Dienstag, Oktober 8

Er hat die Backstreet Boys und *NSYNC gegründet. Eine dreiteilige Netflix-Dokumentation zeigt nun, wie Lou Perlmans unternehmerisches Wirken auf Schulden und Betrug basierte.

Er hat die Boygroup nicht erfunden. Als der Unternehmer Lou Pearlman Anfang der neunziger Jahre aber vom Grosserfolg von New Kids on the Block erfuhr, träumte er davon, selbst eine Boygroup zu führen. Der Musikfan und Cousin von Art Garfunkel suchte fünf gutaussehende, gesanglich begabte Jungs zusammen und gab ihnen den Namen Backstreet Boys. Einen ersten Hit landeten sie in Deutschland; bald gelang der internationale Durchbruch.

Ermutigt durch den Erfolg, gründete der Mann in Orlando, Florida gleich eine zweite Boygroup. Auch das Quintett *NSYNC stieg allenthalben an die Spitze der Charts. Später castete Pearlman im Rahmen einer TV-Show zudem die Gruppe O-Town. Wann der Boygroup-Trend vorbei sein werde, wurde er einmal gefragt. Wenn Gott aufhöre, kleine Mädchen zu machen, grinste der Mogul aus seinem feisten Gesicht.

«Big Poppa»

Die Bedeutung als Boygroup-Manager ist nicht der einzige Grund für die dreiteilige Dokumentarserie, die Pearlman auf Netflix gewidmet wird. Dramatik und Brisanz zieht «Dirty Pop: The Boy Band Scam» vielmehr aus der Dynamik von Aufstieg und Fall: Hinter Pearlmans Triumphen wartete ein Abgrund aus Schuld und Betrug.

Lou habe nie getrunken oder geraucht, umso mehr aber gegessen, erzählt ein Freund in der Netflix-Serie. Das war dem korpulenten Mann anzusehen, der wie ein schweres Amphibium mühsam durch die Welt stapfte. Schon als Junge sei er von den Peers als «fatboy» verhöhnt worden. Deshalb habe er sich in seine Träume geflüchtet, berichtet ein Musiker. Das erklärt vielleicht sein Talent als Illusionist und Verkäufer von Luftschlössern – und seine Affinität zur Pop-Musik.

Dirty Pop: The Boy Band Scam | Official Trailer | Netflix

Der Impresario, von den Schützlingen liebevoll «Big Poppa» genannt, schrieb seine unternehmerischen Prinzipien im Buch «Bands, Brands and Billions» nieder. Tatsächlich investierte er seine Kompetenz aber nie nur in Musik. In früheren Jahren hatte er die Firma Trans Continental gegründet. Unter ihrem Dach sollten zunächst eine Fluggesellschaft sowie ein Unternehmen zur Vermietung von Flugzeugen unterkommen. Aber es blieb bei Projektierung und Bluff.

Verbrieft ist indes eine Flotte von Luftschiffen, die als Werbeträger fungierten. Pearlman wurde vor allem aber dadurch reich, dass seine Zeppeline Schiffbruch erlitten und er eine eminente Versicherungssumme abkassieren konnte. Später unterhielt Pearlman bei Trans Continental ein Konglomerat verschiedenster Unternehmen und Scheinunternehmen in Bereichen wie Musik, Entertainment, Gastronomie und Luftfahrt.

Dank seinen Erfolgen im Musikbusiness scharte sich die amerikanische Prominenz um den stets freundlichen und galanten Hochstapler, der in seinem Mansion in Orlando grosse Partys schmiss. Und sie zog ein Heer von über zweitausend Investoren nach sich, die an Pearlmans Engagement glaubten. Die ersten Zweifler aber fanden sich dann ausgerechnet unter den Pop-Musikern.

Ein Desaster

Sowohl die Backstreet Boys als auch *NSYNC merkten plötzlich, dass sie um Millionen geprellt wurden. Schliesslich konnten sie sich aus Verträgen mit Trans Continental loskaufen. Der nächste Kläger war Pearlmans Anwalt, der den Deal mit den Sängern erwirkt hatte. Weil er vergeblich auf seinen Lohn wartete, klagte er gegen den Unternehmer.

In der Folge sorgten Medien, FBI und Justiz dafür, dass das finanzielle Desaster zutage kam. Pearlman hatte Bankkredite in Höhe von 200 Millionen Dollar veruntreut sowie 300 Millionen Dollar von Privatinvestoren. «Er hat Bilder in unsere Köpfe gepflanzt, und wir haben geglaubt, was er sagte», so klagt in der Serie eine Geschädigte. 2008 wurde Lou Pearlman zu 25 Jahren Gefängnis verurteilt. 2016 starb er 62-jährig an einer Herzerkrankung.

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