In den USA breitet sich derzeit eine Masernepidemie aus. Erstmals seit zehn Jahren ist ein Kind an der Krankheit gestorben. Auch in Europa erreichten die Fälle im vergangenen Jahr einen Höchststand.
Masern gehören zu den hoch ansteckenden Infektionskrankheiten. Sie übertragen sich über Tröpfchen und Aerosole, die beim Sprechen, Husten oder Niesen entstehen. Symptome sind Fieber, Hautausschläge und rote Augen. In schweren Fällen folgen Lungen- oder Hirnhautentzündungen. Masern können aber auch zu Blindheit, Taubheit oder geistiger Behinderung führen. Schlimmstenfalls endet die Krankheit tödlich.
In den letzten zwanzig Jahren galten Masern in vielen Ländern als ausgerottet. Doch im Süden der USA breiten sie sich nun wieder aus.
Der Ausbruch begann im Januar in den Gliedstaaten Texas und New Mexico. Bis zum 11. März bestätigten die Behörden über 250 Fälle. In den USA galten Masern eigentlich seit 2000 als eliminiert. Seither gab es nur sehr wenige Fälle, die hauptsächlich auf Reisende aus dem Ausland zurückzuführen waren.
In den USA sinkt die Impfquote
Nun führte der jüngste Ausbruch zu den ersten Masern-Todesfällen in den USA seit zehn Jahren. Ein sechsjähriges Kind aus dem Gliedstaat Texas starb in einem Spital. In New Mexico starb ein Erwachsener, der postum positiv auf Masern getestet wurde. Die Ermittlungen zur Todesursache laufen noch. Laut amerikanischen Medienberichten steht jedoch fest: Beide Opfer waren nicht geimpft. Und so wird in den USA nun wieder über die Impfskepsis diskutiert.
Gesundheitsexperten befürchten, dass die niedrige Impfrate die Eindämmung des Ausbruchs erschwert. Seit der Corona-Pandemie sinkt die Impfquote in den USA. In vielen Gliedstaaten liegt sie unter 95 Prozent – der Schwellenwert, der nötig ist, um Gemeinschaften und auch Personen, die nicht geimpft sind, zu schützen. «Hat Covid die Tür zum Ausbruch der Masern geöffnet?», fragte die «New York Times».
Besonders betroffen vom jüngsten Ausbruch ist laut Medienberichten die mennonitische Gemeinschaft, eine grosse Freikirche. Diese steht der modernen Medizin oft kritisch gegenüber und hat eine niedrige Impfquote.
Der neue Gesundheitsminister Robert F. Kennedy, der als grosser Impfskeptiker gilt, befeuerte die Diskussion. Kennedy spielte den Ausbruch anfänglich herunter und bezeichnete den Tod des Kindes als «nicht ungewöhnlich». Die Regierung schickte 2000 Dosen des MMR-Impfstoffs nach Texas. Doch Kennedy rief nicht explizit zur Impfung auf, was ihm wiederum angelastet wurde.
Kennedy betonte zuerst, dass die Entscheidung zur Impfung individuell sei und eine gute Ernährung ebenfalls vor infektiösen Krankheiten schütze. Dem widersprechen selbstredend viele Experten. Den Impfstoff bezeichnete Kennedy als nicht dauerhaft wirksam – was laut der amerikanischen Gesundheitsbehörde falsch ist. Zwei Dosen böten einen Schutz von 97 Prozent, schon eine Impfung schütze zu 93 Prozent.
Der starke Anstieg der Fallzahlen hat Kennedy nun dazu bewegt, seine Haltung zu überdenken. Er befürwortet nun die Immunisierung gegen Masern. In einem Kommentar bei «Fox News» zeigte er sich «tief besorgt» über den jüngsten Ausbruch. «Impfstoffe schützen nicht nur einzelne Kinder vor Masern, sondern tragen auch zur Immunität der Gemeinschaft bei und schützen diejenigen, die aus medizinischen Gründen nicht geimpft werden können.»
«Masern sind zurück – und das ist ein Weckruf»
Doch nicht nur im Südwesten der USA steigen die Fallzahlen. Auch in Europa breiten sich Masern wieder aus. 2024 seien über 127 000 Fälle gemeldet worden, teilte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) am Freitag mit. Das sei doppelt so viel wie 2023 und die höchste Zahl seit 1997. Rumänien meldete 2024 mit 30 692 Fällen die höchste Zahl.
Laut der Analyse, die die WHO in Zusammenarbeit mit Unicef erstellt hat, führte die Hälfte der Infektionen zu einem Spitalaufenthalt. Laut vorläufigen Daten seien 38 Todesfälle gemeldet worden.
Die Zahlen stiegen besonders nach dem Rückgang der Impfquoten während der Corona-Pandemie. In vielen Ländern hätten sich die Impfraten noch nicht wieder auf das Niveau vor der Pandemie bewegt, wodurch das Risiko von Ausbrüchen weiter steigt. Dr. Hans P. Kluge, der WHO-Regionaldirektor für Europa, wird in der Mitteilung zitiert: «Masern sind zurück – und das ist ein Weckruf. Ohne hohe Impfquote gibt es keine Gesundheitssicherheit.» Jedes Land müsse seine Anstrengungen verstärken, um ungeimpfte Gemeinschaften zu erreichen. «Das Masernvirus ruht nie – und wir dürfen es auch nicht.»
2024 entfiel ein Drittel aller weltweit gemeldeten Masernfälle auf Europa. Laut der Mitteilung hätten allein im Jahr 2023 rund 500 000 Kinder die erste Masernimpfung verpasst. Besonders betroffen sind Bosnien-Herzegowina, Montenegro, Nordmazedonien und Rumänien. In diesen Ländern erhielten laut WHO weniger als 80 Prozent der impfberechtigten Kinder die erste Impfung – weit unter der benötigten 95-Prozent-Quote für die Herdenimmunität.
In Bosnien und Herzegowina sowie Montenegro lag die Quote in den letzten fünf Jahren konstant unter 70 beziehungsweise 50 Prozent.
Hohe Dunkelziffer befürchtet
Auch in Texas verzichteten immer mehr Eltern auf die routinemässigen Kinderimpfungen gegen Masern und andere Infektionskrankheiten, schreibt die Lokalzeitung «Houston Chronicle». Von rund 160 erfassten Fällen im Gliedstaat waren laut der lokalen Gesundheitsbehörde 80 nicht geimpft. Bei 74 sei der Impfstatus unklar, und fünf Personen erkrankten trotz Impfung.
Wie schnell der Ausbruch eingedämmt werden kann, wird sich zeigen. Katherine Wells, die Direktorin für öffentliche Gesundheit in der texanischen Stadt Lubbock, sagte der «New York Times», sie gehe von einer hohen Dunkelziffer aus: «Ich vermute, dass nicht alle Masern-Fälle erfasst sind und es Hunderte von Infizierten gibt.»