Sonntag, März 16

Ein Lieferwagen rast in die Fussgängerzone. Und die sonst so beherrschte Ermittlerin ist am Limit. Nicht nur bei der Arbeit, auch privat in einer kurzlebigen Affäre.

Ein Paketdienstfahrer rast in eine Menschenmenge. Es gibt Schwerverletzte. Der Grund für die Todesfahrt ist nicht zu erkennen. Aber es stellt sich heraus, dass der junge Fahrer (Adrian Djokić) zum Schluss noch einmal richtig Gas gegeben hat. Einiges deutet also auf Absicht hin. Die Göttinger Kommissarinnen ermitteln.

Sie waren auch ganz nah dran am Geschehen. Nur Minuten bevor der Lieferwagen in die Fussgängerzone krachte, wurde das Göttinger Kripo-Team von demselben Transporter mit einem Geschenk für den Chef Gerd Liebig (Luc Feit) beliefert, der gerade im Polizeipräsidium seinen 60. Geburtstag feierte.

Liebigs Frau Tereza (Bibiana Beglau) ist dann ausserdem die behandelnde Ärztin der Opfer. Und eine ihrer Krankenschwestern (Lea Willkowsky) ist mit dem Subunternehmer des Paketdienstes (Christoph Letkowski) verheiratet, der den Fahrer angestellt hatte. Die Menge an Querverbindungen und Zufällen geben dem Fall etwas schwer Konstruiertes.

Das Buch von Christine Hartmann (nach einer Vorlage von Stefan Dähnert) prescht immerhin nicht handlungsgetrieben voran. Auch geht es für einmal nicht um die Triebkräfte des vorsätzlich Bösen. Sondern eher um Versagen, Verstrickungen, Fehlbarkeit – und um Gier. Die mit vielen Unwahrscheinlichkeiten behaftete Geschichte interessiert sich vor allem für zwischenmenschliche Beziehungen. Und die sind in jedem Fall höchst angespannt.

Ungemütliche Verhältnisse

Das fängt schon bei den Ermittlerinnen Lindholm (Maria Furtwängler) und Schmitz (Florence Kasumba) an. Die beiden haben bekanntlich ein eher ungemütliches Verhältnis zueinander, und daran ändert sich bis zum Schluss wenig. Es ist Lindholms letzter Fall in Göttingen, sie lässt sich am Ende nach Hannover zurückversetzen. Bis es dazu kommt, verliert die spröde, sonst so beherrschte Lindholm wiederholt die Fassung: im Büro, am Tatort und privat in einer Affäre, die beendet wird, bevor sie richtig angefangen hat. Charlotte Lindholm verlässt Göttingen wahrlich nicht im Triumph. Dagegen wirkt Anaïs Schmitz wie eine coole, charismatische Heldin alter Schule.

Weitere Frauen und Männer schlittern am Rand des Nervenzusammenbruchs. Die Miniaturen kurzer Begegnungen, durchweg brillant gespielt, gehören zum Besten dieser Folge. Kriminaldirektor Liebigs Entscheidungen sind weniger nachvollziehbar. Seine fragile Gattin hat Geheimnisse, ebenso die Krankenschwester, die nach den Schwerverletzten sieht. Lindholm selber hält private Informationen zurück, die ihr seelisch zusetzen. Und so richtig schlimm ist die Schieflage beim Paketlieferdienst, der den «Geisterfahrer» anstellte.

Überdeutliche Sozialkritik

Die Zustände, die dort herrschen, werden umfassend sondiert – speziell die Ausbeutung der Angestellten, für die sich keiner verantwortlich fühlt. Lindholms Team befragt die Arbeiter, von denen die meisten kein Deutsch sprechen. Und man sieht sich die Lagerhallen an, die Lieferwagen, in denen sich aller denkbare Unrat angesammelt hat (Toilettenpausen können nicht eingehalten werden, weil termingerecht geliefert werden muss).

Da ist der «Tatort» mit seiner überdeutlich vorgetragenen Kritik an sozialen Zuständen mal wieder ganz bei sich. Ebenso, wenn es um Gewalt gegen Frauen geht, ein Thema, das auch noch den Weg in die Handlung finden muss. Sollte sich eine Verbindung vom einen zum anderen herstellen lassen? Dass es jeweils um Formen des Missbrauchs geht? Das wäre, wie so manches in diesem Fall, weit hergeholt.

«Tatort» aus Göttingen: «Geisterfahrt». Sonntag, 11. 2., 20.05 / 20.15 Uhr, SRF 1 / ARD.

Exit mobile version