Freitag, Februar 21

Die USA sind bei der KI-Entwicklung weit vorgeprescht, jetzt will auch Europa Investorengelder mobilisieren. Dabei ist der Kontinent bisher vor allem als Bremser aufgefallen.

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Der Name, den der amerikanische Präsident Donald Trump meint, ist Stargate. So heisst das Joint Venture, das die Tech-Firmen Open AI, Softbank, MGX und Oracle gemeinsam gegründet haben. Insgesamt 500 Milliarden Dollar sollen in neue Datenzentren in den USA fliessen – ein historisch einzigartiges Projekt, betont Trump.

Wenige Wochen später zieht die EU nach: Auf einem KI-Gipfel in Paris vergangene Woche kündigt Ursula von der Leyen Investorengelder in Höhe von 200 Milliarden Euro an, 50 Milliarden davon kommen von der EU selbst. Zusätzlich dazu erklärt der französische Präsident Macron, er habe Gelder in Höhe von 109 Milliarden Euro für Investitionen in Frankreich auftreiben können.

Da wird plötzlich auch die Schweiz wach. Bundesrat Albert Rösti, der auch am Treffen in Paris teilnimmt, schlägt für 2026 einen Gipfel in der Schweiz vor. Dies sei eine gute Gelegenheit, um die Schweiz mit ihren Hochschulen und Unternehmen zu positionieren, so Rösti.

Der Wettkampf um die weltbeste KI wird immer energischer geführt, mit Deepseek aus China ist ein neuer, disruptiver Konkurrent auf den Plan getreten. Und wenn es um KI geht, dann ist auch der Staat nicht weit – sei es als Regulierer oder als Förderer. Ob die USA, Frankreich, die EU oder die Schweiz: Alle schauen, wie sich am besten positionieren, um am Ende als Sieger dazustehen.

Alle setzen auf den grossen Durchbruch

Damian Borth ist Professor für künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen an der Universität St. Gallen. Er beobachtet das Wettrüsten um die KI schon seit Jahren. «Gegenwärtig setzen alle darauf, dass irgendwann die künstliche generelle KI kommt – eine KI, die Krebs heilen, die Klimakrise bewältigen und Kernfusion mit potenziell unendlich viel Energie ermöglichen kann.» Eigentlich sei es für Investoren attraktiver, ihr Geld in die Softwareindustrie zu stecken, die die Gewinne schnell in die Höhe treibt. «Doch derzeit fliesst vor allem Geld in die Hardwareindustrie – also in Unternehmen wie Nvidia, die Chips und Halbleiter für die KI-Branche herstellen.»

Das sei Ausdruck eines Versprechens, sagt Borth. Investoren wie auch Staaten hoffen darauf, dass künftig viele Softwareunternehmen entstehen, die auf dieser Hardware aufbauen und noch mehr Gewinn machen. «Bei den derzeitigen Investitionen müssten wir in fünf Jahren eigentlich zehn neue Apples oder Googles sehen», sagt Borth.

Ob es so weit kommt, wird sich zeigen – aber die Staaten setzen darauf. Das Versprechen einer generellen künstlichen Intelligenz sei für sie verlockend, sagt Borth. Aber auch beängstigend. Es herrscht der Eindruck: Das Land, das das Wettrüsten um die generelle KI gewinnt, wird die nächste Dekade dominieren.

Mit allen Mitteln gegen den Notstand

Donald Trump sprach bei der Ankündigung des Stargate-Projekts gar von einem nationalen Notstand. Der amerikanische Präsident erklärte, das Projekt sei essenziell für die nationale Wettbewerbsfähigkeit. «Wir wollen KI in diesem Land behalten; China ist ein Konkurrent», so Trump. «Ich werde viel durch Notstandserklärungen helfen – wir haben einen Notfall, wir müssen dieses Zeug bauen lassen.»

Auch wenn keine Staatsgelder fliessen, macht Trump den Tech-Unternehmen klar: Ihr habt meine Unterstützung, ich bin auf eurer Seite. Datenzentren auf amerikanischem Boden, um den Chinesen immer einen Schritt voraus zu sein – das ist das erklärte Ziel von Stargate. Ein Teil des Geldes kommt jedoch aus dem Ausland: MGX ist im Besitz eines Staatsfonds aus Abu Dhabi, Softbank ist ein japanisches Unternehmen.

Emmanuel Macron sprach gar von einer «Schlacht um unsere Unabhängigkeit». Doch auch die geplanten Investitionen in Frankreich kommen zu grossen Teilen aus dem Ausland: Bis zu 50 Milliarden Dollar kommen wieder von MGX, der zweitgrösste Kapitalgeber ist der kanadische Vermögensverwalter Brookfield. Weiter beteiligen sich einige amerikanische Firmen an dem Projekt.

Die Milliarden der EU kommen von der «EU AI Champions Initiative», einem Zusammenschluss aus rund sechzig Unternehmen, die von internationalen Investoren 150 Milliarden Euro einsammeln wollen. Die EU will diese Initiative um 50 Milliarden Euro aufstocken.

Europa hat Angst, zu verlieren

«Aus Europa kommt der Impuls, staatliche Förderung zu betreiben», sagt Borth. Während amerikanische Tech-Firmen wie Google oder Microsoft dank Nvidia einen direkten Zugang zu Infrastruktur wie Computerchips haben, sind europäische KMU von der Gunst der USA abhängig. «Die USA wollen gewinnen. Europa hat Angst, zu verlieren.»

Diese Angst kommt nicht von ungefähr. Laut Daten des Marktforschers CB Insights flossen im vierten Quartal des vergangenen Jahres mehr als 43 Milliarden Dollar Risikokapital in KI-Unternehmen. Davon landeten lediglich 2,5 Milliarden Dollar in Europa. Die Ankündigung der geplanten Milliardeninvestitionen kommt daher einer Kehrtwende gleich. Endlich komme die EU in Schwung, sagen Beobachter.

«Etwas zugespitzt könnte man sagen: spät, aber vielleicht nicht zu spät», sagt Martin Wörter, Innovationsökonom an der Konjunkturforschungsstelle (KOF) der ETH. «Wir stehen ja nach wie vor ziemlich am Anfang der Entwicklung. Da ist es wichtig, sicherzustellen, dass man den Anschluss nicht verliert.»

Doch wie weit sollte die staatliche Einmischung gehen? «Darüber kann man sich streiten», sagt Wörter. «Am besten ist es aber, sich zuerst auf die Rahmenbedingungen zu konzentrieren, wie Grundlagenforschung und Infrastruktur.» In solchen Fällen seien privat-öffentliche Partnerschaften, wie die EU sie anstrebt, durchaus sinnvoll. Die Technologieunternehmen direkt zu subventionieren, wie es in der EU ebenfalls geschieht, sei hingegen nicht die Aufgabe des Staates.

Risikominimierung statt Innovation

Hans Gersbach, Co-Direktor des KOF und ebenfalls Innovationsforscher, ergänzt dazu: «Natürlich ist es immer eine gute Situation, wenn private Unternehmen auch die Infrastruktur selbst aufbauen, so wie jetzt in den USA.» Doch wer wie die EU über keine heimischen Tech-Giganten verfüge, für den könne es von Nutzen sein, selbst nachzuhelfen – gerade bei einer Technologie wie KI, die auch mit sensitiven Daten arbeite. «Da gibt es ein berechtigtes Interesse, eine eigene Infrastruktur aufzubauen.»

Doch nicht nur das Kapital und die Infrastruktur waren bisher Hindernisse, wenn es darum ging, grosse europäische KI-Unternehmen zu etablieren. Auch die Regulierung ist vielen jungen Unternehmen ein Dorn im Auge. Gegenüber dem ungebrochenen Eifer, mit dem in den USA neue Gelder für die KI-Förderung aufgetrieben werden, wirkte die EU in den vergangenen Jahren fast schon technologiefeindlich.

Bereits heute verursachen die Regulierungen der Digital Services Act und die Datenschutz-Grundverordnung vor allem für Startups einen hohen bürokratischen Aufwand. Und kommendes Jahr tritt in der EU mit der AI Act eines der weltweit strengsten Gesetze zur KI-Regulierung in Kraft. Es fordert unter anderem, dass Unternehmen transparent über die Herkunft ihrer Daten informieren, und sieht Verbote vor, falls diese von Urheber- oder Persönlichkeitsrechten geschützt sind.

Statt KI von Anfang an zu fördern, setzte die EU zunächst auf die Minimierung von Risiko – mit weitreichenden Folgen. «Wenn eine Technologie noch dabei ist, sich zu entwickeln, sollte man nicht zu früh eingreifen», sagt Martin Wörter. «Sonst würgt man vieles ab.»

In der EU sei der risikobasierte Ansatz sehr weit getrieben worden, findet Hans Gersbach. «Unternehmen erhalten bereits im Vorfeld viele Auflagen. Dabei brauchen sie Freiräume und Möglichkeiten, zu experimentieren.» Die USA seien das Thema viel offener angegangen, aber müssten später bei der Sicherheit noch nachlegen.

Die Schweiz hält sich zurück

Und die Schweiz? Die macht, was sie immer macht: Sie wählt den Mittelweg. Ihr Regulierungsansatz, den sie am Mittwoch präsentiert hat, sieht vor, dass zwar die KI-Regulierungen des Europarats ratifiziert werden sollen, nicht aber die wesentlich strengere AI Act. Die Konvention des Europarats schreibt nur wenige Grundsätze fest, etwa den Schutz von Demokratie und Grundrechten. Ende 2026 soll feststehen, wie sie genau umgesetzt wird. Mit neuen Gesetzen ist also nicht vor 2028 zu rechnen.

Für die Schweiz könnte das ein Wettbewerbsvorteil sein. Junge Startups müssen sich nicht von Anfang an mit grossen bürokratischen Hürden herumschlagen – sondern können zuerst einmal schauen, was möglich ist.

Regulierung könne für Europa aber auch eine Chance sein, glaubt der KI-Forscher Damian Borth. «Wenn wir es schaffen, Werkzeuge für die Kontrolle von KI-Modellen zu bauen, für Zertifikate und Sicherheitsgarantien, würden wir zu Torhütern für die Technologie.» Innovation durch Regulierung. Das Talent, möglichst viele Regeln aufzustellen, könnte Europa dann für einmal Auftrieb verleihen.

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