Der Zürcher Sicherheitsdirektor will besonders bei den vielen Schutzsuchenden aus der Ukraine endlich Fortschritte sehen.

Der Kanton Zürich ist kraft seiner Grösse einer der bedeutendsten Player im Schweizer Asylwesen. Er nimmt knapp ein Fünftel der Flüchtlinge und Schutzsuchenden auf, so viele wie kein anderer Kanton. Die Rückführungen, also die mehr oder weniger freiwilligen Ausreisen, laufen zu 80 Prozent über den Flughafen Zürich.

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Entsprechend wichtig, gerade auch aus Sicht des Bundes, sind die Feststellungen und Forderungen, welche der für das Flüchtlingswesen zuständige Zürcher Regierungsrat Mario Fehr (parteilos) in seinen halbjährlichen Bestandesaufnahmen zur Asyl- und Flüchtlingspolitik jeweils anbringt.

Deutschland meint es ernst

«Wir werden in den nächsten Wochen und Monaten eine Zeitenwende in der europäischen Asylpolitik erleben», sagte Fehr am Dienstag vor den Medien. «Wir können nicht so weitermachen wie bisher.»

Sein Blick ging insbesondere nach Deutschland, wo sich die neue Regierung die Lösung der Migrationsfrage auf die Fahne geschrieben habe. Dies mit direkten Folgen für die Nachbarländer und insbesondere für die Schweiz: Schon jetzt weist Deutschland an keiner Grenze mehr Migranten zurück als an jener zum südlichen Nachbarn.

Die neue deutsche Regierung will die Grenzkontrollen nun noch weiter ausbauen und Rückweisungen von Asylbewerbern durchsetzen. Die deutsche Regierung stehe innenpolitisch unter einem hohen Erfolgsdruck, sagte Fehr. Die Ankündigungen aus Berlin seien deshalb ernst zu nehmen. In Grossbritannien wiederum habe sogar die Labour-Regierung unter Keir Starmer eine deutliche Verschärfung der Migrationspolitik beschlossen.

Für Fehr ist das symptomatisch: In Europa werde die Asylpolitik zunehmend von Ländern geprägt, die ihre spezifischen Interessen wahrnehmen würden. Von dieser asylpolitischen europäischen Grosswetterlage sei die Schweiz und damit auch der Kanton Zürich unmittelbar betroffen.

Fehr, der immer wieder deutliche migrationspolitische Forderungen an Bern gerichtet hat, sparte erneut nicht mit Kritik am Vorgehen der Landesregierung. Er rief den Justizminister Beat Jans (SP) dazu auf, endlich den Pendenzenberg abzubauen. Es seien rund 10 000 Asylgesuche und 3000 Status-S-Gesuche hängig.

Gar keine gute Idee ist für Fehr zudem die Reaktivierung des Resettlement-Programms. Dabei geht es darum, besonders schutzbedürftige Flüchtlinge direkt aufzunehmen.

Unter Bundesrätin Karin Keller-Sutter (FDP) war das Programm sistiert worden, um Druck von Kantonen und Gemeinden zu nehmen. Beat Jans hat es wieder aufgenommen, wobei die Zahl der Aufnahmen vergleichsweise gering ist– maximal 400 pro Jahr. Für Fehr ist das dennoch ein falsches Signal bei rund 13 000 offenen Asyl- und Status-S-Gesuchen.

Keine Partys in Kiew mehr

Etwas passieren müsse aber auch beim Status S, also bei den Ukraine-Flüchtlingen. Fehr forderte die Landesregierung dazu auf, zwei Motionen aus dem Ständerat umzusetzen. Die erste, von der SVP, verlangt, dass der Status S nur noch für Personen zur Anwendung kommen soll, die aus von Russland besetzten Gebieten stammen.

Nicht mehr gültig sein soll er etwa für Transkarpatien, eines der sichersten Gebiete der Ukraine ganz im Westen des Landes. Die zweite Motion, sie stammt von der Mitte, will Missbräuchen einen Riegel schieben. «Es kann nicht sein, dass Ukrainer mit Schutzstatus S nach Kiew fliegen, um dort Party zu machen», sagte Fehr.

Dass der Kanton Zürich gerade bei den Ukraine-Flüchtlingen Druck macht, ist keine Überraschung: Sie sind die mit Abstand grösste Gruppe. Zurzeit gibt es im Kanton Zürich rund 12 600 Personen mit Status S. Im ganzen restlichen regulären Asylbereich sind es weniger als 6000 Personen. Diese Zahl ist im langjährigen Schnitt mehr oder weniger stabil geblieben, während jene der Ukrainer mit Status S seit Kriegsbeginn stark gewachsen ist.

Der Kanton verdoppelte in der Folge zwar seine eigenen Kapazitäten. Dennoch sah er sich gezwungen, auch die Asyl-Aufnahmequote der Gemeinden innert weniger Monate mehrmals anzuheben.

Vor dem Beginn des Ukraine-Kriegs lag die Aufnahmequote bei 0,5 Prozent. Das bedeutete, dass die Gemeinden pro 1000 Einwohner 5 Asylsuchende aufnehmen mussten. Diese Quote steht derzeit bei 1,6 Prozent, also 16 Aufzunehmenden pro 1000 Einwohner. Dieser steile Anstieg führte in einzelnen Gemeinden zu Problemen und sogar zu gerichtlichen Auseinandersetzungen. Ganz ausgenützt wird die Quote derzeit aber nicht – sie steht bei 1,4 Prozent.

Es brauche auf allen Ebenen, beim Bund, beim Kanton und bei den Gemeinden, eine glaubwürdige Ausländer- und Asylpolitik, sagte Fehr. Die Probleme müssten angesprochen werden. «Wir können nicht einfach darüber hinwegsehen, dass wir letztes Jahr 32 Sexualdelikte von Asylsuchenden aus Afghanistan hatten», sagte Fehr. «Die Bevölkerung akzeptiert kein Schönreden mehr, nur noch Lösungen.»

Für die Gemeinden im Kanton Zürich kündigte Fehr zwar nicht gleich eine Lösung, aber doch eine willkommene Erleichterung an: Erstmals seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs vor drei Jahren könnte die Aufnahmequote im Herbst wieder gesenkt werden. Versprechen will Fehr aber noch nichts – es gelte nun zuerst, die Entwicklung im Sommer abzuwarten.

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