Montag, Oktober 28

Wo schlagen Einbrecher am liebsten zu, und wie kann man sich dagegen wehren? Peter Strohmaier, der Sicherheitsberater der Kantonspolizei Zürich, weiss es.

Im Herbst beginnt die Saison der Einbrecher. Sobald es früh dunkel wird, schleichen sich die Täter in Häuser, brechen Fenster auf und stehlen Schmuck und Bargeld.

Die Entwicklung ist wenig erbaulich: Die Zürcher Behörden haben bereits im ersten Halbjahr 2024 nicht nur mehr Diebstähle und Gewalt, sondern auch mehr Einbrüche verzeichnet.

Peter Strohmaier ist Sicherheitsberater bei der Kantonspolizei Zürich. Er weiss, wie die Einbrecher vorgehen und was man gegen die Kriminellen tun kann. Pro Jahr führen er und sein Team rund 500 kostenlose Beratungen durch. Bei Hausbesitzern, Mietern, aber auch Vermietern. Ihnen zeigt der Präventionsspezialist, wie man mit geeigneten Massnahmen das Risiko, Opfer eines Einbruchs zu werden, senken kann.

Herr Strohmaier, lassen sich Einbrüche verunmöglichen?

Nein, eine hundertprozentige Sicherheit gibt es nicht. Aber man kann den Tätern das Handwerk erschweren.

Wie?

Mit einer Anwesenheitssimulation. Die meisten Täter brechen nicht mitten in der Nacht ein, sondern am Nachmittag und am frühen Abend. Ende Oktober wird es wegen der Zeitumstellung früh dunkel, die Täter nutzen die Dämmerung aus. Die Zahl der Einbrüche nimmt in dieser Jahreszeit immer markant zu. Die Einbrecher kommen, wenn die Leute noch bei der Arbeit oder sonst ausser Haus sind.

Und wie simulieren Sie Anwesenheit?

Bei uns zu Hause ist bei Einbruch der Dunkelheit immer das Licht eingeschaltet. Dafür reicht eine Zeitschaltuhr für die Lampen oder eine Steuerung via App. Sie können auch das Radio oder eine Fernsehattrappe verwenden. Beachten Sie aber, dass dies nicht direkt von aussen einsehbar ist. Ich empfehle auch, den Garten und das Grundstück zu beleuchten. Dafür braucht es keine Flutlichtanlage, sondern bloss eine Ambientebeleuchtung. Man muss auch nicht die ganze Nacht beleuchten: Ich habe meine Lampen so eingestellt, dass sie sich um 23 Uhr ausschalten.

Ich muss also eigentlich bloss besser sein als der Nachbar und die Nachbarin.

Man muss kein Kriminologe sein, um zu erraten, wo Einbrecher einsteigen, wenn in zwei Häusern das Licht brennt und in einem nicht.

Wie steht es um Alarmanlagen? Diese werden von den Anbietern ja gerne als Allheilmittel angepriesen.

In der Kombination mit einer Anwesenheitssimulation und Sicherheitsfenstern ist eine Alarmanlage natürlich ideal. Aber es gibt Leute, die sie nicht mögen, weil sie Fehlalarme auslösen können. Wenn Sie sich für eine Alarmanlage entscheiden, dann müssen Sie das leben. Sobald Sie das Haus verlassen, müssen Sie sie scharf schalten. Wenn Sie sich eine Alarmanlage nur für die Ferien anschaffen, können Sie sich das Geld sparen.

Wieso?

Die Nutzung einer Alarmanlage muss wie ein Ritual sein, mit dem man vertraut ist. Das ist wie bei abschliessbaren, sicherheitszertifizierten Fenstern. Die nützen auch nichts, wenn Sie diese nicht abschliessen oder den Schlüssel stecken lassen.

Früher spähten die Kriminellen geeignete Objekte im Vorfeld aus und markierten sie mit unauffälligen Zeichen, sogenannten Gaunerzinken. Gibt es das heute noch?

Die Verwendung von Gaunerzinken ist uns derzeit nicht bekannt. Heute gehen die Tätergruppierungen häufig spontan in die Quartiere. Sie fahren mit dem Auto umher oder kundschaften die Umgebung zu Fuss aus. Sie schauen, wo es dunkel ist oder wo sie unbeobachtet einsteigen können.

Und wo schlagen sie am liebsten zu?

Wir beobachten, dass die Einbrecher auf gute Fluchtmöglichkeiten achten. Sie brechen deshalb oft in Autobahnnähe und in dichtbesiedeltem Gebiet ein. Kurz gesagt: In Stadtnähe gibt es mehr Einbrüche als in abgelegenen, eher schwer erreichbaren Gebieten wie beispielsweise auf dem Sternenberg. Tendenziell verzeichnen wir am unteren rechten Ufer des Zürichsees weniger Einbrüche als am linken, weil die Fluchtmöglichkeiten fehlen. Da wird eine Fahndung für die Täter rasch unangenehm. Deshalb ist es auch wichtig, dass man sich sofort bei der Polizei meldet, wenn sich Unbekannte auffällig verhalten.

Kann man noch mehr machen?

Wenn einem eine unbekannte Person auffällt, kann man sie ansprechen. Gerade in Quartieren, wo man sich kennt, ist das wichtig. Wenn man seine Nachbarin oder seinen Nachbarn gut kennt, kann man diese auch darüber informieren, wenn man am Wochenende nicht zu Hause ist oder länger in die Ferien verreist.

Wie spricht man denn Unbekannte am besten an?

Man kann zum Beispiel fragen: «Suchen Sie etwas?» Wenn Sie dann eine komische Antwort erhalten, dann sollten Sie misstrauisch werden. Niemand fragt in einer Wohnsiedlung nach einem Wanderweg oder sucht nach Essen oder Arbeit. Bei solch merkwürdigen Reaktionen sollten Sie die Polizei anrufen.

Nützt das tatsächlich etwas?

Ja. Wir erzielen immer wieder schöne Erfolge damit. Vor einiger Zeit waren zwei Einbrecherinnen an der Goldküste unterwegs und klingelten an Türen. Eine Dame war zu Hause und öffnete ihnen. Eine der Täterinnen erzählte ihr, sie habe gedacht, hier wohne eine Frau Müller. Die Bewohnerin wurde misstrauisch, sie machte Fotos und wählte die Telefonnummer 117. Eine Patrouille entdeckte die Frauen kurze Zeit später. Die Täterinnen hatten Einbruchswerkzeug dabei und Deliktsgut.

Sie sprechen das Einbruchswerkzeug an. Haben die Kriminellen aufgerüstet?

Nein, meist sind es noch immer die Klassiker Schraubenzieher und Geissfuss. Seit einiger Zeit stellen wir jedoch auch Spuren von Bolzenschussgeräten fest. Damit durchschiessen die Täter die Scheiben, um an den Fenstergriff zu gelangen. Es gibt aber auch brachiale Methoden. Einige werfen einfach das Fenster ein. Das macht zwar Lärm, aber wenn einmal eine Scheibe klirrt, schlägt niemand gleich Alarm.

Aus dem Ausland sind Fälle bekannt, bei denen Alarmanlagen mittels Störsender ausser Betrieb gesetzt werden.

Mir ist im Kanton Zürich bis jetzt kein Fall bekannt.

Merken Sie es am handwerklichen Geschick, ob die Täter professionell organisiert sind oder nicht?

Es gibt tatsächlich grosse Unterschiede. Es gibt solche, die sehr dilettantisch vorgehen, und andere, die ihr Handwerk verstehen. Die wissen genau, wo sie ein Fenster aufmachen können.

Und wie machen sie das?

Es gibt mehrere Arten, ein Fenster zu öffnen. Bei einer Methode wird der Fensterrahmen aufgehebelt. Bei einer anderen bohren die Täter ein Loch in die Scheibe oder den Fensterrahmen und versuchen so, an den Griff zu gelangen. Kürzlich habe ich einen Fall gesehen in Zumikon, da hat einer mit einem Schraubenzieher den Rollzapfen hinaufgedrückt. Das lief praktisch ohne Sachschaden ab. Der Täter wusste genau, was er tut. Es gibt aber auch die Dilettanten, die einen grossen Sachschaden verursachen.

Wie lange dauert ein Einbruch bei geschickten Tätern?

Er dauert bloss wenige Minuten. Das können wir anhand von Bildern von Überwachungskameras rekonstruieren. Wenn sie das Fenster in zwei, drei Minuten nicht aufbringen, gehen sie weiter. Die Täter sind im Stress, weil sie Gefahr laufen, entdeckt zu werden. Das Öffnen verursacht ja meistens auch Lärm. Aber manchmal brauchen die Täter auch kein Einbruchswerkzeug.

Wie meinen Sie das?

Wir stellen eine Zunahme bei Einschleichdiebstählen fest. Diese finden im Gegensatz zu den klassischen Einbruchsdelikten auch dann statt, wenn die Bewohner zu Hause sind. Die Täter suchen gezielt nach Türen, die nicht verschlossen sind. Sie stehlen aus Häusern, Wohnungen, aber auch aus Autos. Deshalb appelliere ich an die Bevölkerung, Türen immer abzuschliessen. Dies gilt sowohl für Wohnungen wie auch für Fahrzeuge. Denn wo liegen Ihre Wertsachen? Beim Eingang. Dort liegt das Portemonnaie, dort liegt das Handy oder die Handtasche, wenn man zu Hause ist. Die Täter schleichen hinein, nehmen die Wertsachen und gehen wieder hinaus. Das merken Sie gar nicht.

Sind das die gleichen Banden, die durch die Fenster einsteigen?

Nein, die Einschleichdiebe stammen häufig aus Nordafrika. Die klassischen Einbrecherinnen und Einbrecher kommen dagegen eher aus Osteuropa. Wir haben aber auch Personen oder Gruppen aus Südamerika, Deutschland oder der Schweiz.

Das Horrorszenario vieler Menschen sind brutale Überfälle, bei denen Einbrecher Gewalt anwenden. Was tun, wenn man im Bett liegt und der Einbrecher einsteigt?

Licht machen, schreien und die 117 anrufen. Der Einbrecher wird flüchten, er scheut die direkte Konfrontation. Ich kenne Fälle, wo beide Parteien erschraken und Hausbewohner wie Einbrecher geschrien haben. Hier werden die Einbrecher in der Regel zum Glück nicht handgreiflich. In acht Jahren als Berater habe ich einen einzigen solchen Fall erlebt. Da wurde die Frau gefesselt, es waren drei Täter. Am Abend um halb sieben, eine ältere Dame, die die Zähne geputzt hatte. Sie war kurz zuvor Witwe geworden. Die Einbrecher dachten, niemand sei da.

Wie reagieren Leute, wenn bei ihnen eingebrochen wurde?

Das Sicherheitsgefühl leidet. Der Hausfriedensbruch ist deshalb fast schlimmer als der Diebstahl. Wertsachen lassen sich meist ersetzen, aber die Unsicherheit bleibt. Ich kenne das von einem Kollegen, der seit einem Einbruch jedes Mal mit einem mulmigen Gefühl über die Türschwelle seines Hauses tritt. Ich kenne auch einen Fall, wo ein Eigentümer sein Haus verkauft hat, weil drei Mal innerhalb eines Jahres bei ihm eingebrochen wurde.

Was wird gestohlen?

Fast immer geht es um Geld und Schmuck. Kein TV, kein Computer, das ist zu umständlich. Und jedes Tablet oder Smartphone kann geortet werden. Die Schlauen stehlen das nicht.

Man hört, die Täter hätten es vermehrt auch auf Elektrovelos abgesehen.

Das stimmt. Früher waren es teure Mountainbikes, heute sind es vermehrt Elektrovelos. Wir empfehlen, die Zweiräder auch zu Hause immer abzuschliessen. In der Garage am besten mit einer am Boden verankerten Abschliessvorrichtung.

Sie sagen, dass die Täter es vor allem auf einfach mitzuführende Wertsachen abgesehen haben. Suchen sie auch gezielt nach Safes?

Das kommt vor, aber die Einbrecher brauchen dafür schwereres und mehr Werkzeug – und Zeit. Wenn Sie einen Safe anschaffen, dann bitte einen zertifizierten, der verankert ist. Alles andere können Sie sich sparen. Und: Der Safe sollte von aussen nicht sichtbar sein. Sonst kommen die Täter mit schwerem Gerät. Das habe ich kürzlich erlebt. Die Täter haben einen verankerten Safe aus einer Wand geschlagen und anschliessend aufgefräst. Das hat gedauert, die Kriminellen haben rund zwanzig Trennscheiben verbraucht. Das gab eine riesige Schweinerei sowie einen hohen Sachschaden, überall lag Staub.

Und das hat niemand bemerkt?

Die Leute waren in den Ferien. Es geschah an einem Nachmittag, die Nachbarn haben nichts mitbekommen. Der Mann wird wohl nie mehr einen Safe montieren. Auch einem Kollegen haben sie den Safe herausgespitzt. Der wohnt in einem Mittelhaus. Links und rechts wohnen Familien. Die haben zwar den Lärm um halb elf am Morgen gehört. Sie dachten aber, dass jemand Plättchen im Bad herausspitzt.

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