorf litt in der Vergangenheit darunter, dass man die ikonische Marke Nivea verstauben liess. Im Vertrieb gab es viele weisse Flecken auf der Landkarte. Ausserhalb Europas ist Nivea in vielen Regionen wenig bekannt. Das Unternehmen hat zu wenig investiert in das Marketing und in neue Produkte. All das ist nun anders und sorgt für weiteres Wachstumspotenzial.

Sind Sie enttäuscht von der Eigentümerfamilie, die lange zugesehen hat?

Wagner: Einiges hätte sicherlich besser laufen, Herausforderungen zügiger und beherzter angenommen werden können. Wir halten Eigentümerfamilien in Unternehmen nicht per se für einen Vorteil.

Henkel: Starke Entwicklung trotz des Konzernumbaus

Wo sehen Sie bei Henkel die grössten Versäumnisse der Vergangenheit?

Wagner: Bei Henkel hat sich die verzweigte Eigentümerfamilie lange Zeit gegen sinnvolle und notwendige Zukäufe gesträubt. Man hat sich nicht ausreichend um den Beauty-Bereich gekümmert. Diese Probleme gehören zum Glück der Vergangenheit an.

Wie steht Henkel heute da?

Wagner: Henkel befindet sich mitten im 2022 begonnenen Umbau, um die Kosten zu senken und die Effizienz zu steigern. Trotzdem hat das Unternehmen bereits eine Rekordmarke erreicht beim Free Cashflow.

Schmitt: Die erfolgreiche Zusammenlegung des Konsumentengeschäfts hebt genau das Potenzial, das wir von Henkel erwarten. Henkel profitiert auch von seiner weltmarktführenden Position bei Klebstoffen, die in der Herstellung von Elektroautos eingesetzt werden. In China wächst dieses Geschäft sehr stark.

Wo sehen Sie das grösste Steigerungspotenzial?

Wagner: Ganz klar im Beauty-Bereich. Auch beim Abbau der Doppelstrukturen, die jetzt zutage treten, weil man Sparten zusammengelegt hat. Und in der Kommunikation: In der Ära des früheren CEO Hans Van Bylen wurde zu wenig auf die Stärken des Konzerns hingewiesen. Das neue Management um CEO Carsten Knobel ist auf dem richtigen Weg, das sieht man ja auch an den Zahlen. Die könnte man seitens des Managements auch durchaus selbstbewusster kommunizieren. Und: Die Bewertung ist wirklich günstig, sowohl in unserem Bewertungsmodell anhand des Discounted Cashflow als auch anhand der Free-Cashflow-Rendite, gemessen am Verhältnis zum Unternehmenswert. Die Ergebnisse sind nicht so viel schlechter als die von Beiersdorf, aber Henkel ist viel günstiger bewertet als Beiersdorf.

Fielmann: Vertriebsrevolution und schwache Kommunikation

Kommunikation ist nicht immer die Stärke von Familienunternehmen. Der Brillenhersteller und -händler Fielmann bekräftigte noch im vergangenen Frühjahr die Margenprognose, um sie wenige Monate später zu kassieren. Wie sehen Sie die Entwicklung dort?

Wagner: Das Unternehmen hat strategisch und operativ vieles richtig gemacht. Fielmann entwickelt den Omnichannel-Vertrieb und verkauft Brillen in den Filialen, aber auch online. Die Übernahmen waren sinnvoll, zum Beispiel die in den USA.

Schmitt: Die Umbauphase des Vertriebs hin zu Omnichannel kostet erst einmal viel Geld und belastet den Gewinn. Deshalb schauen die Analysten ohnehin bereits kritischer auf das Unternehmen und reduzieren ihre Gewinnerwartungen, weshalb die Aktien dann teurer erscheint.

Amazon hat kürzlich angefangen, in Deutschland Brillen mit Sehstärke zu verkaufen. Wie relevant ist das für Fielmann?

Schmitt: Bei Fielmann können Sie den Sehtest ebenfalls schon digital machen. Dann können Sie die Brille im Geschäft anpassen lassen, der Onlinevertrieb und die Filialen sind verzahnt. Beim Wettbewerber Mr Spex, der als Onlinehändler startete, haben wir gesehen, dass er Läden eröffnete. Das zeigt: Ganz ohne den stationären Vertrieb geht es nicht.

Sind Optiker sind doch nicht so leicht durch Paketboten zu ersetzen?

Wagner: Genau. Besonders dann nicht, wenn es um das wirklich lukrative Geschäft geht, um die Gleitsichtbrillen. Da sind die Margen hoch. Fielmann ist hier extrem stark. Und das Unternehmen hat die Finanzkraft, um nötigenfalls auf Wettbewerber zu reagieren.

Lindt & Sprüngli: Schokolade geht doch nicht immer

Ein weiteres Investment von Ihnen ist Lindt & Sprüngli. Worauf kommt es bei diesem Unternehmen künftig an?

Wagner: Darauf, die Produktinnovationen hochzuhalten. Es ist toll, wie das Unternehmen über die Jahre die Produktpalette ausgeweitet hat und gewachsen ist. Dabei hat Lindt & Sprüngli grosse Herausforderungen bewältigt wie zum Beispiel die Lieferkettenprobleme während der Pandemie

Wie relevant ist für Sie der starke Anstieg des Kakaopreises?

Wagner: Sehr relevant. Lindt hat sich mit höheren Preisen erfolgreich gegen die Input-Kosteninflation gestemmt. Das war aber nur aufgrund der starken Marke möglich. Wer also denkt, dass Schokolade immer geht, liegt falsch: Es muss Premiumschokolade sein. Die Marke ist zum Glück sehr stark. Beim Kakaopreis und auch bei der Währungsentwicklung wird es ausserdem auch einmal wieder bessere Zeiten geben.

Dominikus Wagner und Dirk Schmitt

Dominikus Wagner (li.) ist Vorstand und Co-Gründer des Vermögensverwalters Wagner & Florack mit Sitz in Bonn und Köln. Er hat eine Bankausbildung sowie ein Studium der Betriebswirtschaftslehre absolviert und arbeitete vor Gründung des eigenen Unternehmens für die Deutsche Bank in Singapur sowie eine bankenunabhängige Vermögensberatung in Köln. Dirk Schmitt startete seine berufliche Laufbahn im Fondsmanagement 2008 bei Flossbach von Storch, wo er fünf Jahre lang als Investmentanalyst im Multi-Asset-Team arbeitete. Zuletzt war der promovierte Ökonom als Fondsmanager bei der Fortezza Finanz AG in Nürnberg und bei der Fürstlich Castell’schen Bank in Würzburg tätig. Schmitt studierte Volkswirtschaftslehre an der Universität Würzburg.

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