Sonntag, September 29

Das resolute Vorgehen gegen ihren einstigen Star reisst in der Grünliberalen Partei Gräben auf.

Ein Post reichte, und die nationale GLP liess ihren Star fallen.

Nachdem Sanija Ameti – meinungsstarke Jungpolitikerin, Co-Präsidentin der Operation Libero und Hobby-Schützin – ein Bild von Maria und Jesuskind als Zielscheibe verwendet, mit Schüssen durchlöchert und das Ganze auf Instagram gepostet hatte, erfolgte ihre Demontage Schlag auf Schlag. Nun führt sie auch zu Konflikten in ihrer Partei.

Am Samstag macht der «Blick» die Aktion publik. Am Sonntag attackiert sie der nationale GLP-Präsident frontal: «Das war eine Riesendummheit, die nicht entschuldbar ist.» Mit ihr darüber gesprochen habe er nicht.

Am Montag überschlagen sich die Ereignisse: Ihr Job bei der PR-Agentur Farner? Weg. Ihr Amt in der kantonalen Parteileitung? Ebenfalls. Ihre Zukunft in der GLP? Durch ein Ausschlussverfahren infrage gestellt.

In wenigen Tagen hat Ametis Aktion ihr Leben umgepflügt. Der Polit-Star der GLP, dank provokanter Äusserungen und breiter Medienberichterstattung national bekannt, hat es noch mit einer Entschuldigung versucht, den Post gelöscht, um Vergebung gebeten.

Doch es nützte nichts.

Sie und ihre Familie stehen wegen Drohungen unter Polizeischutz. Es gehe ihr nicht gut, schreibt sie am Dienstag der NZZ. Sie könne sich aus gesundheitlichen Gründen momentan nicht zur Sache äussern – auch wenn sie gerne würde.

Dafür äussern sich, nach der ersten Welle der Empörung, langsam auch die Ameti-Verteidiger aus der GLP – und wählen ihrerseits harte Worte. Auch im Stadtzürcher Gemeindeparlament, dem Ameti angehört, hat sich ihre Fraktion am Dienstag überraschend hinter sie gestellt.

«Die komplette Zerstörung eines Menschen»

Serap Kahriman sitzt mit Sanija Ameti in diesem Parlament. Die beiden kennen sich gut, haben zusammen Wahlkampf gemacht, sind auch privat befreundet. Kahriman sagt: «Es ist erschütternd, was hier mit einer jungen Politikerin passiert.»

Ametis Post sei inhaltlich nicht zu entschuldigen. Er habe Gefühle verletzt, und es sei richtig, dass es für einen solchen Fehler Konsequenzen gebe. «Aber diese komplette Zerstörung eines Menschen – das ist einfach unverhältnismässig.»

Sie selbst habe erst vom Vorfall erfahren, als Ameti sich per Mail bei allen ihren Fraktionskollegen dafür entschuldigt habe, sagt Kahriman. Den Post selbst habe sie skurril gefunden, wobei sie zunächst nicht das zerschossene Heiligenbild am meisten irritiert habe, sondern die martialische Pose von Ameti mit der Sportwaffe in der Hand.

«Ich dachte mir: ‹Hä, was ist denn da passiert?›», sagt Kahriman. «Nie hätte ich gedacht, was dieses eine Bild für Folgen haben würde.»

Regelrecht die Luft weggeblieben sei ihr, als sie in der «Blick»-Kommentarspalte las, man solle beim nächsten Schiesstraining doch Ameti als Zielscheibe verwenden. «Da geht jedes Mass verloren.»

Kahriman spricht von einer «Medienkampagne» und einem «Lynchmob», der sich auf ihre Parteifreundin gestürzt habe. «Es ist, als hätten sie auf einen Faux-pas von ihr gewartet.»

Aber ist es wirklich nur ein Faux-pas, wenn ein Social-Media-Profi, die bei einer PR-Firma arbeitet, einen solchen Post in die Welt schickt? Sie glaube Ameti, wenn sie von einem Versehen spreche, sagt Kahriman. «Sanija ist eine Provokateurin, das war sie schon immer und das wird sie hoffentlich bleiben. Aber ihre Provokationen hatten immer einen klaren politischen Inhalt.»

Das Zerschiessen von Jungfrau und Jesuskind widerspiegle dagegen in keiner Weise Ametis Werte. Dass sie dafür nun mit Gewalt und Tod bedroht werde, habe auch mit ihrem Geschlecht und ihrem Migrationshintergrund zu tun, zeigt sich Kahriman überzeugt. «Hätte ein Hans Muster dasselbe getan, wäre die Kritik viel weniger harsch gewesen.»

«Reaktion der GLP war völlig übertrieben»

Nicola Forster, ehemaliger GLP-Kantonalpräsident, spricht von «Cancel Culture». «Der Post war ein riesiger Fehler, er hat eine Grenze überschritten», sagt er. Aber das Ausmass der öffentlichen Reaktionen sei unverhältnismässig.

Konsequenzen seien angebracht. Mit dem Verlust ihres Parteileitungsamts habe Ameti jedoch bereits einen politischen Preis bezahlt – «einen höheren, als manch anderer Politiker ihn für seine Taten bezahlen musste».

Etwas weniger diplomatisch äussert sich GLP-Mann Benjamin Gautschi. Der angehende Jurist – bekannt durch aufsehenerregende Beschwerden vor Bundesgericht, zuletzt im Fall Isabel Garcia – hat extra eine selbstauferlegte Twitter-Pause unterbrochen, um die nationale Parteileitung zu kritisieren.

Wenn man Ameti aus der Partei werfe, solle man ihn auch gleich ausschliessen, twitterte er am Montag. Der NZZ sagt Gautschi: «Die Reaktion der nationalen GLP war völlig übertrieben, ja geradezu panisch.» Nach dem Fehler von Ameti und ihrer Entschuldigung hätte man als Partei Ruhe bewahren und das Gespräch suchen müssen, statt in Panik auszubrechen.

Ähnlich sieht das auch Kahriman: «Ich hätte als Parteipräsidentin mit Forderungen wie dem Parteiausschluss abgewartet, bis alle wieder einen kühlen Kopf haben.»

Am Dienstagnachmittag gibt schliesslich auch das GLP-Fraktionspräsidium im Zürcher Stadtparlament bekannt: Es wolle Ameti nicht ausschliessen und ihr auch keinen Rücktritt nahelegen.

Selbst aus der Kantonalsektion tönt es zurückhaltender als noch am Tag zuvor. Co-Präsidentin Nora Ernst weist gegenüber der NZZ darauf hin, dass bei den Forderungen an Ameti zu differenzieren sei: Die Kantonalpartei habe nur, und gemeinsam mit Ameti, entschieden, dass sie aus dem kantonalen Parteivorstand zurücktreten müsse.

Von einem Parteiausschluss habe die kantonale GLP bis jetzt nicht gesprochen. Dies sei eine Forderung der nationalen Partei.

Das bedeute zwar nicht, dass die kantonale GLP gegen einen Ausschluss wäre – die Zürcher Sektion habe in dieser Frage aber schlicht noch keine offizielle Haltung entwickelt, sagt Ernst.

Ein Graben in der GLP

Damit droht der Fall Ameti zur Zerreissprobe für die GLP zu werden: lokal gegen national, harte Kritiker gegen enge Weggefährten. Es ist ein Konflikt, der die GLP in zwei Lager teilt: Da sind zum einen die Jung-GLPler der Social-Media-Generation, die in Kampagnen und Start-up-Slang denken, ihre Energie nicht nur in etablierte Gremien stecken wollen – und Ameti als Vorbild sehen.

Zum anderen ist da die alte Garde, durch die Ochsentour aufgestiegen. Es ist jener Schlag GLPler, die sich nicht ohne Stolz als etwas langweilige Technokraten verstehen, die auf nüchterne Lösungen statt Showbusiness setzen. Diese Kreise betrachten die mediengewandte Ameti seit je mit Misstrauen und bezeichnen sie hinter vorgehaltener Hand zuweilen als Selbstdarstellerin, die sich im politischen Alltag und für die Partei zu wenig einbringe.

Hört man sich bei gestandenen Grünliberalen um, findet man viel Unterstützung für die schnelle Reaktion der Partei. Ein langjähriger Politiker sagt, er sei froh, dass die Parteileitung sofort klargemacht habe: Ein solches Verhalten wird nicht toleriert. Das unterscheide die GLP von anderen Parteien, die nach Verfehlungen viel zu nachsichtig mit Mitgliedern umgingen.

Die Nerds, tendenziell etwas bürgerlicher, hier. Die Influencer, eher links-urban, dort. Der schnelle Fall der Sanija Ameti reisst in der GLP einen Graben auf.

Bis es zu einem allfälligen Parteiausschluss kommt, kann es noch dauern. Obwohl die nationale Partei ihn verlangt, ist in erster Linie Ametis Zürcher Kreispartei dafür zuständig. Deren Spitze trifft sich am Dienstagabend mit Vertretern der städtischen GLP, um über das weitere Vorgehen zu beraten. Erst in einem zweiten Schritt gelangt das Verfahren dann zur Kantonalpartei.

Bis ein Ausschluss vollzogen werde, könne es einige Zeit dauern, da alle Seiten angehört werden müssten, sagt Co-Kantonalpräsidentin Ernst. «Ein solches Verfahren ist nicht in 48 Stunden erledigt.»

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