Freitag, Februar 21

Der frühere Chef des spanischen Fussballverbandes küsste die Spielerin Jenni Hermoso nach dem Sieg im WM-Final 2023 gegen ihren Willen auf den Mund. Das Urteil gegen Rubiales werten Anwälte und Frauenbewegung als moderaten Erfolg.

Luis Rubiales soll es wirtschaftlich nach wie vor ganz gut gehen, er kaufte sich vergangenen Jahr eine Wohnung im Zentrum von Granada und unterhält Geschäftsinteressen auch in der Dominikanischen Republik. Das am Donnerstag gegen ihn ergangene Urteil des Nationalen Gerichtshofs von Spanien liest sich vor diesem Hintergrund durchaus erstaunlich. Für seinen Kuss auf den Mund der Nationalspielerin Jenni Hermoso bei der Siegerehrung der Fussball-WM 2023 wurde der spanische Ex-Verbandspräsident zu einer Geldstrafe von 10 800 Euro verurteilt – zu zahlen in 540 Tagessätzen von je 20 Euro. Diese Summe sollte er vom Haushaltsgeld abzwacken können.

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Der weltweit beachtete Prozess endete also vorerst mit einer eher symbolischen Bestrafung. Rubiales entgeht klar der Haftstrafe, welche die Staatsanwaltschaft wegen des Kusses sowie anschliessender Nötigungsversuche gefordert hatte. Vom zweiten Vorwurf wurde Rubiales im Verdikt des Richters José Manuel Clemente aber ebenso freigesprochen wie die mitangeklagten ehemaligen Verbandsangestellten Jorge Vilda (Nationaltrainer Frauen), Albert Luque (Sportdirektor Männer) und Rubén Rivera (Marketingdirektor). Weder die Anklage noch Hermoso hätten darlegen können, dass es zu gewaltsamen oder einschüchternden Handlungen gekommen sei.

Mit einer Berufung wird gerechnet

Allgemein wird damit gerechnet, dass die Staatsanwaltschaft nach Studium der Urteilsbegründung gegen diese Einschätzung in Berufung gehen wird. Denn grosse Teile des Prozesses hatte sie darauf verwandt, die Drucksituation darzulegen, die Hermoso das Leben in den Tagen nach dem WM-Finale noch mehr verleidete als der nach ihren eigenen Worten «ekelhafte» Kuss an sich.

«Eine einfache Spielerin stand einem mächtigen Verband gegenüber, mit einem Präsidenten, der nicht vieles befehligte – sondern alles»: So hatte die Staatsanwältin Marta Durántez in ihrem Schlussplädoyer vor Gericht die fraglichen Tage im August 2023 eingeordnet, als Rubiales und sein Umfeld die Weltmeisterin zu entlastenden Statements bewegen wollten. Zur Einlegung von Rechtsmitteln verhängte das Gericht am Donnerstag eine Frist von zehn Tagen. Bis zum Abend gab es noch keine Stellungnahme der Staatsanwaltschaft.

Dafür sprach die Regierung. Gleichstellungsministerin Ana Redondo von den Sozialisten wertete das Urteil als Erfolg, weil «das Wort des Opfers respektiert und nicht infrage gestellt» worden sei: «Wenn es keine Zustimmung gibt, handelt es sich um eine Aggression, das hat der Richter bestätigt», erklärte sie. «Solo sí es sí», nur ja heisst ja, lautet das einschlägige, 2022 eingeführte Gesetz. Die damals verantwortliche Ministerin Irene Montero von der Linken, meinte, vor der Reform wäre das gestrige Urteil «undenkbar» gewesen. Von einem Triumph wollte sie dennoch nicht sprechen: «Geldstrafe und Schadensersatz (3000 Euro, d. Red.) sind minimal, es gibt kein Ämterverbot und die Position als Vorgesetzter wird nicht einbezogen.»

Tatsächlich folgte Clemente insoweit nicht Hermoso, die geklagt hatte, «mein Chef hat mich geküsst, das sollte nirgendwo normal sein.» Rubiales habe «kein Überlegenheitsverhältnis gegenüber dem Opfer ausgenutzt», so der Richter, der ausserdem strafmildernd einbezog, dass es sich um eine Aggression der «geringsten Intensität» gehandelt habe. Aber es habe unmissverständlich «ein Übergriff gegen die sexuelle Freiheit Hermosos» vorgelegen: «Eine Frau auf den Mund zu küssen, hat eine eindeutig sexuelle Konnotation und ist nicht die normale Art, jemanden zu begrüssen, mit dem man keine affektive Beziehung hat.»

Wegen dieser Klarstellung sei Hermoso mit dem Urteil moderat zufrieden, berichtete der Radiosender «Cadena Copa» unter Berufung auf Quellen aus ihrem Umfeld. Das bedeute einen «Schritt nach vorn für alle Frauen». Das geringe Strafmass und der Freispruch vom Vorwurf der Nötigung hätten Hermoso hingegen weniger gefallen.

Rubiales darf sich Hermoso nicht nähern

Von Hermoso selbst, der Nebenklägerin im Prozess, oder ihrem Anwalt gab es bis zum Abend kein Statement. Die Spielergewerkschaft Afe, ebenfalls Nebenklägerin, liess durch ihre Anwältin María José López verlauten, man sei «zufrieden» mit dem Urteil: «Es sendet eine sehr wichtige Botschaft an die Gesellschaft.»

Die öffentlich-rechtliche Medienanstalt RTVE berichtete derweil, einer habe sich schon zur Berufung entschieden: Rubiales selbst. Das habe seine Anwältin angedeutet. Auch dafür fehlte zunächst eine offizielle Bestätigung, aber der Ex-Funktionär hatte sich während seiner Prozessaussage erneut als unschuldig dargestellt. Er blieb bei seiner Version, Hermoso habe ihm auf dem WM-Podium «vale», okay, auf die Frage erwidert, ob er ihr «ein Küsschen» geben dürfe. So hatte es Rubiales schon im August 2023 bis zu seiner Amtsenthebung durch den Weltverband Fifa immer wieder betont.

Richter Clemente vermochte für diese Lesart jedoch keine Anhaltspunkte zu entdecken. Hermosos Einlassungen gestand er hingegen «volle Glaubwürdigkeit» zu – auch wenn sie die Bedeutung des Übergriffs in ersten Reaktionen heruntergespielt habe, um die Feierlichkeiten der Mannschaft nicht zu belasten. Wie von der Staatsanwältin in ihrem Schlussplädoyer gefordert, braucht es keinen «heroischen Widerstand» einer Frau mehr, um als Opfer einer Aggression anerkannt zu werden – auch das verdeutlicht das Urteil. Es verbietet Rubiales ausserdem während eines Jahres, sich Hermoso in einem Radius von 200 Metern zu nähern oder mit ihr Kontakt aufzunehmen.

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