Donnerstag, Oktober 10

Erstmals stammt das Sammelalbum für die Fussball-EM nicht aus dem Haus Panini. Das Produkt des Konkurrenten Topps kämpft mit einigen Mängeln. Ein Beispiel? Kylian Mbappé fehlt.

Es gibt wenige Marken, die zum Synonym eines Produkts wurden. Bostich für den Bürohefter, Tesa fürs Klebeband. Und wer Fussball-Sticker mag, der sammelt weltweit Panini.

Die Firma aus Modena setzt seit 1961 Massstäbe. Damals gingen ihre «figurine» (Bildli) von italienischen «calciatori» auf den Markt. Und als sie 1970 das erste WM-Sammelheft lancierte, wurden ihre Panini-Alben über die eigenen Landesgrenzen hinaus bekannt. Seither feilschen Generationen von Kindern alle zwei Jahre auf dem Pausenplatz um die Helden der anstehenden EM oder WM. «Ich biete Cabanas und Cantaluppi für Zidane!»

Wer in diesem Frühjahr aber «Panini» sagt, der meint vermutlich ein anderes Produkt. Erstmals kommt das offizielle EM-Album nicht aus Norditalien. Die Hefte für die EM 2024 und 2028 wird Topps herausbringen – Paninis Konkurrent aus Amerika. Ein Foul in den Augen der Nostalgiker.

Grösster Player auf dem Markt

Eigentlich ist das Unternehmen Topps seit Ende der 1930er Jahre auf Baseball- und Eishockey-Sammelkarten spezialisiert. Als der Grosskonzern Fanatics im Jahr 2022 Topps übernahm, wurde das Konglomerat zum potentesten Player im Sticker-Markt.

Schon seit längerem produziert Topps die Alben der Champions League. Auch die Bundesliga-Sticker kommen von dem amerikanischen Produzenten. Erst mit dem Einstieg von Fanatics schaffte es Topps aber, Panini im Rennen um die nächsten zwei EM auszustechen. Der europäische Fussballverband Uefa gab 2022 den Amerikanern den Zuschlag. Als Werbeträger fürs neue Album engagierten sie den Weltklassetrainer José Mourinho für gewitzte Spots.

José Mourinho becomes official manager of ALL teams for UEFA EURO 2024... Topps Sticker Album

«Keine herausragende Sammlung»

Im Album fehlen hingegen einige Starspieler. Seit vergangener Woche ist das Topps-Heft auf dem Markt. Es enttäuscht viele Sammler. Gianni Bellini gilt als einer der grössten Sticker-Aficionados weltweit. Der 60-Jährige aus der Region Modena hat rund 4200 Hefte vollgeklebt. Bellinis Urteil zum neuen Topps-Produkt ist klar. «Es ist keine herausragende Sammlung. Sie ist weitgehend unvollständig», sagt er am Telefon.

Dass ein Spieler kurz vor dem Turnier ins Kader rückt, hat es schon immer gegeben. Er fehlte dann auch in den Panini-Heften. Dieses Mal ist die Situation anders. Im Topps-Album gibt es keinen Sticker von einem der bedeutendsten Fussballer der Gegenwart: vom Franzosen Kylian Mbappé. Auch die Deutschen Manuel Neuer und Florian Wirtz sind unauffindbar.

Keine Lizenzen

Das hat mit der Rechtesituation zu tun. Einige Spieler sowie Verbände sind an langjährige und exklusive Lizenzverträge mit Panini gebunden. Sie schützen die Trikots und die Logos der Verbände. Deutschland, Italien, Frankreich und England haben ihre Rechte nicht an Topps abgetreten. Während die meisten Mannschaften ihre Spieler im Dress und mit dem Emblem auf der Brust zeigen, sind die Fussballer der vier grossen Nationen nur mit Nahaufnahmen ihrer Gesichter zu sehen.

Das Resultat ist ein lückenhaftes und uneinheitliches Heft – auch was die Sticker der Verbandswappen angeht. Für Kinder und Sammler waren die Bilder oben links auf der jeweiligen Teamdoppelseite stets begehrt. Fürs Topps-Heft haben die abtrünnigen Nationen ihre Signete nicht hergegeben. Statt des Adlers des Deutschen Fussballbundes sind nur die Landesfarben Schwarz-Rot-Gold in einem runden Wappen eingefasst.

Diese Details würden das Topps-Album benachteiligen, sagt der Sammler Gianni Bellini. Ausfüllen wird er es trotzdem. «Sogar zweifach», sagt er. Wie Panini bringt auch Topps zwei Versionen auf den Markt, eine internationale sowie eine Schweizer Ausgabe.

Überfrachtet und zufällig

Dass es einen Run auf das Heft geben wird, stellt Bellini in Zweifel. Mit 88 Seiten und 728 Stickern ist es überfrachtet und entsprechend teuer. Mindestens 200 Euro dürfte in Italien ein volles Heft kosten. Topps hat auch alle Play-off-Teams hineingepackt, die es gar nicht nach Deutschland geschafft haben. Es gibt Sticker mit Wahrzeichen der Teilnehmernationen: Für die Schweiz das Schloss Chillon, das Matterhorn und eine weitere verschneite Bergflanke, die nicht auf Anhieb identifizierbar ist und etwas beliebig wirkt.

Wer das Heft füllen will, muss auch mehrere Zusatz-Sticker zu jedem Team einkleben: für den «Player to Watch», den «Star Player» und zwei weitere Topspieler jeder Mannschaft. Auf der eigentlichen Teamdoppelseite sind wiederum einzelne Fussballer als «Artist» und «Captain» gekennzeichnet.

Das alles führt zu Doubletten und seltsamen Gewichtungen. Weil Xherdan Shaqiri der Schweizer «Artist» ist und Granit Xhaka der «Captain», schaffen es Fabian Rieder zum «Player to Watch» und Noah Okafor zum «Star». Mehr Bilder, mehr Einnahmen für die Hersteller.

WM-Heft bleibt bei Panini

Die Spezialkategorien sind aber auch Ausdruck der Zeit. Früher war ein Panini-Heft so etwas wie eine Enzyklopädie des Fussballs und ein Führer durch die Turniere. Wo sonst gab es im Zeitalter vor dem Internet die Spielpläne und die biografischen Daten der Fussballer? Wo erfuhren die Fans, bei welchen Klubs die Gegner engagiert waren? «Selbst die Journalisten im Stadion nutzten das Panini-Heft», sagt etwa Ezio Bassi, Geschäftsführer von Panini Schweiz.

Dennoch behalten die Alben in seinen Augen auch heute eine wichtige Funktion. «Sie schaffen Erinnerungen», sagt Bassi. In einer Zeit zunehmender Isolierung soll das Tauschen auch zu mehr Interaktion führen.

Spätestens in zwei Jahren wird dies wieder mit Panini-Bildern möglich sein. Die Lizenzen des Weltverbandes Fifa sind bei den Italienern geblieben. Diese werden die Alben für die nächsten zwei Männer-WM 2026 und 2030 sowie die Frauen-WM 2027 herausbringen.

In diesem Frühjahr konkurrenziert Panini mit einem alternativen Produkt das Topps-Album. Es heisst «World Class» und ist zum 120-Jahr-Fifa-Jubiläum eine Retrospektive auf die bisherigen acht Weltmeisternationen. Das habe zwar wenig mit der EM zu tun, sagt Bassi, «aber mit dem Besten des Weltfussballs». Nicht ganz. Die gegenwärtigen EM-Teams von Deutschland, Italien, Frankreich und England sind im Gegensatz zum Topps-Album hier ganz zu sehen. Auch Mbappé.

Exit mobile version