Es ist nicht das erste Mal, dass die Namensvettern in der Zürcher Kantonsregierung aneinandergeraten.

Jacqueline Fehr und Mario Fehr: in Politkreisen ist es ein offenes Geheimnis, dass die beiden Zürcher Regierungsräte – mit Ausnahme ihres Nachnamens – wenig verbindet. Auf der einen Seite steht die stramm links politisierende Justizdirektorin, auf der anderen der parteilose Sicherheitsdirektor, der nach Querelen aus der SP ausgetreten ist.

Nicht immer dringen die Meinungsverschiedenheiten der beiden Fehrs nach aussen. Im Nachgang zum islamistisch motivierten Attentat auf einen orthodoxen Juden in Zürich Anfang März aber schon. Die Kontrahenten widersprachen sich in aller Öffentlichkeit.

Den Anfang machte Mario Fehr, als er sich kurz nach der Messerattacke an einer Medienkonferenz für eine Verschärfung des Jugendstrafrechts aussprach. Der Täter war ein 15-jähriger Schweiz-Tunesier. Das heutige Jugendstrafrecht sieht bei Personen unter 16 Jahren eine Freiheitsstrafe von maximal einem Jahr vor. Zu wenig, fand der Sicherheitsdirektor und damalige Regierungspräsident.

Er sprach davon, dass es Mittel brauche, um junge Täter wie jenen von Zürich «dauerhaft aus dem Verkehr zu ziehen». Das heutige Jugendstrafrecht sei angesichts der Schrecklichkeit der Tat kaum mehr erklärbar. Es ist eine Argumentation, der sich der Zürcher SP-Ständerat und Strafrechtsprofessor Daniel Jositsch anschloss: «Unser Jugendstrafrecht wird heute nicht jeder Situation gerecht», sagte er zur NZZ.

Fehr doppelt nach

Die Justizdirektorin Jacqueline Fehr sah es entschieden anders. Und sie lancierte eine «heikle Lobby-Offensive», wie es der «Blick» nannte. Fehr schrieb ihrem Parteikollegen, dem frisch gewählten Bundesrat und Justizminister Beat Jans, einen eindringlichen Brief: «Ich möchte bereits heute davor warnen, als Reaktion auf diese Tat das Jugendstrafrecht zu revidieren.»

Die Forderung nach längeren Gefängnisstrafen ziele in die falsche Richtung und verkenne die Realität des heutigen Jugendstrafrechts, schrieb Fehr. Schon heute sei es möglich, Täter bis zum 25. Lebensjahr mit einer Massnahme zu belegen, sofern eine Gefährdungslage bestehe. Solche Massnahmen seien für jugendliche Täter härter als Gefängnisstrafen.

In einem Interview mit den Tamedia-Zeitungen doppelte die Justizdirektorin nach. Forderungen nach Verschärfungen, wie sie bald auch im Bundesparlament laut wurden, nannte sie «populistisch». «Damit lösen wir kein Problem», sagte sie. Und weiter: Ihr Kollege im Zürcher Regierungsrat habe mit seinen Aussagen «keine Grundsatzkritik» am Jugendstrafrecht üben wollen.

Regierungsrat begrüsst Verschärfungen

Fehr gegen Fehr? Oder doch nicht? Drei SVP-Kantonsräte zeigten sich irritiert ob dem öffentlich ausgetragenen Disput. Mit einer Anfrage im Kantonsparlament verlangten sie Aufklärung. Unter anderem wollten sie vom Gesamtregierungsrat wissen, wie er zum heutigen Jugendstrafrecht stehe.

In der am Donnerstag veröffentlichten Antwort heisst es nun klar: «Der Regierungsrat begrüsst, wenn bei schweren Delikten wie Tötungsdelikten, schwerer Körperverletzung oder Vergewaltigung und Terrorismus eine Verschärfung des Jugendstrafrechts geprüft wird.» Man wolle sich im Rahmen eines allfälligen Rechtssetzungsvorhabens konkret dazu äussern. Das heisst: Jacqueline Fehr fand mit ihrer Position im bürgerlich geprägten, siebenköpfigen Gremium offensichtlich keine Mehrheit.

Die drei SVP-Kantonsräte wollten in ihrer Anfrage auch noch wissen, ob Jacqueline Fehrs Handeln «dem Geiste einer Kollegialbehörde zu- oder abträglich» sei. Schliesslich habe sie ihrem Amtskollegen Mario Fehr auf diversen Plattformen öffentlich und wiederholt widersprochen.

Hierzu antwortet der Regierungsrat mit einer ausführlichen Abhandlung zum Kollegialitätsprinzip. Solange der Regierungsrat zu einer bestimmten Frage keine gemeinsame Haltung festgelegt habe, seien die einzelnen Regierungsratsmitglieder grundsätzlich frei, ihre persönliche Meinung zum Thema zu äussern, heisst es. Das sei auch im vorliegenden Fall so gewesen. Es sei deshalb nicht ersichtlich, dass Grenzen überschritten worden wären.

So viel zur Vergangenheit. Nun jedoch hat sich die Ausgangslage geändert. Der Regierungsrat unterstützt offiziell die Diskussion für ein verschärftes Jugendstrafrecht, wie sie in den letzten Wochen im Bundesparlament geführt wurde und wie sie der Bundesrat nun angeht. So steht es schwarz auf weiss in der Antwort des Gesamtregierungsrats.

Jacqueline Fehrs «Lobby-Offensive» dürfte damit jäh gestoppt sein. Ihr Namensvetter in der Kantonsregierung wird sich derweil ins Fäustchen lachen.

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