Samstag, Oktober 5

Dem Mitgründer des Schweizer Weltmarktführers gelingt es nicht, die Spitze des Verwaltungsrats auszutauschen. Doch Borels anhaltender Beschuss hinterlässt Spuren.

Über 40 Jahre gibt es das Unternehmen Logitech schon. Dennoch befürchtet Mitgründer Daniel Borel, dem Weltmarktführer für Computermäuse und Tastaturen könnte die Zeit davonlaufen. Deshalb kämpfte der 74-Jährige am Mittwoch an der Generalversammlung in Lausanne für die Abberufung von Verwaltungsratspräsidentin Wendy Becker – und sparte nicht mit Anschuldigungen: Lügen, Manipulation und Desinformation warf er ihr vor. Es ist ein selten gesehener Zwist um die Spitze eines SMI-Konzerns.

Das Kuriose: In zwölf Monaten dürfte sich das Problem Becker, wenn es denn eines ist, von selbst erledigen. 2025 will sich die Amerikanerin nicht mehr zur Wiederwahl stellen. Doch so viel Zeit kann sich der schweizerisch-amerikanische Konzern nicht leisten, ist Borel überzeugt. Dafür sei das Innovationstempo in der Branche zu hoch. Und Logitech sei zwar ein Ferrari, wie er es im Gespräch beschreibt, aber Becker wisse nicht, wie man Auto fährt.

Borel hat Verbündete – aber wenige

Becker stand in Lausanne nicht für ein Gespräch zur Verfügung. Aber das musste sie auch nicht, denn sie hat gewonnen. Borel unterlag, wenn auch mit einem Achtungserfolg. 86 Prozent der Aktionäre unterstützten Becker als Verwaltungsratspräsidentin. Vor einem Jahr waren es noch 96 Prozent gewesen, die sich für die Wiederwahl der seit 2019 amtierenden Becker ausgesprochen hatten.

Daniel Borel hat seit Monaten auf die Palastrevolution an der Spitze des Konzerns mit über 7000 Mitarbeitern hingearbeitet. Er wirft Becker Führungsschwäche und einen Mangel an Visionen vor, was sich nach der Pandemie in auffälliger Weise gezeigt habe. Die Verwaltungsratspräsidentin, die zuvor als Managerin in der Bekleidungsbranche gearbeitet hatte, sei eine professionelle Verwalterin, schrieb er in einer Stellungnahme für die Aktionäre. Das reiche derzeit nicht.

Dies umso mehr, als mit der neuen CEO Hanneke Faber, einer ehemaligen Unilever-Managerin, eine Spezialistin für Vertrieb und Marketing das Tagesgeschäft führe. Es brauche mehr Technologiekompetenz an der Spitze, so Borel. Die Mischung bei diesem Führungsduo sei beispiellos. Frau Faber brauche einen Co-Piloten.

Die Anlagestiftung Ethos und die Aktionärsvereinigung Actares hatten sich Borels Sichtweise vor der Generalversammlung angeschlossen. Das ermutigt Borel trotz der Niederlage: Rund ein Viertel der Logitech-Aktionäre stamme aus der Schweiz. Und von denen hätten bei der Abstimmung rund 60 Prozent auf die Meinung dieser Schweizer Stimmrechtsberater gehört, argumentiert er.

Der Kater nach der Corona-Party verschwindet

Logitech hatte während der Corona-Pandemie zunächst von einem Boom profitiert, als Angestellte und Unternehmen die Arbeitsplätze daheim für das Home-Office aufrüsteten und auch Gaming-Geräte reissenden Absatz fanden. Der Umsatz des Konzerns explodierte von knapp 3 Milliarden im Geschäftsjahr per Ende März 2020 auf 5,5 Milliarden Dollar im Geschäftsjahr 2021/22.

Doch der Boom währte nicht ewig, und der Absatz fiel auf 4,3 Milliarden per Ende März 2024 zurück. Das ist immer noch deutlich mehr als vor der Pandemie, doch Borel warf der Konzernleitung vor, sie habe im Abschwung zu zögerlich reagiert und an alten Hoffnungen festgehalten – zum Beispiel am Glauben an den ungebremsten Verkauf von Systemen für Videokonferenzen. CEO Bracken Darrell verliess das Unternehmen unerwartet im Juni 2023.

Bevor Hanneke Faber im Dezember 2023 das Ruder übernahm, führte Guy Gecht den Konzern interimistisch. Der Amerikaner hat Erfahrung im Silicon Valley und leitete zuvor den Technologieausschuss des Logitech-Verwaltungsrats, dem er seit fünf Jahren angehört. Gecht machte den operativen Job ordentlich und hinterliess einen guten Eindruck – auch bei Borel.

An dieser Stelle wurde die Auseinandersetzung merkwürdig: Borel wollte Gecht statt Becker an der Spitze des Verwaltungsrats installieren – aber Gecht erklärte frühzeitig, er würde eine mögliche Wahl nicht annehmen. Logitech wollte deshalb Borels Vorschlag nicht auf die Agenda der Aktionärsversammlung schreiben. Dagegen klagte der frühere CEO und Verwaltungsratspräsident, der noch 1,7 Prozent der Aktien hält. Und hatte im Juli Erfolg.

Zieht Borel noch einmal vor Gericht?

Gecht bekräftigte seine Ablehnung direkt vor der Abstimmung. Dennoch sprachen sich 14 Prozent der Aktionäre für ihn aus. Auch Gecht stand nicht für ein Gespräch zur Verfügung. Theoretisch möglich ist, dass er sich nächstes Jahr regulär als Präsident zur Wahl stellt – ganz ohne Begleitorchester durch Borel. Der stellte derweil in den Raum, möglicherweise gegen das jüngste Abstimmungsergebnis zu klagen, weil Logitech seinen Gegenvorschlag so behindert habe.

Allerdings hat der operative Druck für einen Wechsel im Aufsichtsgremium nachgelassen: Seit Ende 2023 scheint der Trend gedreht zu haben. Sowohl beim Umsatz wie auch beim Betriebsgewinn wächst Logitech wieder und hat die Erwartungen der Analysten übertroffen. Marktanteile wurden gewonnen, und der Aktienkurs steht knapp 20 Prozent höher als vor einem Jahr. Logitech habe zuletzt überzeugende Ergebnisse und eine starke Umsetzung gezeigt, kommentierte die Bank Vontobel.

CEO Hanneke Faber bemühte sich, an der Generalversammlung strategische Impulse zu präsentieren: Hybrides Arbeiten habe sich als Standard etabliert, erklärte sie – und Logitech will damit auch abseits der üblichen Büroumgebungen wachsen. Auf Gaming-Zubehör, von Lenkrädern über spezielle Tastaturen bis zu Kopfhörern, liegt ebenfalls ein Augenmerk. Künstliche Intelligenz kommt nun auch bei Video-Ausrüstung zum Einsatz.

Gegen Borels Willen wurde auch Faber als normales Mitglied in den Verwaltungsrat gewählt. Der Mitgründer, der mit 150 Millionen Franken bei Logitech investiert ist, gibt zu, dass der Konzern wieder solide unterwegs sei. Er wolle kein Spielverderber sein, erklärte er zu Beginn seiner Stellungnahme an der ruhig verlaufenen Generalversammlung. Aber aufgeben wird Borel vermutlich auch nicht.

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