Das Modehaus Louis Vuitton präsentierte an der Pariser Männermodewoche eine facettenreiche Kollektion für Herbst/Winter 2025/26 mit Inspirationen aus Japan, der Streetwear und Dandy-Eleganz.
Aufgrund welcher Faktoren lässt sich eine Modekollektion – wenn überhaupt – als gut oder besonders gelungen bezeichnen? Zunächst ist Mode ja vor allem eines: Geschmackssache. Weshalb viele Modekollektionen heutzutage ziemlich breit aufgestellt sind, um ein möglichst grosses Publikum zu erreichen.
Weiter treffen gelungene Kollektionen einen Nerv, sei es aus stilistischen oder aus inhaltlichen Gründen, mit der Art, wie sie präsentiert werden und was für Geschichten sie erzählen. Im Falle der jüngsten Männerkollektion von Louis Vuitton treffen alle diese Faktoren zu.
Pharell und Nigos langjährige Freundschaft
Bei der am Dienstagabend im Cour Carré du Louvre gezeigten Show handelt es sich um die sechste Kollektion von Pharrell Williams, dem US-amerikanischen Musiker, Musikproduzenten, Modemacher und Unternehmer, der seit Juni 2023 den wichtigsten Job in «Luxury Menswear» besetzt: Als Kreativdirektor der Herrenlinie von Louis Vuitton hat Pharrell seit seinem Debüt bereits fünf weitere Kollektionen präsentiert, die saisonalen Hauptkollektionen sowie die Resort- und Pre-Fall-Zwischenkollektionen.
Der 51-Jährige, der ursprünglich als Musiker bekannt geworden ist, widmet sich nicht ausschliesslich seiner Rolle bei der Luxusmaison. So entwirft er auch eine Schmucklinie für Tiffany & Co., hat kürzlich den mit Legofiguren animierten Kinofilm «Piece by Piece» über sein Leben produziert und realisierte jüngst ein Projekt zwischen seinem Beautylabel Humanrace und der Wassermarke Evian.
Nach dem aufsehenerregenden modischen Western-Spektakel in Louis Vuittons Kollektion für den vergangenen Herbst wendet sich Williams nun für Herbst/Winter 2025 der anderen Himmelsrichtung zu: Japan. Es ist die Heimat Nigos, der ebenfalls Musikproduzent und Modedesigner sowie Kreativchef von Kenzo ist. Pharrell und Nigo verbindet eine langjährige Freundschaft, aus der in der Vergangenheit bereits diverse Kollaborationen entstanden, etwa die Streetwearlabels Billionaire Boys Club und Ice Cream, die sie 2003 gründeten.
Dandy-Eleganz trifft auf Luxus-Streetwear bei Louis Vuitton Men, Herbst/Winter 2025.
So fliessen in die neuen Kollektion Designcodes aus ebendieser Zeit ein – fette Versionen von Skate-Sneaker zu jugendlichen Dreiviertel-Jeans. Ebenso zu sehen sind traditionelle japanische Textiltechniken, wie die mit Ikat verwandte Kasuri-Technik und Motive wie Kirschblüten oder das Shippo-Motiv aus sich überschneidenden Kreisen. Die Sports- und Workwear-Einflüsse aus früheren Kollektionen werden aber auch in der neuen Kollektion weitergezogen, diesmal im Dialog mit japanischen Streetwear-Kulturen.
Von Kim Jones über Virgil Abloh zu Pharrell
Streetwear ist schon seit einer Weile der rote Faden, der sich durch die Männerkollektionen von Louis Vuitton zieht – aber natürlich in einer erhöhten, maximalistischen Luxusversion, gepaart mit einer Dandy-Eleganz, die die klassisch-traditionellen Wurzeln der Maison widerspiegelt. Der Look ist Kim Jones zu verdanken, der von 2011 bis 2018 Kreativchef der Männerlinien war, und im Jahr 2017 mit der Kollaboration zwischen Louis Vuitton und der damals gehypten Streetwearmarke Supreme eine wahre Streetwearwelle in der Luxusbranche auslöste.
Ab 2018 dachte Jones› Nachfolger Virgil Abloh (1989 –2021) diesen Ansatz erfolgreich weiter, in dem er «amerikanisierte». Einer seiner ersten Entwürfe war etwa der Basketball-Sneaker «LV Trainer». Für Abloh, der zur Hip-Hop-Generation gehörte und laut eigenen Aussagen Nigo wie auch Pharrell zu seinen wichtigen Einflüssen zählte, war Streetwear nie eine Art von Kleidern, sondern eine Kultur, eine Gemeinschaft, eine Identität.
Dieser Ideologie fühlt sich auch Pharrell Williams seit 2023 verpflichtet. Anfangs noch beobachtete man sein Wirken mit viel Skepsis. Ob dieser so kindlich wirkende Tausendsassa die grossen Fusstapfen von Visionär Virgil Abloh füllen kann? Spätestens mit der neuen Kollektion und der Show sind diese Zweifel für die meisten verflogen. Pharrell Williams führt die Designerben von Virgil Abloh wie auch Kim Jones glaubhaft weiter und verpasst den Kollektionen seine ganz persönliche Note: eine gewisse kindliche Verspieltheit und purer Spass.
Und um Spass geht es in der neuen Männerkollektion von Louis Vuitton. Er kommt in der Form von exklusiven, raren Materialien, aufwendigen Techniken und lustigen, emotionalen Motiven und Referenzen.
So kommen in der vielschichtigen, mit etlichen Referenzen und Themen vollgepackten Kollektion zahlreiche neue Handtaschen und Lederwaren vor, darunter eine Speedy-Handtasche aus Krokoleder mit einem Stone-Wash-Effekt, der aber durch den Abdruck von japanischem Denim entsteht. Oder die Metallbeschläge von Handtaschen und Koffer, die mit Kirschblüten geprägt sind. Pharrells und Nigos Köpfe zieren zudem als poppiges Signet das sogenannte «Phriendship»-Damiermuster auf allerlei Accessoires.
Die Louis-Vuitton-Fangemeinschaft wird immer jünger und grösser
Wer der Modeshow am Dienstagabend in Paris beiwohnte, dem wurde etwas eindrücklich vor Augen geführt: Wie riesig die treue, von Kopf bis Fuss in den wildesten Louis Vuitton-Kreationen eingekleidete Fangemeinschaft doch ist, die zusammenkam, um sich die neuesten Drops der Maison bloss nicht entgehen zu lassen.
Ein besonderer Teil der Kollektion besteht aus schwarzem Leder: Mit Nieten besetzte oder mit Nigos Handschrift in Weiss verzierte Perfekto-Jacken, Taschen und Schuhe sind exklusiv nur am Tag nach der Show erhältlich.
Ob exklusive, limitierte Editionen oder nicht – die Palette der neuen Kollektion ist ein clever durchdachtes Luxus-Merchandising für die globale Louis-Vuitton-Fangemeinde, die seit Pharrells Mitwirken offenbar noch grösser und jünger geworden ist. In diesem Sinne lässt sich’s klar sagen: Alle Faktoren stimmen, diese Kollektion ist äusserst gelungen.