Mit originellen Programmen und flexiblen Formaten hat der deutsche Pianist der Luzerner Pianoreihe drei Jahre lang ein künstlerisches Profil gegeben. Im kommenden Jahr beginnt für das gesamte Festival eine neue Zeitrechnung.
Am Lucerne Festival stehen Veränderungen ins Haus. Denn Ende 2025 wird Michael Haefliger auf eigenen Wunsch als Intendant zurücktreten, nach dann 26 Jahren. Was sein Nachfolger, der deutsche Kulturmanager Sebastian Nordmann, für die international bedeutendsten Musikfestspiele der Schweiz plant, wird man erst im Januar erfahren. Doch fest steht schon jetzt: Auch bei den Festival-Satelliten, die das vierwöchige Hauptprogramm im Sommer ergänzen, wird manches anders.
Das betrifft auch das «Klavier-Fest», das der Pianist Igor Levit seit 2023 kuratiert hat. Levit selbst verabschiedete sich am Sonntagabend im KKL als Leiter der Reihe vom Publikum und dankte den Besuchern, dass sie sich drei Jahre lang auf seine Programmexperimente eingelassen hätten.
Lust an Grenzgängen
Tatsächlich entstand das «Klavier-Fest» aus einer Verlegenheit. Eigentlich hatte das Lucerne Festival 2019 seinen Festspielableger zu den Ostertagen sowie das seit 1998 bestehende, ebenfalls etwa einwöchige Klavierfestival per 2020 streichen wollen, um sich programmatisch mehr auf den Sommer zu fokussieren – auch aus finanziellen Gründen. Doch Haefliger nahm die unausgegorene Programmreform schon wenig später zurück.
Er sah sich nun aber mit dem Umstand konfrontiert, dass das KKL bereits in die Lücke gesprungen war und in Kooperation mit der örtlichen Konkurrenz ein eigenes Klavierfestival aufgegleist hatte: das von Martha Argerich kuratierte und immens erfolgreiche Projekt «Le Piano symphonique». War daneben noch Platz für eine zweite Klavierreihe? Igor Levit hat ihn gefunden, auf seine Weise.
Um die ritualisierten Abläufe eines traditionellen Klavierabends aufzubrechen, setzte er auf teilweise spontan festgelegte Programmfolgen und Ad-hoc-Konstellationen mit den von ihm eingeladenen Künstlern. Er bot weniger bekannten Nachwuchspianisten eine Bühne, öffnete das Programm für den Jazz – eine echte Lücke in Luzern – und auch für künstlerische Grenzgänger, in diesem Jahr etwa für den Klavier-Poeten Malakoff Kowalski.
Bei seinen eigenen Auftritten setzte er auf originelle, teilweise äusserst anspruchsvolle Programme, die in den vergangenen zwei Jahren um Franz Liszts selten gespielte, weil nahezu unspielbare Klavieradaptionen der Beethoven-Sinfonien kreisten. Er setzte damit zugleich einen subtilen Kontrapunkt zu «Le Piano symphonique», das mehr vom Rang der beteiligten Künstler lebt, bei aller Spontaneität der Klavier-Legende Argerich aber programmatische Gepflogenheiten kaum infrage stellt.
«Ein Weltwunder»
Zum Abschied wird es allerdings auch bei Levit ganz klassisch: Zusammen mit dem Lucerne Festival Orchestra (LFO), das bisher nicht Teil der Klavierreihe war, interpretiert er Mozarts «Jenamy»-Konzert, das früher wegen eines Lesefehlers den passenderen Beinamen «Jeunehomme» trug. Wie jeder Pianist weiss Levit, dass sein grosser Kollege Alfred Brendel 2008 mit diesem Stück, das er ein «Weltwunder» nannte, seinen Abschied vom Konzertpodium genommen hat. Levit spielt darauf in seiner kurzen Ansprache an, will die Sache aber nicht ganz so sehr mit Bedeutung aufladen. Bei ihm klingt das Werk leichter, verspielter, auch gefälliger; das Presto-Finale saust geradezu vorbei.
Aber der nur im Mittelsatz kurz verdüsterte, sonst gleichsam lächelnde Ton passt zum Ansatz des LFO, das unter Leitung seines Konzertmeisters Raphael Christ noch zwei weitere Mozart-Werke spielt, darunter die «Haffner»-Sinfonie: immer klar, immer prägnant und sonnenhell, passend zum Luzerner Frühsommerabend, an dem erst in der Ferne die ersten Gewitterwolken aufzogen.