Sonntag, November 24

Dieser Elektro-Geländewagen könnte aus einem «Mad Max»-Film stammen. Doch man kann den Über-Offroader aus China in der Schweiz kaufen. Er kann tatsächlich viel, aber nicht alles.

Freunde von Militaria-angehauchten Utensilien können sich freuen: Nach dem Ende des amerikanischen Geländewagens Hummer in Europa gibt es wieder etwas Vergleichbares. Der chinesische Dongfeng-Konzern hat neben dem SUV Voyah Free seit einigen Wochen Fahrzeuge der Untermarke M-Hero im Angebot. Diese erinnern an Vehikel, die für Militärzwecke gebaut werden.

Das erste Modell, das in der Schweiz angeboten wird, ist der M-Hero 1, der jedoch eine Spur eleganter gestaltet und deutlich luxuriöser ausgestattet ist als Fahrzeuge von Bucher-Guyer oder Mowag. Und der Wagen aus Wuhan ist batterieelektrisch unterwegs, wenngleich die maximale Ladeleistung von 100 Kilowatt nicht mit der Konkurrenz mithalten kann.

Mit seiner Batteriekapazität von 142 Kilowattstunden gehört der M-Hero 1 dennoch zu den Elektroautos der Sonderklasse. Er arbeitet mit vier Elektromotoren, die jedoch nicht an den Radnaben montiert sind, sondern tiefer im Inneren der Karosserie, um Beschädigungen im harten Geländeeinsatz zu vermeiden. Insgesamt leisten die vier E-Maschinen 800 kW (1088 PS) und ermöglichen ein maximales Drehmoment von 1400 Nm.

Die Karosserie ist zum grossen Teil aus Stahl gefertigt, auch der Unterbodenschutz. Der Akku, die Karosserie und der im Innern verfügbare Luxus haben allerdings auch ihr Gewicht. Nicht weniger als 3,4 Tonnen schwer ist der M-Hero 1 – und doch lässt er sich mit einem Pkw-Führerausweis fahren, da er als Elektroauto von einer Sonderregelung profitiert, bei der das Batteriegewicht vom Leergewicht abgezogen wird. So zumindest bestätigt dies der Europa-Importeur Noyo.

Das hohe Gewicht ermöglicht trotz grossem Akku allerdings nur eine bescheidene Reichweite von 450 Kilometern gemäss WLTP-Messzyklus. Die Aerodynamik des martialisch gestalteten Geländewagens dürfte die Reichweite zusätzlich einschränken. Doch mit seiner Motorkraft soll der M-Hero 1 so manchen Sportwagen alt aussehen lassen: In 4,2 Sekunden erreicht der chinesische Brocken laut Hersteller aus dem Stand die 100-km/h-Marke. Dies liess sich auf der Landstrasse nicht nachprüfen.

Auf dem Papier beeindruckt das Fahrzeug jedenfalls in vielerlei Hinsicht. Und wenn man vor dem Wagen steht, erkennt man die schiere Grösse: Mit fast 5 Metern Länge und gut 2 Metern Höhe entsprechen seine Dimensionen denen des elektrischen GMC Hummer – dem Hauptkonkurrenten auf dem amerikanischen Markt. Mit einer Breite von 2,08 Metern ist er auf Parkplätzen kein gerngesehener Gast.

Das Militär-Thema ist der rote Faden

Auf ersten Probefahrten im Zürcher Oberland soll der M-Hero 1 zeigen, wie alltagstauglich er trotz seiner Fülle ist. Schon das Einsteigen entspricht dem Wortsinn, wird aber durch ein automatisch ausfahrendes Trittbrett erleichtert. Etwas übertrieben mag man finden, dass der Innengriff der Fahrzeugtür sich anfühlt wie die Griffschalen einer Pistole. In Kombination mit dem Chromelement darüber wirkt dies wie die Darstellung einer Glock. Und wenn man die Tür zuzieht, ertönt das Geräusch einer Schusswaffe beim Durchladen.

Geschaltet wird durch das Drehen an einer quer über der Mittelkonsole angeordneten Walze, die insgesamt sechs Fahrmodi werden ebenfalls über diese Walze gewählt. Auch dies passt zur Militär-Optik des M-Hero 1. Wir beginnen die Asphaltfahrt im «Auto»-Modus.

Schon beim Anfahren wird die enorme Kraft des Allradantriebs deutlich, der Wagen geht an der Hinterachse leicht in die Knie. Angenehm überrascht sind wir über den guten Geradeauslauf, jedoch sind die Wankbewegungen in der Längsachse so ausgeprägt wie die Seitenneigung in Kurven. Die Konkurrenz arbeitet bereits seit einiger Zeit mit Systemen zur aktiven Wankstabilisierung, das wäre auch im Dongfeng-Offroader wünschenswert.

Dank einer intelligenten Allradlenkung ist der M-Hero 1 allerdings erstaunlich wendig. Der Wendekreis von gut zehn Metern ist ein ausgezeichneter Wert – Strassenautos schaffen in der Regel nichts unter elf Metern. Das Drehen auf der Stelle, wie dies in der neuen Mercedes-G-Klasse möglich ist, beherrscht der M-Hero 1 allerdings nicht.

Der Abrollkomfort des mit Luftfahrwerk ausgestatteten Wagens entspricht zudem nicht dem Luxus, den die Ledersitze mit Massagefunktion und die grosszügigen Platzverhältnisse für vier Personen suggerieren. Es rumpelt auch auf neueren Asphaltbelägen ordentlich, was teilweise den groben Michelin-Geländereifen und dem hohen Fahrzeuggewicht geschuldet ist.

Die Feindosierung der Pedale ist ein Schwachpunkt

Die Lenkung agiert spontan, ohne allzu direkt eingestellt zu sein. Etwas zurückhaltender ist das Ansprechverhalten der Pedale. Sowohl bei der Beschleunigung als auch beim Bremsen reagiert der Wagen immer leicht verzögert. Dies fällt jedoch auf der Landstrassenfahrt kaum ins Gewicht, man gewöhnt sich schnell daran.

Viel besser kommt der China-Offroader im Gelände zurecht, hier hat er aufgrund seiner Bauart ein Heimspiel. Den ersten Teil des anspruchsvollen Parcours mit tiefen Sandlöchern absolviert der M-Hero 1 im Fahrmodus «Sand», allerdings nicht ohne das Zuschalten der Differenzialsperren an beiden Achsen. Eine enge Kurve auf steinigem Untergrund kann aber nicht im «Rock»-Programm gefahren werden, weil dann die Allradlenkung nicht funktioniert. Im «Sand»-Modus klappt es klaglos.

Ein sanftes Dosieren der Beschleunigung und Verzögerung wäre auf den losen Steinen zwar nötig, aber aufgrund der Pedalreaktion ist dies nicht wunschgemäss möglich. Hier muss Dongfeng noch nachbessern, sonst leidet die Geländefähigkeit – und damit die Kernkompetenz des Wagens.

Das enorme Drehmoment des Vier-Motoren-Pakets kommt auf der steilen Bergauffahrt über eine Treppe zum Tragen. In einem Zug schiebt das 3,4-Tonnen-Paket sich nach oben. Bei der anschliessenden Bergabfahrt allerdings zeigt sich eine weitere kleine Schwäche des Geländesystems: Das Antiblockiersystem (ABS) des M-Hero 1 reagiert bei geringen Geschwindigkeiten unterhalb von 5 km/h nicht mehr, die Räder rutschen blockierend abwärts. Auch hier fehlt es noch am Feintuning der Bergabfahrhilfe.

Für Freunde von Tiefschnee- oder Dünenfahrten aber eignet sich der Hummer-Konkurrent bestens. Bei Vollgaspassagen kann der M-Hero 1 seine Antriebsstärke und die Bodenfreiheit von bis zu 335 Millimetern voll ausspielen. Schweres Gelände benötigt hingegen noch etwas Nacharbeit, und das ist für einen Geländewagen aus China zum Preis ab knapp 150 000 Franken auch erforderlich.

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