Montag, November 25

Frankreichs Präsident bemüht sich offensiv um bessere Beziehungen zu Marokko. Das kommt einem Strategiewechsel gleich – aus ganz pragmatischen Gründen.

Es schien, als käme ein guter alter Freund zu Besuch. Der Empfang, den der marokkanische König Mohammed VI. dem französischen Präsidenten bescherte, war pompös. Die beiden Staatsoberhäupter gaben sich überdies vertraut, es heisst, sie sollen sich duzen. Zu besprechen gibt es viel, denn der dreitägige Besuch von Emmanuel Macron in Marokko ist der erste seit sechs Jahren. Er ist Ausdruck von Frankreichs Bemühen, die in letzter Zeit schwierigen Beziehungen zu dem nordafrikanischen Land zu verbessern.

Die Vergangenheit ist nicht belastet

Eigentlich verbindet die beiden Länder viel. Marokko war in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts rund 44 Jahre lang französisches Protektorat. Die Erinnerungen daran sind weit weniger belastet als etwa in Algerien, das sich die Unabhängigkeit durch einen Krieg erkämpfte. Marokkanischstämmige Menschen sind die zweitgrösste Gruppe von Einwanderern in Frankreich und die Franzosen die wichtigsten ausländischen Investoren in Marokko.

Doch gab es in den vergangenen Jahren zahlreiche Momente, in denen es zwischen Paris und Rabat kriselte. Das hing auch mit Macrons Nordafrikapolitik zusammen, die zunächst vor allem auf Algerien fokussierte. In Rabat sah man nicht gern, wie offensiv Macron um die Gunst des verhassten Nachbarn warb. Der französische Präsident wollte damit vor allem Altlasten der Kolonialzeit aufarbeiten, in der Hoffnung, auch die komplizierten Beziehungen zu der Regierung zu verbessern.

In Frankreich war man umgekehrt entrüstet zu erfahren, dass Marokko mithilfe der Spionagesoftware Pegasus angeblich französische Politiker und Journalisten ausspionieren wollte, unter anderem auch den Präsidenten. Auch war man in Paris unzufrieden darüber, dass Marokko seine Staatsbürger nur selten zurücknimmt, nachdem sie in Frankreich einen Abschiebebescheid erhalten haben. Als Druckmittel begrenzte Frankreich für einige Monate die Zahl der Visa für Marokkaner. Rabat war derart beleidigt, dass es die französischen Hilfsangebote nach dem starken Erdbeben mit mehr als 2000 Toten im September 2023 ablehnte.

Zu wenig Bewegung in Algerien

Einen Ausweg aus dieser schlechten Stimmung fand der französische Präsident im vergangenen Sommer. Er schrieb Ende Juli einen Brief an den marokkanischen König, der am 30. Juli sein 25. Thronjubiläum feierte. Darin anerkannte der Franzose unter anderem die Souveränität Marokkos über die Westsahara – ein Bekenntnis, auf das man in Rabat lange gewartet hatte. Über das laut internationalem Recht autonome Gebiet streiten sich Marokko und die Rebellen des von Algerien unterstützten Frente Polisario seit Jahrzehnten. Frankreichs Schweigen – aus Rücksicht auf algerische Befindlichkeiten – war in Rabat nicht verstanden worden.

Wenig überraschend hat Macrons Hinwendung zu Marokko die algerische Führung verärgert; einen mehrfach verschobenen und schliesslich für September vorgesehenen Besuch in Paris sagte der algerische Präsident kurzfristig ab. Sowohl mit Algerien als auch mit Marokko gute Beziehungen zu pflegen, war für Paris schon immer ein schier unmöglicher Balanceakt.

Die Gründe für den Strategiewechsel im Élyséepalast dürften pragmatisch sein. Einerseits kam man in Paris zum Schluss, dass die Bemühungen um engere und stabilere Beziehungen zu Algier nicht in dem Masse fruchteten, wie man sich das wünschte. Das Regime um Präsident Abdelmadjid Tebboune nährt trotz Macrons vielen Initiativen zur Versöhnung weiterhin die antifranzösische Stimmung. Und die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Marokko und Frankreich sind stärker als jene mit Algerien – trotz einem neuen französischen Anlauf beim letzten Staatsbesuch in Algier. In Macrons Delegation reisten nicht nur gut ein Dutzend Minister, sondern auch rund vierzig Wirtschaftsvertreter mit. Es wurden Handels- und Investitionsabkommen im Umfang von 10 Milliarden Euro unterzeichnet.

Ein Törchen zur Sahelzone?

Die Franzosen erhoffen sich weiteren Nutzen von besseren Beziehungen: In seiner Rede vor dem marokkanischen Parlament pochte Macron auf eine bessere Zusammenarbeit im konsularischen Bereich – will heissen, dass Rabat sich bei Abschiebungen kooperativer zeigt. Die Migrationsfrage ist seit dem Erfolg des Rassemblement national bei der Parlamentswahl in Frankreich wieder sehr virulent; und Marokkaner gehören neben den Algeriern zu jenen Staatsbürgern, die am häufigsten Abschiebebescheide erhalten.

Zudem wurde in den vergangenen Monaten deutlich, dass Marokko seinen Einfluss in der Sahelzone ausweiten konnte. Frankreich dagegen musste seine Präsenz in drei Sahelstaaten in den vergangenen zwei Jahren nach und nach aufgeben. Rabat könnte zu einem Türöffner werden für das, was Macron «neue strategische Partnerschaften» mit den Sahelländern nennt.

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