White-Colar-Crimes werden eher vom Typ Buchhalter begangen, persönliche finanzielle Probleme spielen selten eine Rolle. Das geht aus einer neuen internationalen Studie der KPMG hervor.

Wird ein Unternehmen Opfer von Wirtschaftskriminalität, hält sich das Mitleid der Bevölkerung meist in Grenzen. Bei White-Collar-Crimes geht es schliesslich «nur» um Geld. Selber schuld, wenn eine Firma sich nicht gut genug dagegen schützt. So die landläufige Meinung.

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Die Geschichten von grossen Wirtschaftskriminellen wie Nick Leeson, der in den 1990er Jahren die britische Barings Bank mit seinen Spekulationen in den Ruin trieb, wurden später sogar verfilmt. Bei all dem Glamour vergisst man schnell, dass auch viele Privatpersonen zu Schaden kamen – sei es, indem sie ihren Job verloren oder Geld infolge der weltweiten Devisenkrise, die Leeson auslöste.

Tatsächlich ist der durchschnittliche Wirtschaftskriminelle weder glamourös noch besonders charismatisch. Wie eine Studie der KPMG zeigt, ist der typische Betrüger innerhalb eines Unternehmens eher der Typ Buchhalter.

Unauffällige Respektsperson

Die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsfirma KPMG hat 256 Betrugsfälle ausgewertet, die die Ländergesellschaften in den letzten fünf Jahren im Auftrag betroffener Organisationen untersucht haben. Auf Grundlage von Fragebögen, Fallanalysen und Interviews mit den Tätern liefert der Bericht ein Bild von mindestens 669 Betrügerinnen und Betrügern sowie den von ihnen begangenen Straftaten.

Es zeigt sich: Der typische Wirtschaftskriminelle ist männlich, 36 bis 55 Jahre alt und seit über sechs Jahren im Unternehmen tätig. Er verhält sich unauffällig, wird von seinen Kollegen als freundlich und extrovertiert wahrgenommen, häufig sogar als Respektsperson. Er ist nicht offensichtlich unzufrieden mit seiner Arbeitssituation, und auch persönliche finanzielle Probleme sind selten der Grund, oftmals arbeitet er in einer Führungsposition.

Das häufigste Motiv ist Geldgier und Opportunismus. Alexander Geschonneck, Partner bei KPMG in Deutschland und Global Head of Forensic, sagt: «Das Übergehen bei Beförderungen oder Gehaltserhöhungen kann eine Rechtfertigung der Täter für eine Vermögensschädigung sein. Das Phänomen findet man über alle Hierarchiestufen hinweg.»

In 71 Prozent aller Fälle arbeitete der befragte Täter in Gruppen von zwei bis fünf Personen, von denen einige oder sogar alle im gleichen Unternehmen arbeiteten. In etwas mehr als der Hälfte der Fälle waren auch Frauen beteiligt. 21 Prozent agierten in grösseren Gruppen. Nur 8 Prozent arbeiteten alleine.

Gefahr geht von Deepfakes aus

Veruntreuung von Vermögen ist das mit Abstand am häufigsten genannte Delikt. Auf Platz zwei folgt Urkundenfälschung und auf Platz drei Diebstahl. Das Operations, das CEO-Office sowie die Finanzabteilung und das Beschaffungswesen sind denn auch am stärksten von diesen Betrügereien betroffen.

Die Deliktsumme betrug in den meisten Fällen unter 200 000 US-Dollar. 10 Prozent bewegten sich zwischen 200 000 und einer Million US-Dollar.

Durch künstliche Intelligenz werden wirtschaftskriminelle Tätigkeiten immer skalierbarer. Allerdings spielte die Technologie bei den Fällen, die die KPMG ausgewertet hat, noch keine entscheidende Rolle. Bei 46 Prozent aller Fälle wurde für den Betrug keine Technologie eingesetzt, bei 35 Prozent spielte sie nur eine untergeordnete Rolle.

Die Studienautoren gehen davon aus, dass Deepfakes bei Betrügereien in Zukunft eine grössere Rolle spielen werden. Benutzten die Täter beim klassischen CEO-Fraud bis anhin hauptsächlich scheinbar authentische E-Mail-Adressen des Chefs, um über die Buchhaltungsabteilung Zahlungen auszulösen, gibt es jetzt bereits Fälle, bei denen Mitarbeiter mit KI-generierten Audio- oder Video-Anrufen getäuscht werden.

Umgekehrt wird KI auch bei der Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität immer wichtiger. Geschonneck sagt: «Wir nutzen KI sowohl bei der Jahresabschlussprüfung als auch bei der Aufdeckung und Aufklärung von wirtschaftskriminellen Sachverhalten. Die neuen technologischen Möglichkeiten verbessern die Risikobewertung dabei signifikant.» Die Technologie sei aber lediglich ein Hilfsmittel. Das Urteilsvermögen und die Expertise des Menschen seien für die Qualität solcher Überprüfungen immer noch entscheidend.

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