Trump zwingt die Europäer, ihre Balkanpolitik zu überdenken. Sie sind jetzt wahrscheinlich auf sich allein gestellt.
Ist es das alte Spiel, oder wird die Lage jetzt tatsächlich brenzlig in Bosnien-Herzegowina? Milorad Dodik, der Präsident der teilautonomen Republika Srpska, hat den schrittweisen Rückzug aus den gesamtstaatlichen Institutionen angekündigt. Am Mittwoch ist er vom Obersten Gericht des Landes zu einem Jahr Gefängnis und sechs Jahren Amtsverbot verurteilt worden.
Die Richter werfen Dodik vor, Anweisungen des Verfassungsgerichts zu missachten und ebenso die Dekrete des «Büros des Hohen Repräsentanten der internationalen Gemeinschaft» (OHR). Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Der Hohe Repräsentant soll den Frieden von Dayton (1995) sichern und ist mit umfassenden Vollmachten ausgestattet. Der Beauftragte – zurzeit Christian Schmidt, ein ehemaliger deutscher Landwirtschaftsminister – kann nach Gutdünken Gesetze erlassen oder aufheben und gewählte Politiker aus dem Amt entfernen. Zumindest theoretisch.
Trump verändert die Lage auch auf dem Balkan
Dodik und die sich ablösenden Repräsentanten befinden sich seit über zehn Jahren in einer Dauerfehde. Dodik bezeichnet den Posten als usurpiert, illegal und widersetzt sich den Anordnungen. Periodisch droht er mit der Sezession des serbisch dominierten Landesteils, ohne dass wirklich etwas geschieht.
Das ist eine politische Strategie, mit der sich der Langzeitpolitiker an der Macht hält. Er inszeniert sich als Hüter des Serbentums und schart dank den herbeigeredeten Krisen die Bürger um sich. Allerdings geschieht das mit abnehmendem Erfolg. Ist also alles beim Alten?
Das ist ungewiss: Denn die Ära Trump II taucht auch den Balkan in ein neues Licht. Die Nachkriegsordnung in der Region schufen massgeblich die Amerikaner: Der Friedensvertrag von Dayton machte aus Bosnien-Herzegowina einen schwachen Zentralstaat mit zwei teilautonomen Entitäten. Und 2008 spaltete sich Kosovo unter amerikanischer Regie von Serbien ab und wurde unabhängig.
Die «europäische Perspektive», das Versprechen, der EU irgendeinmal beizutreten, sollte die Region langfristig stabilisieren. Jetzt stellt sich die Frage, ob die USA unter Trump an dieser Ordnung noch interessiert sind und was es bedeutet, wenn sie sich – wie angekündigt – sicherheitspolitisch aus Europa zurückziehen?
Damit zumindest sollte die EU rechnen. Was ist zu tun? Die Union muss sich schnell von zwei Lebenslügen verabschieden. Sie sollte erstens darauf hinwirken, das Amt des OHR abzuschaffen. Bosnien-Herzegowina braucht keinen Prokonsul, schon gar nicht einen, der seine Ukasse nicht durchsetzen kann. Ob Schmidt wohl Panzer in Banja Luka auffahren werde, um ihn am Betreten seines Büros zu hindern?, schnödet Dodik.
Wenn der Hohe Repräsentant überhaupt etwas bewirkt, dann nur, dass er die kollektive Verantwortungslosigkeit der Politiker im Land befördert. Unpopuläre Gesetze werden so lange verschleppt, bis der Deutsche in seinem Büro in Sarajevo richtet.
Ein anderes Integrationsangebot der EU
Die zweite Lebenslüge ist wahrscheinlich noch gravierender: das Beitrittsversprechen der EU. Sie sollte es zurücknehmen und stattdessen Bosnien (und seinen Nachbarn) ein ehrliches und realistisches Integrationsangebot machen.
Das könnte etwa der Beitritt zum gemeinsamen Markt sein, vorausgesetzt, dass das Land klar definierte Reformschritte vollzieht. Oder auch ein massgeschneidertes bilaterales Abkommen, das auch den Beitritt zum Schengenraum umfassen könnte.
Das Ziel müsste sein, dass die Bürgerinnen und Bürger kompetente Politiker wählen, die in der Lage sind, auf das europäische Angebot einzugehen. Dodik dürfte nicht dazu zählen. Mit der Vermittlung neuer wirtschaftlicher Perspektiven schliesslich könnte die EU der grössten Gefahr für das Land begegnen: der ungebremsten Abwanderung seiner Jugend.