Dienstag, Oktober 1

Die Luxusmeile der Stadt wird zu teuer für das Traditionsgeschäft.

Die Dahlien sind an diesem Julimorgen besonders beliebt. Eine junge Frau, deren Einkaufstaschen auf eine Shoppingtour in den nahen Designerläden schliessen lassen, nimmt sich einen Strauss von der Auslage und betritt den Blumenladen Marsano am Paradeplatz.

Kaum hat sie bezahlt, kommt die nächste Kundin herein, wieder mit Dahlien. So wird es den ganzen Vormittag weitergehen. Nach und nach füllen der Co-Filialleiter Samai Nathongchan und sein Team die Auslage auf.

Marsano ist Zürichs exklusivstes und bekanntestes Blumengeschäft, und es gehört zum Inventar an Zürichs Luxusmeile. 1919 eröffnete Giovanni Marsano im Erdgeschoss des damaligen Hotels Savoy Baur en Ville seinen Laden. Heute hat Marsano fünf Filialen, drei in Zürich und zwei in Bern. Der Laden lebt von Stammkunden und Passanten, beliefert aber auch Hotels, Restaurants, Läden und Arztpraxen in der Stadt mit edlen Sträussen und Gestecken.

Das Geschäft an der Bahnhofstrasse 28 ist das Aushängeschild und der letzte verbleibende Blumenladen an der Bahnhofstrasse, nachdem Blumen Krämer – Zürichs ältester Florist – im Jahr 2011 hatte wegziehen und der Uhrennobelmarke Piaget Platz machen müssen. Doch nach über hundert Jahren kommt es zu einem Bruch: Marsano wird Ende September den Paradeplatz verlassen – weil er sich die Miete nicht mehr leisten kann.

Noch mehr Juwelen statt Blumen

Die Liegenschaft, aus dem eingemieteten Hotel Baur en Ville wurde Ende des letzten Jahres das Mandarin Oriental Savoy, gehörte der Credit Suisse, die letztes Jahr von der UBS übernommen wurde. Offiziell ist das Gebäude in Besitz der Savoy Hotel Baur en Ville AG, an der wiederum die UBS die Mehrheitsbeteiligung hält.

Diese wollte den Mietvertrag nicht mehr zu den bisherigen Konditionen führen, sagt der Marsano-Verwaltungsratspräsident Daniel Galli. Sprich: Die Grossbank kündigte eine happige Mieterhöhung an. Auf einen Zins, der den Weiterbetrieb an dieser Lage unmöglich macht, wie Galli sagt.

Zahlen nennt er keine. Er formuliert es wie folgt: «Wenn die Miete so hoch ist wie der Umsatz, kann der Laden nicht mehr rentieren. Blumen muss man sich leisten können, und wir wollen nicht nur das Topsegment der Kundschaft bedienen.» Unter den neuen Bedingungen wäre ein Weiterbetrieb nicht möglich gewesen.

Die UBS hat deshalb den Vertrag mit Marsano nicht verlängert – sehr zu Gallis Bedauern. «Wir waren über all die Jahre das Schokoladenhäubchen am Paradeplatz», sagt er in Anlehnung an den Sprüngli-Hauptsitz vis-à-vis. Der Blumenladen habe der Bahnhofstrasse gutgetan. «Die Passantinnen und Passanten schätzen es, wenn es hier noch anderes gibt als Uhren und Schmuck.»

Marsano ergeht es nun ähnlich wie vor über zehn Jahren dem Geschäft Blumen Krämer: Sein Ladenlokal am Paradeplatz übernimmt der von der Swatch-Gruppe geführte Juwelier Harry Winston, der direkt nebenan eingemietet ist und so die Ladenfläche vergrössern kann. Sehr zu Gallis Bedauern. «Das Angebot an der Bahnhofstrasse wird mehr und mehr zu einem Einheitsbrei», sagt er.

Eine UBS-Sprecherin wollte die Zinserhöhung gegenüber der NZZ nicht kommentieren. Man äussere sich nicht zu einzelnen Mietverhältnissen.

Langfristige Verträge werden kaum noch abgeschlossen

Galli verfolgt die Entwicklung der Mieten an der Bahnhofstrasse schon lange. Und er hat miterlebt, wie viele Traditionsgeschäfte aufgeben oder wegziehen mussten. Erst kürzlich wurde bekannt, dass das Edelkaufhaus Grieder unfreiwillig aus dem ikonische Gebäude am Paradeplatz auszieht. Die Swatch-Gruppe, der das Gebäude gehört, wollte den bis Ende Jahr laufenden Mietvertrag nicht verlängern. Grieder wechselt nun an die Bahnhofstrasse 3.

Auch in der Marsano-Filiale am Paradeplatz habe sich eine Veränderung abgezeichnet, sagt Galli. In den letzten Jahren seien nur noch befristete Mietverträge gesprochen worden. Das sei früher anders gewesen: «Wir hatten auch schon einen Vertrag, der über zwanzig Jahre lief.» Das sei heute undenkbar. Und Floristik an einer Toplage zu betreiben, werde immer schwieriger.

Galli weiss, wovon er spricht. Er ist Mitinhaber eines familiengeführten Blumengrosshandels mit Sitz in Wangen bei Dübendorf, der Blumengeschäfte und Hotels in der ganzen Schweiz beliefert. Im Jahr 2001 hat das Unternehmen Marsano übernommen.

Der Wegzug vom Paradeplatz schmerzt Galli. Doch Marsano wird nicht aus der Innenstadt verschwinden. Die Filiale zieht um an die Bärengasse 5, knapp zwei Gehminuten vom heutigen Standort entfernt. An der Bärengasse war zuletzt das Seidenlabel Fabric Frontline eingemietet.

Die Liegenschaft ist Teil des ehemaligen Credit-Suisse-Hauptsitzes. Somit bleibt die UBS auch nach dem Umzug Vermieterin. Die Grossbank habe bei der Suche nach einem neuen Standort geholfen, sagt Galli, und die Konditionen im neuen Vertrag seien gut. «Dafür sind wir dankbar.»

Der Filialleiter Samai Nathongchan freut sich gar auf den Umzug und sieht Vorteile. Künftig befänden sich alle Räumlichkeiten auf einer Etage, was dem Personal die Arbeit erleichtere. Zudem sei die Ladenfläche im neuen Lokal grösser, ebenso der Aussenbereich. «So können wir mehr von unserer Ware präsentieren.»

Er ist sich sicher, dass der grösste Teil der Stammkundschaft erhalten bleibt. «Veränderung muss nichts Schlechtes sein», sagt Nathongchan. Der gebürtige Thailänder führte in seinem Heimatland selbst einen Blumenladen und belieferte das Königshaus, bevor er vor über zwanzig Jahren in die Schweiz zog.

Auch Daniel Galli ist zuversichtlich, dass der Laden an der Bärengasse funktionieren wird. Für einen sanften Übergang werden die Filialen einen Monat lang parallel betrieben, diejenige am Paradeplatz mit einem verkleinerten Sortiment.

An der neuen Lage bleibt die Umgebung ebenfalls vornehm. Gleich nebenan betreibt der Künstler und Unternehmer Dieter Meier das gut frequentierte Restaurant Bärengasse. «Davon werden wir profitieren können», sagt Galli. «Blumen brauchen Passanten, sie müssen gesehen werden.»

Am liebsten würde er ein weiteres Lokal im Seefeld oder am Bellevue eröffnen – wenn denn die Konditionen stimmen.

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