Mit 1,3 Millionen Euro war man dabei: Vermögende Ausländer erkauften sich so den Zugang zum europäischen Binnenmarkt. Die darauf spezialisierte Beratungsfirma spricht von einem «politischen Urteil».
Es war ein Geschäft wie viele andere: Pass gegen Geld. Wer in Malta mindestens 1,3 Millionen Euro investierte, erhielt von der Regierung im Gegenzug die Staatsbürgerschaft und konnte sich dank der Freizügigkeit überall in Europa bewegen und niederlassen. Mehrere hundert vermögende Ausländer hat der kleinste EU-Mitgliedstaat auf diese Weise pro Jahr eingebürgert.
Doch damit ist nun Schluss. Wie aus einem am Dienstag veröffentlichten Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) hervorgeht, verstösst die Praxis gegen Unionsrecht. Der Erwerb der Unionsbürgerschaft dürfe nicht aus einer geschäftlichen Transaktion resultieren, sagen die Richter.
Die EU-Kommission hatte das Verfahren gegen Malta initiiert. Früher hatten auch Zypern und Bulgarien auf diese Art ausländisches Kapital angezogen – wobei eine Untersuchung später ergab, dass zahlreiche Passverkäufe widerrechtlich waren. Die beiden Staaten haben das Modell mittlerweile aufgegeben.
Der Generalanwalt war anderer Meinung
Das Urteil kommt überraschend. Der Generalanwalt, dessen Einschätzung das Gericht in der Regel folgt, war vergangenen Herbst noch anderer Meinung. Der EuGH anerkennt zwar das Recht jedes Mitgliedstaats, selbst die Voraussetzungen festzulegen, unter denen die Staatsangehörigkeit verliehen oder entzogen wird. Diese Freiheit müsse jedoch unter Beachtung der EU-Verträge ausgeübt werden – und dabei lasse sich «weder aus dem Wortlaut noch aus der Systematik ein Wille der Verfasser» entnehmen, eine Ausnahme vom Unionsrecht vorzusehen.
Denn die Unionsbürgerschaft beruhe auf zwei Grundprinzipien: dem gegenseitigen Vertrauen zwischen den Mitgliedstaaten und der gegenseitigen Anerkennung nationaler Entscheidungen. Wenn der Erwerb der Staatsangehörigkeit zu einer «blossen geschäftlichen Transaktion» werde, sei weder das Verbundenheitsverhältnis zwischen einem Staat und seinen Bürgern noch das gegenseitige Vertrauen zwischen den Mitgliedstaaten gewährleistet, so die Richter. Sie sprechen von einer «Vermarktung» des Unionsbürgerstatus.
Russen sind ausgeschlossen
259 Personen haben gemäss Angaben der EU 2023 ein solches Geschäft mit dem maltesischen Staat abgeschlossen. Sie mussten dafür mindestens 600 000 Euro ans Staatsbudget überweisen und eine Immobilie über mindestens 700 000 Euro erwerben, die fünf Jahre gehalten werden muss.
Seit der Einführung des Programms im Jahr 2015 sind mutmasslich also einige tausend Ausländer auf diese Art eingebürgert worden – die grösste Gruppe bilden offenbar Amerikaner. Russen und Weissrussen sind seit Frühling 2022 vom Geschäft ausgeschlossen. Der Vergleich mit der über einer Million Personen, die 2023 in einem EU-Staat eingebürgert worden sind, relativiert die Anzahl der «goldenen Pässe» Maltas freilich.
Der Inselstaat reagierte enttäuscht auf den letztinstanzlichen Richterspruch. «Wie immer» werde man Gerichtsurteile respektieren, man müsse nun aber zuerst die «rechtlichen Auswirkungen analysieren», heisst es in einer Pressemitteilung.
Allzu viel Spielraum hat die Regierung allerdings nicht – sie wird das Programm einstellen müssen. Denjenigen Personen, die in den vergangenen Jahren so eingebürgert worden sind, verspricht sie, dass die Entscheide rechtsgültig bleiben.
Für die EU-Kommission ist dieser Punkt aber nicht ganz so klar, wie ihn die maltesische Regierung darstellt. Auf die entsprechende Frage wich ein Sprecher am Dienstagmittag aus und sagte ebenfalls, dass das Urteil nun analysiert werden müsse. Auch ist noch unklar, bis wann Malta sein Gesetz anpassen muss.
Anwalt bezichtigt EU-Kommission der Einflussnahme
Drastischere Worte findet das Beratungsunternehmen Henley & Partners, das sich auf Wohnsitznahme und Einbürgerungen über Investitionen spezialisiert hat. Der Vorsitzende Christian Kälin, ein gebürtiger Zürcher, spricht von einem «klar politischen Urteil». Dass der EuGH derart unterschiedlich urteile als vom Generalanwalt vorgeschlagen, sei «fast nicht anders» als über eine Einflussnahme vonseiten der EU-Kommission vorstellbar, sagt er auf Anfrage.
Der Jurist Kälin, der die Anzahl seiner eigenen Staatsbürgerschaften nicht offenlegen will, zieht also die Unabhängigkeit der Richter in Zweifel. Für die eigene Geschäftstätigkeit sei das Urteil allerdings absolut verkraftbar, sagt er. Man sei weltweit aktiv – und möglicherweise nehme für derartige Investitionsmigration der «Bedarf an qualifizierter Beratung» nun gar zu.