Der Wohnungsmarkt erlebt eine beispiellose Nachfrage und kontinuierlich steigende Mieten. Eine unzureichende Raumplanung ist massgeblich daran beteiligt, dass der Wohnungsbau blockiert ist.

Der Wohnungsmarkt in der Schweiz präsentiert sich in einem engen Spannungsfeld: Das Angebot an Wohnungen ist knapp, die Leerstände sinken, und die Mieten steigen. Die Nachfrage nach Wohnungen ist so gross, dass oft das Los darüber entscheidet, wer überhaupt an eine Wohnungsbesichtigung eingeladen wird. Eine Besserung der Situation ist nicht in Sicht – darin sind sich zahlreiche Experten einig.

Fredy Hasenmaile, Chefökonom bei Raiffeisen Schweiz, mahnt unmissverständlich: «Alle Anzeichen deuten darauf hin, dass sich die Situation noch verschärfen wird.» Er prognostiziert einen weiteren Rückgang der Leerstandsziffer in den nächsten zwei bis drei Jahren. Letztes Jahr gab das Bundesamt für Statistik den Leerwohnungsbestand mit 1,15 Prozent an. In Städten wie Zürich sind extrem tiefe Werte wie 0,06 Prozent aber bereits die Regel.

Projekte, die das Wohnungsangebot erhöhen würden, stossen praktisch überall auf Widerstand. Ein neuer Wohnturm samt gemischten Nutzungen mit Büros und Kultur auf dem Maag-Areal in Zürich ist derzeit blockiert. Der Zürcher Heimatschutz und die Hamasil-Stiftung legten Rekurs gegen den Abriss der Maag-Halle ein.

Das bekannte Projekt Brunaupark der Pensionskasse der Credit Suisse mit 500 Wohnungen steckt seit fünf Jahren in einer Blockade fest. Zuerst scheiterte es am Lärmschutz. Trotz einer Überarbeitung geht es nicht vorwärts. Als Nächstes legten Nachbarn einen Rekurs aufgrund des Ortsbildschutzes ein.

Laut Hasenmaile ist die Neubauaktivität auf dem niedrigsten Stand seit zwei Jahrzehnten – und das zu einer Zeit, in der die Zuwanderung hoch ist. Dabei spiele die Raumplanung eine wesentliche Rolle, so Hasenmaile. Seit dem Inkrafttreten des neuen Raumplanungsgesetzes im Jahr 2014 seien praktisch keine neuen Einzonungen von Bauland mehr möglich. Neuer Wohnraum soll über die Innenverdichtung entstehen, so die Idee.

Was Raumplanung mit der Miete zu tun hat

«Doch die Verdichtung liefert zu wenige Wohnungen», kritisiert Hasenmaile. Das Problem sei nicht die Strategie der Raumplanung an sich, sondern die fahrlässige Umsetzung. «Verdichtetes Bauen ist komplizierter, produziert Widerstand und dauert viel länger als erwartet. Das wurde völlig unterschätzt», so Hasenmaile.

Balz Halter, als Unternehmer und Verwaltungsratspräsident der Halter-Gruppe seit 38 Jahren in der Branche tätig, übt ebenfalls Kritik: «Es wäre pure Realitätsverweigerung, zu behaupten, dass der Mangel an Baupotenzial und Reserven keine Auswirkungen auf die Preise und die Wohnungsversorgung hat.» Trotz gesunkenen Zinsen und gutem wirtschaftlichem Umfeld fänden Entwickler kaum noch Möglichkeiten, neue Projekte umzusetzen.

Kantone: keine klare Strategie

Auf Ebene der kantonalen Raumplanung macht Halter eine erste Lücke aus: «Die Kantone haben ihre Richtpläne zwar an das neue Raumplanungsgesetz von 2014 angepasst. Dennoch mangelt es in den meisten Fällen an einer klaren strategischen Ausrichtung, wo konkret und in signifikantem Umfang verdichtet werden soll.» Um der wachsenden Nachfrage nach Wohnraum gerecht zu werden, müsse an geeigneten Standorten viel stärker verdichtet werden, als es die kantonale Raumplanung vorsehe.

Ähnlich sieht das Andreas Schneider, Professor für Raumentwicklung an der Ostschweizer Fachhochschule (OST): «Die meisten Kantone haben es bei der Umsetzung des neuen Raumplanungsgesetzes beim Minimum bewenden lassen.» Die Kantone müssten nachweisen, wie sie ein gewisses Wachstum bewältigen und wie sie es regional verteilen. «Grosse Würfe sucht man vergeblich», so Schneider.

Dabei wäre es naheliegend, Bauland an den Stadtgrenzen einzuzonen, das verkehrstechnisch bereits gut erschlossen ist. Im Gegenzug könnte man nicht benötigtes Land in ländlichen Gebieten, wo es weder Schulen noch einen ÖV-Anschluss gibt, wieder auszonen.

Visionen sind tabu

«Es wäre ein heroischer Schritt, der politischen Gestaltungswillen und Mut erfordern würde, aber da zögern die Kantone und Gemeinden», sagt Schneider. Politische Sachzwänge verhindern aber, dass solche Visionen überhaupt ausgesprochen werden können. Politisch wäre ein solcher Vorstoss schon allein deshalb schwierig, weil der Kanton im Gegenzug die Wachstumsmöglichkeiten an der Peripherie beschränken müsste.

Kommt dazu, dass sich die Entscheidungsträger oft nur ungern unbequemen Realitäten stellen. «Kantons- und Gemeindepolitiker wollen sich bei der Wählerschaft und den Grundstückbesitzern nicht mit allzu starken Eingriffen unbeliebt machen», so Schneider.

Daher wäre es falsch, den Raumplanungsfachleuten pauschal die Schuld in die Schuhe zu schieben. «Was letztlich in den Plänen steht, entspricht dem, was politisch mehrheitsfähig ist», sagt Schneider. Über kommunale Belange entscheiden in aller Regel die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger der Gemeinde.

Unzählige Projekte hängen deshalb an einem seidenen Faden, weil die Behörden in ihrer Raumplanung wichtige Vorgaben wie Ortsbildschutz oder Lärmschutz unzureichend prüfen. «Daher kommt es immer wieder vor, dass ein Projekt nach vollständiger Planung und behördlicher Genehmigung von den Gerichten als nicht bewilligungsfähig qualifiziert wird», erklärt die Baujuristin Miriam Lüdi. Dies könne beispielsweise daran liegen, dass ein Nachbar Einwände wegen mangelhaften Ortsbildschutzes erhebe.

«Arbeitsverweigerung der Gemeinden»

Aus den gleichen Gründen nimmt auch Balz Halter die Städte und Gemeinden in die Pflicht. Denn sie hätten es schlicht verpasst, bis auf Stufe einzelner Grundstücke die erforderliche Planungs- und Rechtssicherheit zu gewährleisten. «Das kommt einer Arbeitsverweigerung gleich», betont Halter. Es obliege den politischen Behörden, die Bau- und Zonenordnung in Bezug auf heikle Themen wie Heimat- und Ortsbildschutz abzustimmen und die notwendigen Güterabwägungen vorzunehmen.

Oftmals dauert es lange, bis die Behörden entscheiden, ob die Verdichtung höher gewichtet wird als zum Beispiel der Ortsbildschutz. Dabei besteht das Risiko, dass das Projekt schliesslich ad acta gelegt werden muss. «Es ist schlicht inakzeptabel, dass diese Prozesse auf dem Rücken der Bauherren ausgetragen werden», sagt Halter.

Balz Halter identifiziert eine weitere Hürde, die die zügige Umsetzung von Verdichtungsprojekten behindert: Wer grössere Verdichtungsmassnahmen realisieren möchte, wird häufig von den Gemeinden auf aufwendigere Verfahren verwiesen. Diese folgen einem politischen Prozess, der viel Zeit in Anspruch nimmt und selten zum gewünschten Resultat führt.

Der Bund in der Verantwortung

Während die Hürden für grössere Verdichtungsprojekte immer höher werden, stellt sich die Frage: Nimmt der Bund seine Rolle als Kontrollinstanz in der Raumplanung ernst?

Um dies zu verstehen, müssen wir kurz das Zusammenspiel von Bund, Kantonen und Gemeinden betrachten. Die Raumplanung liegt primär in der Verantwortung der Kantone. Diese legen einen kantonalen Richtplan fest, der die räumliche Entwicklung steuert. Die Richtpläne bedürfen der Zustimmung des Bundes und müssen unter anderem aufzeigen, wie eine «hochwertige Siedlungsentwicklung nach innen» bewirkt werden soll. So steht es im Raumplanungsgesetz.

«Die meisten kantonalen Richtpläne erfüllen diese Anforderungen nicht», kritisiert Miriam Lüdi. Einige Kantone wie Zürich verzichten in ihrem Richtplan auf klar formulierte Vorgaben – etwa zur Frage, wie viele Menschen in einem Gebiet wohnen und arbeiten sollen.

Der Kanton delegiert diese strategische Aufgabe an untergeordnete Instanzen, an regionale und kommunale Richtpläne. Zum einen ist es umstritten, ob das überhaupt zulässig ist. Zum anderen sinke der Druck, «die heute geforderte Dichte zu vollziehen», sagt die Juristin warnend.

Manche Kantone wie Bern oder Aargau würden zwar Vorgaben machen. Sie seien aber «zu tief» angesetzt, als dass sie wirklich zur Entwicklung nach innen beitragen könnten. «Nach meiner Meinung dürfte der Bund solche mangelhaften Richtpläne nicht genehmigen», argumentiert Miriam Lüdi.

Michael Furger, Sprecher des Bundesamtes für Raumentwicklung (ARE), weist diese Darstellung als falsch zurück: «Alle Kantone haben die erforderlichen Vorgaben umgesetzt. Wir würden nie Richtpläne genehmigen, die nicht gesetzeskonform sind.» Der Bund «überwache» im Rahmen einer regelmässigen Berichterstattung, ob die Kantone auf diesem Weg vorankämen. «Unsere jüngsten Erhebungen zeigen, dass die Verdichtung zunimmt», betont der Sprecher des ARE.

Die neusten Zahlen vom Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) zeigen, dass sich das rekordhohe Bevölkerungswachstum fortsetzt. Die 10-Millionen-Schweiz ist nicht mehr fern. Der Ökonom Fredy Hasenmaile bezweifelt, dass die Raumplanung die nötigen Vorkehrungen getroffen hat: «Sehr viele Gemeinden haben bis heute keine Instrumente geschaffen, um bauliche Verdichtung attraktiv und überhaupt möglich zu machen.»

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