Sonntag, September 8

Der Pharmakonzern Novo Nordisk kauft drei Werke des amerikanischen Unternehmens Catalent. Die hohe Nachfrage nach Medikamenten gegen Fettleibigkeit kann Novo Nordisk trotzdem nicht so schnell bedienen.

Der dänische Pharmakonzern Novo Nordisk ist führend im Geschäft mit den neuartigen Spritzen zum Abnehmen. Doch vor allem sein Medikament Wegovy findet derart reissenden Absatz, dass er mit Produzieren nicht nachkommt. Auch im Schlussquartal des vergangenen Jahres musste er Patienten in verschiedenen Ländern immer wieder vertrösten, weil es an Nachschub fehlte.

Elf Milliarden Dollar für drei Produktionswerke

Dem Konkurrenten Eli Lilly ergeht es nicht besser. Der amerikanische Anbieter erklärte am Dienstag, er rechne damit, dass die Nachfrage das Angebot auch 2024 übersteigen werde.

Eines kann man beiden Firmen aber nicht vorwerfen: Sie würden zu wenig Geld in die Hand nehmen, um zusätzliche Produktionskapazitäten bereitzustellen. Novo Nordisk kündigte Anfang dieser Woche an, für 11 Milliarden Dollar drei Pharmafabriken zu kaufen, die bisher vom amerikanischen Auftragsfertiger Catalent betrieben wurden. Die Werke, die sich in Italien, Belgien und den USA befinden und insgesamt über 3000 Beschäftigte zählen, sollen möglichst schnell in die Herstellung der heissbegehrten Produkte zur Bekämpfung von Übergewicht und Fettleibigkeit eingebunden werden.

Der Kaufpreis mutet stolz an, doch scheinen sich Anleger daran nicht zu stören. «Hauptsache, Novo Nordisk kann die Produktion rasch weiter hochfahren», sagten sich wohl viele am Montag. Der Aktienkurs des Unternehmens stieg gleichentags um 3,6 Prozent. Am Dienstag stieg er bis zum frühen Nachmittag um weitere knapp 1,8 Prozent auf 824 dänische Kronen.

Finanzierung aus flüssigen Mitteln

Novo Nordisk wird mittlerweile mit umgerechnet fast 480 Milliarden Franken bewertet. Dies macht den Konzern zum wertvollsten europäischen Unternehmen.

Finanziell stellt die Übernahme der drei Werke Novo Nordisk vor keine Probleme. Das Unternehmen erwirtschaftet dank boomenden Geschäften nicht nur mit den Abnehmspritzen, sondern auch mit Präparaten zur Behandlung von Diabetes viel Cash. Im vergangenen Jahr erreichte der freie Cashflow umgerechnet fast 9 Milliarden Franken. Zugleich steigerte Novo Nordisk den Umsatz um beinahe einen Drittel auf 30 Milliarden Franken. Und die Firma schloss das Jahr schuldenfrei ab. Die Nettoliquidität erreichte per Ende 2023 eine gute halbe Milliarde Franken.

Bereits im vergangenen Jahr hatte Novo Nordisk angekündigt, über 8 Milliarden Dollar in die Erweiterung der Produktionskapazitäten an zwei bestehenden Standorten in Dänemark sowie im französischen Werk in Chartres zu investieren. Allein im laufenden Jahr dürften die Anlageinvestitionen nach Erwartung des Unternehmens über 6 Milliarden Dollar erreichen.

Man kennt sich

In den drei Fabriken, die nun in den Besitz von Novo Nordisk übergehen, waren die Mitarbeiter schon bisher teilweise für den dänischen Pharmakonzern tätig. Dies dürfte den Eigentümerwechsel erleichtern. Allerdings wird Novo Nordisk bestehende Verträge für die Fertigung von Pharmaprodukten an diesem Standort mit anderen bisherigen Kunden von Catalent einhalten müssen. Mit anderen Worten: Novo Nordisk wird die drei Werke nicht umgehend vollständig für die Fertigung eigener Medikamente nutzen können.

Laut Analytikern der UBS dürfte der dänische Pharmakonzern versuchen, die Erfüllung bestehender Verträge möglichst rasch auf andere Werke von Catalent zu übertragen. Die Voraussetzungen dafür stehen grundsätzlich gut. Catalent kämpft momentan damit, eher zu viele als zu wenige Kapazitäten zu haben.

Weltweit betreibt das Unternehmen, das zusammen mit dem Schweizer Konkurrenten Lonza zu den grössten Auftragsfertigern für Pharmaprodukte zählt, über 50 Werke. Es hatte wie andere Lohnhersteller während der Pandemie zunächst stark von der enorm gestiegenen Nachfrage nach Impfstoffen und Medikamenten gegen Covid-19 profitiert. Vakzinanbieter wie Moderna oder Pfizer waren bei weitem nicht in der Lage, die hohe Nachfrage ausschliesslich aus den eigenen Werken zu bedienen.

Elliott macht bei Catalent Kasse

Im zurückliegenden Geschäftsjahr (per Ende Juni 2023) brach der Umsatz von Catalent aber um 11 Prozent auf 4,3 Milliarden Dollar ein, nachdem er sich zuvor im Zeitraum von drei Jahren fast verdoppelt hatte. Zur abrupten Abschwächung beim Geschäftsgang gesellten sich Qualitätsprobleme an mehreren Standorten. Diese riefen nicht nur Regulatoren wie die amerikanische Gesundheitsbehörde FDA auf den Plan, sondern lockten auch den aktivistischen US-Investor Elliott als neuen Grossaktionär an.

Elliott beanspruchte nach dem Einstieg im vergangenen Juli nicht nur vier Sitze im Verwaltungsrat, sondern setzte auch die Bildung eines Komitees durch, das mit der Überarbeitung der Unternehmensstrategie beauftragt wurde. Nun bietet sich dem Investor die Möglichkeit, bereits wieder auszusteigen – und dies mit hohem Gewinn. Die gesamte Catalent-Gruppe soll nämlich an Novo Holdings gehen.

Die Beteiligungsgesellschaft, die 28,1 Prozent des Kapitals von Novo Nordisk hält und über 77 Prozent der Stimmen kontrolliert, offeriert einen Preis von 16,5 Milliarden Dollar beziehungsweise von 63.50 Franken je Aktie von Catalent. Anfang Juli 2023 waren die Papiere des Auftragsfertigers noch für rund 40 Franken gehandelt worden.

Neuer Konkurrent für Lonza und Siegfried

Nach dem Vollzug der Übernahme ist geplant, dass Novo Holdings die drei Fabriken in Europa und den USA dann für die besagten 11 Milliarden Dollar an Novo Nordisk weiterreichen wird. Die Investmentfirma, die sich ihrerseits zu 100 Prozent im Besitz der gemeinnützigen Stiftung Novo Nordisk Foundation befindet, ist selbst auf die Life-Sciences-Branche ausgerichtet. Sie hält Beteiligungen an einem breiten Spektrum von Firmen, die von ganz früh bis zu einem späten Stadium in der Entwicklung von Medikamenten engagiert sind. Ende 2022 belief sich der Gesamtwert ihrer Vermögenswerte auf 108 Milliarden Euro.

Die Auftragsfertigung ist indes ein neues Tätigkeitsfeld für Novo Holdings. Wie sich die Firma in diesem Bereich schlagen wird, dürfte man nicht nur bei Lonza, sondern auch bei anderen Schweizer Auftragsfertigern wie Siegfried, Bachem oder Corden Pharma aufmerksam beobachten.

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