Mittwoch, Oktober 9


Restaurants

Die portugiesische Insel ist bekannt als Blumeninsel und als Wanderparadies. Doch Madeira entwickelt sich auch zum Hotspot für Feinschmecker.

Aufeinandertreffen, Offensive, Attacke und Kapitulation – befinden wir uns etwa in einer Schlacht? Nein, selbst wenn der portugiesische Name des Lokals Desarma lautet («desarmar» bedeutet «entwaffnen»), geht es nicht um einen Kampf, sondern um etwas Erfreuliches: um ein kulinarisches Vergnügen in zehn Gängen, das uns der Küchenchef Octávio Freitas hoch über den Dächern Funchals auftischen wird.

Das Menu ist so aufgebaut, dass die ersten drei Gänge das «Aufeinandertreffen» bilden. Darauf folgen drei weitere Gänge als «Offensive». Die «Attacke» bilden der Fisch- und der Fleischhauptgang, es folgt die «Kapitulation» in der Form zweier Süssspeisen. Das «Desarma» befindet sich im obersten Stock des Hotels The Views Baía und würde sich tatsächlich, strategisch gesehen, ideal dazu eignen, fremde Truppen schon von weitem zu erspähen: Von hier aus hat man freie Sicht über die Stadt bis zur Bucht von Funchal.

Lokal verankerte Gourmetküche

Für seine exzellente Küche, mit der er die Geschmäcke seiner Heimat in einer zeitgemässen Neuübersetzung auf die Teller bringt, wurde Octávio Freitas Anfang Jahr vom «Guide Michelin» mit einem Stern ausgezeichnet. Mit seiner lokal verankerten Küche trägt der aufstrebende Küchenchef und erfolgreiche Gastrounternehmer massgeblich dazu bei, das Bewusstsein für die madeirische Gastronomie zu schärfen – sowohl auf dem Eiland selbst als auch über die Landesgrenzen hinaus.

Freitas verwendet, wenn immer möglich, Produkte von der Insel, wie zum Beispiel Forellen aus der nachhaltigen Zucht in Seixal. Es kann zum Dessert aber auch eine süsse Ananas von den Azoren sein, die er mit heimischem gemahlenem Pfeffer würzt und mit Kokosnussglace serviert.

Madeiras Gastronomieszene befindet sich im Aufbruch und wird immer spannender. Aber auch jenseits der Sternegastronomie kommt man kulinarisch auf seine Kosten. Sei es im Restaurant Praça Velha in Porto da Cruz direkt am Meer bei einem Teller Lapas (Napfschnecken). Diese werden in einer heissen Gusseisenpfanne serviert und mit Knoblauch, frischen Gartenkräutern und Zitronensaft verfeinert.

Oder sei es in einem der vielen kleinen Lokale im Landesinnern bei einer Schüssel Tomaten-Zwiebel-Suppe, einem simplen Gericht, das, wenn mit Savoir-faire zubereitet, zur Offenbarung werden kann. Kein Wunder, wird Madeira als Feriendestination nicht nur bei Naturliebhabern, sondern auch bei Foodies immer beliebter.

Poncha gibt es an allen Ecken

Orangen, Zitronen, Mangos, Bananen und eine Vielzahl exotischer Früchte türmen sich in den Körben und ziehen einen mit ihrem betörenden Duft an: Auf dem Mercado dos Lavradores, dem grossen Lebensmittelmarkt im Zentrum Funchals, findet man von Obst, Gemüse und Gewürzen bis hin zu fangfrischem Fisch alles, was das Herz eines jeden (Hobby-)Kochs zum Hüpfen bringt. Gleich beim Eingang hängen getrocknete Chilis in allen Formen, Rotnuancen und Schärfegraden, aufgezogen an langen Schnüren von der Decke. Aber Vorsicht vor der Touristenfalle: Die Preise, gerade für Früchte, sind teilweise überteuert.

Gefährlich süffig ist der Poncha da Madeira – eine Mischung aus Zitrone, Honig und Zuckerrohrschnaps oder Rum. Poncha-Bars gibt es auf Madeira wie schwarze Lavasteine an den Stränden der Vulkaninsel. Wer mit dem Auto auf den kurvigen Strassen unterwegs ist, sollte jedoch die Finger von diesem erfrischenden Getränk lassen – es steigt einem schneller in den Kopf, als man das Wort «Saúde!» (Prost!) überhaupt aussprechen kann.

Apropos Rum: In Porto da Cruz gibt es eine alte, traditionelle Brennerei, die besichtigt werden kann. Porto da Cruz ist aber nicht nur deswegen einen Abstecher wert: Das Dorf an der Nordostküste gehört zu den schönsten Orten der Insel und ist umgeben von einer malerischen Landschaft. Imposant ist der Adlerfelsen, der ausserhalb des Orts steil in den Himmel emporragt.

Schöne Hotels auf Madeira

The Views Baía, Funchal

Das neu renovierte Adults-only-Vier-Sterne-Hotel liegt rund einen Kilometer erhöht über dem Stadtzentrum und bietet einen Panoramablick auf die Bucht von Funchal.

Quinta da Moscadinha, Camacha

Die Cider-Produktion Quinta da Moscadinha verfügt auch über ein Restaurant (siehe unten) sowie über sechs Gästezimmer mit authentischem Madeira-Flair.

The Reserve, Funchal

Luxuriöses Boutiquehotel, integriert im «Savoy Palace». Das neu eröffnete, zur Vereinigung der «Leading Hotels of the World» gehörende «The Reserve» verfügt über 40 Zimmer und Suiten mit Meerblick.

Die steilen Felswände an den Küsten sind genauso atemberaubend wie die tiefen Täler und die üppig begrünten Berge im Landesinnern. Für Schwindelfreie gibt es an mehreren Stellen der Insel Aussichtsplattformen. Eine der eindrücklichsten ist Cabo Girão. Das Kliff – es zählt zu den höchsten der Welt und ist ein Instagram-Hotspot – befindet sich an der Südküste, zirka 15 Kilometer westlich von Funchal. Steht man auf der schwebenden Plattform aus Glas, erblickt man zwischen seinen Füssen 589 Meter weiter unten die Meeresbrandung.

Ob der Thunfisch mit Lorbeerblatt und geröstetem Knoblauch, den uns Octávio Freitas zum Auftakt des Menus serviert, aus der Gegend rund um Cabo Girão stammt, bleibt offen. Sicher ist, dass in Freitas’ Küche der lokale Cider eine Rolle spielt. Die Apfelweinproduktion hat auf Madeira eine alte Tradition, geriet etwas in Vergessenheit und wird nun seit einigen Jahren wiederentdeckt.

Honigsüsse Kapitulation

Nur gerade fünfzehn Autominuten von Funchal entfernt befindet sich die Quinta da Moscadinha. Das historische Gehöft liegt in der Ortschaft Camacha, mitten in der Natur, umgeben von zahlreichen alten Obstbäumen. Hier entsteht einer der besten Ciders des Landes: Für ihren Sparkling Aged Cider wurde die Quinta da Moscadinha letztes Jahr im Rahmen des internationalen Cider World Award mit einer Medaille ausgezeichnet.

Die Quinta da Moscadinha ist indes nicht nur eine Apfelweinproduktion, sondern bietet auch Gästezimmer an und verfügt über ein Restaurant, das bei den Einheimischen sehr beliebt ist. Nicht fehlen darf selbstverständlich die kleine Hausbar, in der nebst den eigenen Apfelweinprodukten auch Poncha serviert wird.

Wir nähern uns allmählich der Kapitulation, sprich dem Dessert, das uns Octávio Freitas nach der Ananas von den Azoren in der Form eines kleinen, runden Bolo de Mel serviert. Es handelt sich dabei um einen traditionellen madeirischen Honiggewürzkuchen, der an Lebkuchen erinnert. Poncha wäre jetzt nicht die richtige Getränkebegleitung. Wobei: Schenkt man den Einheimischen Glauben, so geht Poncha grundsätzlich immer. Perfekt passt hingegen das Glas Barbeito Single Harvest 2010. Der lokale Produzent ist bekannt für seine hochkarätigen Jahrgangsweine, die er im Eichenfass ausbaut. Noch nie hat sich ein Kampf mit Kapitulation so gut angefühlt.

Dieser Artikel ist im Rahmen der NZZaS-Verlags-Beilage «Reisen» erschienen.

Exit mobile version