Donnerstag, Januar 9

Dass Facebook und Instagram ihre Faktenprüfer abschaffen, trägt Meta-Chef Mark Zuckerberg das Wohlwollen des nächsten US-Präsidenten ein. Das Geschäft in den USA wird einfacher, doch könnte die Kehrtwende andernorts zu neuen Problemen führen.

Die erfolgreichsten Drohungen sind jene, die man nicht umsetzen muss: Nach dieser Maxime hat Donald Trump, der bald seine zweite Amtszeit als US-Präsident beginnen wird, schon immer regiert. Nun hat sie sich einmal mehr bewahrheitet.

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Meta, der Konzern hinter den sozialen Netzwerken Facebook und Instagram, wird in den USA künftig auf die Arbeit von externen Faktenprüfern verzichten. Wie Meta-Chef und -Grossaktionär Mark Zuckerberg in einem fünfminütigen Video einräumt, könnte dies dazu führen, dass auf Facebook künftig mehr Falschinformationen zirkulieren. Dafür wird die Redefreiheit der Nutzer stärker gewichtet.

Zuckerberg kündigte zudem an, gemeinsam mit Trump weltweit gegen Zensur ankämpfen zu wollen; und nannte Europa, Lateinamerika und China als Beispiele hierfür. Der designierte Präsident, der mit Facebook wegen dessen Moderationsrichtlinien seit Jahren im Streit gelegen und dem Konzern gedroht hatte, hat den Schritt am Dienstag in einer Medienkonferenz gelobt.

Dem Sieger gehört das Lob

Zuckerbergs Entscheid ist bloss der letzte Schritt in der bemerkenswerten Kehrtwende eines Unternehmers, der Trump einst regelmässig mit Kritik eindeckte und seine progressiven Werte stolz vor sich her trug. Nun griff er in seinem Video die scheidende Regierung von Joe Biden an: Sie habe US-Firmen zu mehr Zensur angehalten und sie im Ausland zu wenig vor den Begehren anderer Staaten geschützt.

Bereits im Sommer hatte sich Zuckerberg angetan davon gezeigt, wie abgebrüht Trump auf einen Attentatsversuch reagiert hatte. Nach der Wahl ist der 40-Jährige zudem persönlich zu Trump nach Florida gereist, um die Wogen zu glätten.

Der Meta-Chef ist nicht der einzige, der Trumps Nähe sucht. Auch andere Tech-Unternehmer wie Jeff Bezos (Amazon) oder Sundar Pichai (Alphabet), die bei Trump in Ungnade gefallen waren, haben zuletzt einen versöhnlichen Ton angeschlagen. Meta und Amazon haben zudem eine Million Dollar für Trumps Inaugurationsfeier gespendet.

An und für sich ist es nicht ungewöhnlich, dass Unternehmen und ihre Chefs sich in den USA am politischen Wind ausrichten. Sie haben das schon immer getan, in der Hoffnung, dafür Goodwill und ein offenes Ohr im Oval Office zu erhalten. Oft erfolgten solche Neuausrichtungen eher graduell und im Hintergrund. Da Donald Trump die öffentliche Geste aber noch mehr als andere Politiker liebt, werfen sich Zuckerberg und Bezos nun in aller Öffentlichkeit in den Staub, um den erwünschten Effekt zu erzielen.

Trump kann Zuckerberg schaden

Die Anleger reagierten am Dienstag zunächst verhalten auf die Neuigkeiten. Der Aktienpreis von Meta glitt am Dienstag um knapp 2 Prozent zurück; im ähnlichen Umfang wie der Nasdaq-Index, der alle führenden US-Technologie-Titel umfasst.

Die Wahl von Trump hat dem Börsenwert von Meta bisher zwar kaum geschadet, die Aktie wird nahe am Allzeithoch gehandelt. Doch aus geschäftlicher Sicht ergibt es für Zuckerberg Sinn, sich mit der neuen Regierung gut zu stellen, weil Meta von ihrem Wohlwollen profitiert.

Das Unternehmen vermarktet sich zwar zusehends als KI-Pionier und hat es so seit Ende 2022 geschafft, seinen Börsenwert zu verfünffachen. Die Basis der heutigen Gewinne – 15,7 Milliarden Dollar allein im abgelaufenen Quartal – bilden aber weiterhin die Werbeeinnahmen, die es mit seinen etablierten sozialen Netzwerken Instagram und Facebook erzielt.

Die US-Regierung könnte, wenn sie wollte, diese Gewinnmaschine ins Stottern bringen. So hat Trump Brendan Carr zum Chef der Kommunikationsaufsicht FCC ernannt, einen erklärten Kritiker von Meta und Google-Mutter Alphabet.

Carr hat für das umstrittene «Project 2025», eine Sammlung politischer Ideen der konservativen Heritage Foundation für die kommende Regierung, ein Kapital zur FCC verfasst. Darin schlägt er vor, die Tech-Riesen stärker an die Kandare zu nehmen, falls sie weiterhin die Redefreiheit über Gebühr einschränken würden. Bisher war die FCC zwar kaum mit der Aufsicht über die grossen sozialen Netzwerke betraut, das könnte sich unter Trump aber ändern.

Kampf gegen die Kartellbehörden

Auch die etablierten Kartellwächter der USA, das Justizdepartement und die Federal Trade Commission (FTC), könnten Meta gefährlich werden. Die FTC hat 2020, noch zu Trumps erster Amtszeit, ein Verfahren gegen das Unternehmen eröffnet. Meta soll, so der Vorwurf, mit dem Kauf von Whatsapp und Instagram 2014 mögliche Konkurrenz ausgeschaltet und sein Monopol im Betrieb sozialer Netzwerke unrechtmässig aufrechterhalten haben. Im kommenden April kommt es zur Gerichtsverhandlung.

Es wird der FTC nicht leicht fallen, sich vor Gericht durchzusetzen. Heute bestehen mit Youtube, X oder Tiktok durchaus Angebote, die Facebook und Instagram in mancher Beziehung Konkurrenz machen. Trotzdem wäre es für Meta natürlich von Vorteil, wenn das Justizministerium den Fall einstellen oder zumindest weniger aggressiv führen würde, denn die Folgen einer Niederlage könnten einschneidend sein.

Zuckerberg braucht sich bloss das Beispiel von Google vor Augen zu führen: Der Suchmaschinen-Konzern hat jüngst einen ähnlich gelagerten Rechtsstreit gegen das Justizministerium verloren und muss nun möglicherweise seinen Browser Chrome verkaufen, eine wichtige Stütze seiner heutigen Strategie.

Firmen verzichten auf Gesellschaftspolitik

Das Verhalten der Tech-Kapitäne lässt sich darüber hinaus als Teil der scharfen gesellschaftspolitischen Wende sehen, die amerikanische Unternehmen aus allen Branchen derzeit vollziehen. Zuckerberg selbst nannte die Wahl Trumps in seiner kurzen Videoansprache einen «kulturellen Kipppunkt», was die Gewichtung der Redefreiheit gegenüber anderen Anliegen betrifft. Andere Chefetagen haben solche Kipppunkte schon längst ausgemacht, und darauf reagiert.

So wollen sich amerikanische Investmentgesellschaften, Banken und Versicherungen, die vor fünf Jahren noch vollmundig versprochen hatten, sich für mehr Nachhaltigkeit und eine schnelle Transition hin zu erneuerbaren Energien einzusetzen, wieder vermehrt aufs Geschäft konzentrieren. Die selbstauferlegten Vorgaben, sich für ein baldiges Ende des Erdölzeitalters starkzumachen, haben für immer stärkeren Widerstand von republikanischer Seite gesorgt.

Im Nachgang der «Black Lives Matter»-Proteste, die 2020 ihren Höhepunkt erreichten, verpflichteten sich zudem immer mehr amerikanische Unternehmen öffentlich dazu, sexuelle oder ethnische Minderheiten zu fördern und für Gleichberechtigung zu sorgen. Unter dem Titel «DEI» – Diversity, Equity, Inclusion – wurden Personalrichtlinien und Anstellungskriterien umgeschrieben. Selbst auf die Einkaufspolitik wirkten sich DEI-Initiativen aus. Manche Unternehmen versprachen, bevorzugt bei Zulieferern einzukaufen, die sich ihrerseits etwa zur Förderung von Minderheiten bekannten.

Seit Anfang 2024 und lange vor der erneuten Wahl von Donald Trump haben viele Unternehmen jedoch begonnen, ihre DEI-Vorgaben zurückzubauen. Die einen taten das von sich aus und möglichst still und leise; die anderen, nachdem sie von rechten Influencern wie Robby Starbuck angeprangert und mit Boykottaufrufen unter Druck gesetzt worden waren.

Ein digitaler Graben tut sich auf

«Kulturelle Kipppunkte» hin oder her: Sich zu sehr nach Trumps Wünschen zu richten, birgt für die Tech-Konzerne aber auch Risiken, vor allem im Ausland. Zuckerbergs Kritik an Europa oder Lateinamerika deutet darauf hin, dass im Markt für digitale Dienstleistungen bald ein Graben zwischen den USA und dem Rest der Welt zu entstehen droht.

Die amerikanischen Tech-Konzerne haben sich damit arrangiert, dass Diktaturen wie China für sie ausser Reichweite liegen. Im Reich der Mitte sind Instagram und Facebook nicht zugänglich. Doch nun könnten auch Märkte wie Südamerika oder Europa zum Problemfeld werden, falls sie ihre globalen Richtlinien zu sehr am derzeitigen konservativen Geschmack der USA ausrichten.

Bereits warnte ein Sprecher der EU-Kommission Meta davor, die Faktenprüfer auch in der Europäischen Union abzuschaffen. Europa verfügt über scharfe Richtlinien, wie Internetkonzerne gegen Desinformation ankämpfen sollen.

Die amerikanischen Tech-Konzerne stehen in der EU ohnehin seit Jahren unter scharfer Beobachtung und mussten hohe Bussen bezahlen, weil sie den europäischen Vorgaben zum Wettbewerbsrecht oder Datenschutz nicht entsprachen. Erst vor zwei Monaten verhängte die EU-Kommission eine Busse von 800 Millionen Euro gegen Meta, weil das Unternehmen auf Facebook seine Marktmacht ungebührlich ausgenutzt und damit die eigenen Werbekunden geschädigt habe.

Der Milliardär und Trump-Berater Elon Musk, dem die Nachrichtenplattform X gehört, hat sich derweil mit einem Richter am obersten Gericht Brasiliens eine monatelange Fehde um die Moderationsrichtlinien auf X geliefert. Zeitweise wurde die Plattform in Brasilien gesperrt, weil Musk sich weigerte, Dutzende Profile zu blockieren, die Falschinformationen über die Präsidentschaftswahlen von 2022 verbreitet hatten.

Später gab Musk nach, weil X in Brasilien sonst wohl dauerhaft verboten worden wäre. Das Unternehmen zahlte eine Busse von umgerechnet knapp 5 Millionen Franken und kam auch den anderen Wünschen des Richters nach.

Trump könnte nun den Konflikt mit Brasilien oder der EU suchen, um die Interessen der amerikanischen Unternehmen zu schützen – so wie das Zuckerberg in seinem Video fordert. Aber das Wohlergehen von Meta und Co. kann für Trump bloss ein Verhandlungspunkt unter vielen sein, den es mit Brüssel oder Brasilia zu klären gibt. Die Tech-Firmen könnten somit zwischen Hammer und Amboss geraten; Kehrtwende hin oder her.

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