Samstag, Februar 22

Im ersten grossen Interview nach den Ski-Weltmeisterschaften erklärt Odermatt, weshalb er mit seiner Ausbeute zufrieden ist. Und sagt, warum es ihm schwerer fällt als auch schon, mit dem Trubel um seine Person umzugehen.

Gerade waren noch die Ski-WM in Saalbach, nun macht der Weltcup der Männer halt in Crans-Montana. Hier stehen am Wochenende eine Abfahrt und ein Super-G auf dem Programm. Für Marco Odermatt beginnt mit diesen Rennen der Saison-Endspurt, den der Nidwaldner als Führender in der Gesamt- und den Disziplinenwertungen in Riesenslalom, Super-G und Abfahrt angeht.

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Marco Odermatt, die Ski-WM sind nun etwa eine Woche alt. Sie wurden in Saalbach Super-G-Weltmeister, aber in Österreich schrieb der Boulevard, Sie seien ein Flop gewesen. Haben Sie das mitbekommen?

Ja, das habe ich irgendwo mal gelesen.

Und was sagen Sie dazu?

Das stört mich nicht.

Sind Sie zufrieden mit Ihrer Ausbeute in Saalbach?

Ja, das bin ich. Ich glaube, wenn man Weltmeister wird und nicht zufrieden ist, dann hat man andere Probleme. Klar hätte es die Chance gegeben, weitere Medaillen zu gewinnen, aber es ist kein Wunschkonzert. Darum habe ich schon nach dem Sieg im Super-G gesagt: Egal, was noch kommt, ich werde zufrieden nach Hause gehen.

Die Einschätzung aus Österreich zeigt, dass für Sie mittlerweile andere Massstäbe gelten.

Ja, das ist so, ich bin ja irgendwie selbst schuld daran, dass das so betrachtet wird, weil ich so oft gewonnen habe. Aber wie gesagt: Es stört mich nicht.

Im Riesenslalom wurden Sie an den WM Vierter, verpassten das Podest, was Ihnen in Ihrer Paradedisziplin in den letzten Jahren eigentlich nie passiert ist, wenn Sie ins Ziel kamen. Sie haben danach gesagt, dass Sie gerade nicht in der besten Riesenslalom-Form seien. Warum?

Das ist schwierig zu sagen. Ich hatte drei traumhafte Saisons, in denen ich eine Riesen-Serie hingelegt habe, das letzte Jahr war die Krönung mit neun Siegen in zehn Rennen. Mir war klar, dass es nicht immer so weitergehen wird. Ich bin nach den zwei Ausfällen zu Saisonbeginn wieder gut reingekommen, habe drei Mal gewonnen. Aber der Januar ist für mich anstrengend. Wenn alle Techniker Riesenslalom und Slalom trainieren, fahre ich wochenweise Speed, in Wengen, in Kitzbühel. Da ging das Riesenslalom-Gefühl etwas mehr verloren als im letzten Jahr, als ich voll im Flow war.

Wie muss man sich das Umstellen von der einen Disziplin auf die andere vorstellen?

Vom Super-G auf die Abfahrt ist der Unterschied kleiner, aber der Riesenslalom ist gefühlt eine andere Sportart. Der Schuh ist komplett anders, der Ski, der Körper wird auch anders belastet und gefordert, man muss spritziger sein, die Bewegungen müssen schneller kommen.

Es gibt im Weltcup nur wenige Athleten, die drei Disziplinen absolvieren. Kommt auch für Sie irgendwann der Moment, an dem Sie kürzertreten?

Ja, aber das ist nicht heute und morgen ein Thema. Bis zu den WM in Crans-Montana 2027, also die nächsten zwei Saisons, möchte ich das Programm schon noch so durchziehen, wenn alles gutgeht. Danach stelle ich mir sicher die Frage, ob ich etwas weglasse.

Wie geht es Ihnen mit der Glatze, die Sie seit der Haarschneid-Aktion im Schweizer Team in Saalbach tragen?

Sehr gut, es ist ein angenehmer, einfacher Alltag so.

Die Aktion wurde zum Symbol für den Schweizer Teamspirit, der so oft beschworen wurde. Aber letztlich sind Sie ja doch Einzelsportler, wurde dieses Bild in letzter Zeit nicht überstrapaziert?

Ich habe nicht alles gesehen oder gelesen, aber an diesem Tag war es nicht so. Alle hatten etwas zu feiern, ich war gerade Super-G-Weltmeister geworden, Franjo von Allmen und Alexis Monney errangen in der Abfahrt sensationell Gold und Bronze. Danach ist das so entstanden. Es war ein cooler Tag.

Der Swiss-Ski-Präsident Urs Lehmann hat in Wengen erzählt, wie das Ende der 1980er Jahre lief, als er ins Schweizer Abfahrtsteam kam. Damals gab es Peter Müller, an dem sich alle rieben – und so entstand Energie. Heute entsteht sie anscheinend aus dem Teamspirit. Warum?

Da bin ich sicher ein Grund dafür. Ich bin ein Typ, der es gerne lustig hat, Gemeinschaftsgefühl und Kameradschaft sind mir wichtig, das war schon immer so. So eine Gruppendynamik fand ich immer spannend. Als ich als junger Fahrer dazukam, gab es das noch weniger.

Wie war das damals?

Ich kam in ein Team mit Beat Feuz, Carlo Janka und Mauro Caviezel, das waren schon ältere Athleten. Das war anders, aber auch cool, ich schätzte die Kameradschaft schon in jener Zeit. Es gab auch in dieser Konstellation eine Dynamik. Jetzt, mit den neuen, jungen Wilden, ist es vielleicht die gleiche Kameradschaft, aber es lebt sich anders.

Sie haben einmal gesagt, dass es für Sie einfacher ist, sich über die Siege der anderen zu freuen, weil Sie selbst so oft gewinnen. Jüngst wurden Sie öfter von Teamkollegen überflügelt – ist es da auch schwieriger geworden, sich immer mitzufreuen?

Nein, ich habe in den vergangenen dreissig Tagen in Adelboden, Wengen, Kitzbühel und an den WM gewonnen. Ich warte ja nicht seit Monaten auf einen Sieg, ich hatte auch für mich genug zu feiern.

Gerade zwischen Franjo von Allmen und Ihnen ist in den letzten Speed-Rennen eine Rivalität entstanden, die den Ski-Zirkus noch eine Weile prägen könnte. Er ist Ihnen auch von seiner Art her ähnlich.

Ja, definitiv, es wird ja schon diesen Winter so sein, dass wir um die Abfahrts-Kugel fahren, vielleicht kommt noch Alexis Monney dazu. Das ist kein Geheimnis, und es ist klar, dass jeder gewinnen will.

Die WM sind vorbei, jetzt beginnt der Endspurt im Weltcup, Sie fahren noch um vier Kugeln. Wie frisch sind Sie noch?

Ich würde sagen, mein Zustand ist noch relativ gut. Diese Phase der Saison ist immer schwierig. Die WM sind vorbei, das ist jeweils der Moment, in dem die Energie etwas abnimmt. Es geht mir gesundheitlich sehr gut, es tut nichts weh, das ist ein grosser Vorteil. Ich freue mich auf diese Woche, aber ich bin dann auch froh, wenn die Rennen in Crans-Montana und Kranjska Gora durch sind.

Wegen der ganzen Aufmerksamkeit, des Trubels?

Ja. Danach geht es für zwei Wochen in den Norden, dann zum Weltcup-Final in die USA. Darauf freue ich mich.

Sie haben schon öfter davon gesprochen, dass die ganze Aufmerksamkeit von Fans und Medien Ihnen manchmal zu viel werde. Fällt es Ihnen schwerer als vielleicht noch vor zwei Jahren, damit umzugehen?

Ja. Ich glaube, es ist beides. Es wird weiterhin immer mehr und mehr. Und man ist vielleicht nicht mehr gleich frisch. Wenn ich jetzt Franjo von Allmen sehe, sehe ich oft mich selbst vor ein paar Jahren. Für mich war vor vier, fünf Jahren auch alles noch lustiger, cooler. Er merkt schon jetzt, innerhalb dieser Saison, dass es mehr wird. Wenn zehn Leute ein Bild wollen, macht man am Anfang acht, neun Mal mit, Franjo ist jetzt vielleicht noch bei vier, fünf Mal, ich bei zwei, drei Mal. Wenn man jeden Wunsch erfüllen will, braucht man 48-Stunden-Tage, 24 reichen da definitiv nicht.

Marcel Hirscher sagte kürzlich, dass er 2019 habe aufhören müssen, weil er so ausgebrannt gewesen sei. Hatten Sie dieses Gefühl auch schon?

Ich kann zu 100 Prozent nachvollziehen, was er meint, ich sehe und spüre bestimmte Parallelen. Aber der Unterschied ist unser Teamgefüge, wir haben es lustig neben der Piste. Dass ich die Emotionen, die Siege teile, auch einmal Partys feiere, das nicht alles alleine in mich hineinfresse, das hilft mir, damit es bei mir später oder gar nicht der Fall sein wird.

Am Wochenende starten Sie zum ersten Mal in Crans-Montana an einem Weltcup-Rennen, dem Ort, an dem die Skination Schweiz 1987 Wunder-WM erlebte. Sie waren damals noch nicht auf der Welt, aber spielt die historische Dimension eine Rolle für Sie?

Nein, ich war noch nie einer, der gross in der Geschichte gestöbert hat. Natürlich, die goldenen WM von damals sind mir ein Begriff, man hat viele Bilder gesehen, aber davon habe ich heute nichts gespürt.

Damals war Pirmin Zurbriggen die grosse Figur, der andere Schweizer Ausnahmefahrer, dessen Rekordmarke in Sachen Weltcup-Siege Sie diesen Winter überholt haben. In zwei Jahren dürften alle Augen auf Sie gerichtet sein. Denken Sie schon darüber nach?

Nein, gar nicht, ich weiss nicht, was in zwei Jahren ist. So wie ich keiner bin, der zurückschaut, bin ich auch keiner, der gross vorausschaut. Wir kommen gerade aus Weltmeisterschaften, und nun stehen Weltcup-Rennen an, es geht noch um vier Kugeln. Die WM in Crans-Montana sind für mich noch weit weg.

Sie haben diese Woche die WM-Strecke von 2027 zum ersten Mal befahren – wie ist Ihr erster Eindruck von der Abfahrt?

Ich würde sie anders gestalten, wenn ich mir eine Abfahrt zuschneiden könnte. Wir müssen nicht drum herumreden, es ist eine sehr, sehr einfache Abfahrt. Aus meiner Sicht ist es die einfachste Abfahrt, die ich je gefahren bin. Darum ist es schwierig, schnell zu sein. Da zählt wirklich jedes Detail, von der ersten bis zur letzten Kurve.

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