Das Schweizer Ski-Abfahrts-Team rasierte sich nach Gold für Franjo von Allmen und Bronze für Alexis Monney voller Enthusiasmus die Köpfe. Sie rücken so eine Frisur in den Fokus, die oft geschmäht wird: die Halbglatze.
Neue Frisur? Hinter dieser simplen Frage verbirgt sich viel. Mit vergleichsweise wenig Aufwand lässt sich mit einer anderen Farbe, einem anderen Schnitt das Aussehen verändern, der Look. Eine neue Haartracht wird darum auch gerne eingesetzt, um Lebensveränderungen optisch darzustellen. Haareschneiden kann politisch sein; zuletzt zeigten Frauen so ihre Solidarität mit iranischen Frauen. Oder eine Demütigung: Einst wurden so «gefallene Mädchen» gebrandmarkt oder verurteilte Verbrecher. Auch Sportler nutzen diese Möglichkeit, wenn auch ins Harmlos-Spielerische übersetzt: Der Play-off-Bart etwa darf erst rasiert werden, wenn das Team ausgeschieden ist oder das Finale gewonnen hat. Da schwingt auch immer etwas Aberglaube mit.
Entstellung als Team-Event?
Zuletzt scherte sich das Schweizer Abfahrtsteam die Haare, ausgelöst durch eine Wette. Der Trainer Reto Nydegger und der Fahrer Alexis Monney vereinbarten: Bei einem Podestplatz kommen die Haare weg. Als Franjo von Allmen dann am 9. Februar in Saalbach Gold und Monney Bronze gewann, zog gleich das ganze Team mit. Offensichtlich legten sie selbst Hand an, mit elektrischen Haarschneidern: Entstellung als Team-Event. Als besonders lächerlich wurde dabei von den kommentierenden Medien on- und offline eine Frisur empfunden: die Halbglatze.
Mönch oder Clown?
Sie gilt, das kann man in aller Härte sagen, als wenig attraktiv. Das hängt damit zusammen, dass Haarverlust als Symbol für das Altern steht, und damit für unsere Vergänglichkeit. Und daran werden die wenigsten gerne ständig erinnert. Schon gar nicht auf Kopf-, also Augenhöhe. Gleichzeitig haftet dieser von der Natur aufgezwungenen Frisur auch etwas Unentschlossenes an. Sie ist ein Zwischending, ein Symbol dafür, dass man sich an etwas klammert, was eigentlich bereits unrettbar verloren ist. Denn alle wissen, wo die Reise hingeht, allen darübergekämmten Strähnen zum Trotz: Endstation haarlos.
Auch geschichtlich zeigt sich klar, dass diese Frisur zumindest optisch nicht erstrebenswert scheint. Mönche zeigten so ihre Demut vor Gott und dass Äusserlichkeiten ihnen ganz egal sind; bis Papst Paul VI. sie 1973 offiziell abschaffte, war die Tonsur Pflicht. Ausserhalb des Klosters wird man gar zur Witzfigur mit dem Halb und Halb: die Glatze mit den roten Krüselhaaren ist typisch für Clowns.
Halbglatze im Rampenlicht
Eine volle Glatze wiederum, zumindest wenn selbst gewählt, steht für Entscheidungsfreudigkeit und deshalb für Tatkraft. Ändert der Auftritt des Ski-Teams nun das Image dieser nur allzu menschlichen, aber wahrscheinlich gerade deshalb unbeliebten Frisur? Wohl kaum. Niemand behielt sie.
Das gesamte Ski-Abfahrts-Team ist nun kahl, mit der Clownsfrisur wollte augenscheinlich keiner weiterleben. Aber: Die Bilder der halb geschorenen Athleten gingen um die Welt, schon kursieren die neuen Frisurnamen «Odermatt-Schnitt» nach dem Ex-Abfahrtsweltmeister Marco Odermatt oder «Saalbach-Cut» nach dem Austragungsort des Rennens. Sollte sich daraus wirklich eine Tradition entwickeln, hat die Tonsur zumindest bei jedem Schweizer Sieg eine Runde Rampenlicht.