Mittwoch, Januar 8

In einem bulgarischen Städtchen sind in grosser Zahl Bergfinken verendet. Der Vorfall wirft ein Schlaglicht auf die schädlichen Effekte von Feuerwerken auf die Tierwelt.

Im bulgarischen Ort Kopriwschtiza haben Feriengäste auf dem Neujahrsspaziergang einen düsteren Fund gemacht. In einem Wäldchen in der Nähe der Kleinstadt östlich von Sofia lagen an mehreren Stellen jeweils Dutzende toter Bergfinken im Schnee.

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Kopfverletzungen und innere Blutungen

Mittlerweile hat die Tierschutzorganisation Seleni Balkani (zu Deutsch «Grüner Balkan»), die von den Spaziergängern informiert worden war, laut eigenen Angaben mehr als 1000 Kadaver geborgen. Die Finkenart steht in Bulgarien unter Artenschutz. Einige Dutzend verletzte Tiere wurden in Obhut genommen. Seleni Balkani macht nach der Obduktion der Kadaver Silvesterfeuerwerk für das Massensterben verantwortlich.

«Die Vögel weisen Kopfverletzungen und innere Blutungen auf», sagt die für Seleni Balkani tätige Veterinärin Christina Klisurowa im Gespräch. Die tagaktiven Tiere seien in der Nacht aufgeschreckt worden und dann im Stress gegen Äste und Stämme geflogen.

Das deute klar auf einen Zusammenhang mit Neujahrsfeuerwerken hin. Vergiftungen oder Infektionen wie die Vogelgrippe habe man bei der Untersuchung als Todesursache eindeutig ausschliessen können. Die nationale Umweltbehörde hat die Polizei aufgefordert, Ermittlungen wegen Verdachts auf ein Umweltverbrechen aufzunehmen.

Fokus auf Lärmbelastung

Der Vorfall hat in den sozialen Netzwerken teilweise hitzige Debatten über die «fojerwerki» ausgelöst, wie sie in Bulgarien genannt werden. Wie vielerorts schiessen in Bulgarien Menschen zum Jahreswechsel Raketen und Böller ab. Hinzu kommen die organisierten Feuerwerke von Gemeinden und Hotels.

Anders als in Deutschland und zunehmend auch der Schweiz spielen in der bulgarischen Debatte um Sinn und Unsinn der Neujahrsböllerei Sicherheitsfragen keine grosse Rolle. Im Fokus stehen die Lärmbelastung und deren Folgen.

Der Bürgermeister von Sofia, ein ehemaliger IT-Unternehmer, hat an diesem Jahreswechsel bereits zum zweiten Mal auf ein Feuerwerk verzichtet und stattdessen eine Lichtshow organisiert. Die Massnahme begründete er ausdrücklich mit Rücksichtnahme auf alle Menschen und Tiere, die sich vor Explosionen fürchten. Private Feuerwerke sind in der bulgarischen Hauptstadt zwar nicht verboten, dürfen aber nur am Silvesterabend bis zwei Uhr morgens gezündet werden. Sonst drohen empfindliche Bussen.

Nur dramatische Vorfälle erregen Aufmerksamkeit

Die Bürgermeisterin von Kopriwschtiza, Maria Toromanowa, bestreitet einen Zusammenhang zwischen den toten Vögeln und den örtlichen Feierlichkeiten und fordert eine unabhängige Untersuchung. Das Feuerwerk sei in diesem Jahr geringer ausgefallen als früher, sagt die Politikerin, die einen Imageschaden fürchtet, gegenüber der Nachrichtenagentur BTA. Ausserdem hätten sonst ja auch andernorts Vögel zu Tode gekommen sein müssen.

Feriengäste haben die toten Vögel auf einem Spaziergang entdeckt. Anschliessend wurde ein Teil der Kadaver untersucht.

Laut der Tierärztin Klisurowa ist dies höchstwahrscheinlich auch der Fall, bloss in geringerem und deshalb meist unbemerktem Ausmasse. Bei Kopriwschtiza halte sich zurzeit ein riesiger Schwarm von mehr als hunderttausend Bergfinken auf. Daher rühre auch die grosse Zahl von Todesfällen.

Der im Sommer in Skandinavien lebende Zugvogel verbringt den Winter in südlicheren Gefilden Europas, auch in der Schweiz. Unter bestimmten Bedingungen bilden sich dabei sehr grosse Schwärme.

Schädlicher Effekt auf Tierwelt ist bekannt

Auch Livio Rey von der Vogelwarte Sempach weist darauf hin, dass hohe Fallzahlen an einem Ort zu einer verzerrten Wahrnehmung des Phänomens führen könnten. Zu den Hintergründen des bulgarischen Falls lägen ihm jedoch keine konkreten Informationen vor.

Ganz allgemein sei es aber ein Trugschluss, dass es sich bei einem spektakulären Vorfall, wie er im Umfeld grosser Schwärme eher vorkomme, um ein Einzelereignis handeln müsse. Wenn viele einzelne Vögel sterben, falle dies aber nicht so auf und bleibe deshalb eher unbemerkt.

Dass Feuerwerke eine grosse Störung für Tiere darstellten, wildlebende und domestizierte, sei gut dokumentiert, sagt Rey. Besonders zu Vögeln gebe es mehrere Untersuchungen, die etwa zeigten, wie sich die Tiere in der Silvesternacht viel länger in der Luft aufhielten als gewöhnlich und dadurch lebenswichtige Energiereserven verbrauchten. «Dass sich einige Vögel verletzen, wenn sie mitten in der Nacht im Wald aufgeschreckt werden und die Flucht ergreifen, ist durchaus möglich.»

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