Mittwoch, Oktober 9

Der deutsche Schriftsteller hat erstmals ein Studioalbum herausgebracht. Es lebt vor allem von der sprachlichen Verve. Die Musik dient der Unterfütterung der Texte.

Seit Bob Dylan 2016 den Nobelpreis für Literatur gewonnen hat, weiss man, dass sich Musiker zuweilen als Dichter behaupten können. Möglich ist aber auch ein umgekehrter Weg, wie zurzeit Maxim Biller zeigt. Der deutsche Schriftsteller hat sich parallel zu seiner literarischen Karriere wiederholt als Singer/Songwriter versucht. Jetzt aber bringt er erstmals ein Studioalbum heraus, das er mit dem Berliner Produzenten und Multi-Instrumentalisten Malakoff Kowalski erarbeitet hat. Das Werk verdankt seinen Titel dem Entstehungsort: «Studio».

Man kann sich die Verlockung vorstellen, die Pop für einen Schriftsteller bedeuten mag: Als Alternative zu trockenen Lesungen bieten Songs einerseits die performative Möglichkeit, direkter in Kontakt mit einem Publikum zu treten. Musik verleiht Texten überdies einen emotionalen Schub, so dass sie mitten in Herz und Seele treffen.

Gewitzte Geschichten

Einem Maxim Biller, der als Kritiker und Kommentator vor Mikrofonen und Kameras schon viele Erfahrungen gesammelt und sein Charisma unter Beweis gestellt hat, traut man das Talent zum poppigen Singer/Songwriter zwar durchaus zu. Das Texten entspricht ohnehin seiner literarischen Profession. Als grössere Herausforderung dürfte sich aber der Gesang erweisen.

Das erste Lied des Albums beginnt indes mit flauschigen, schäumenden Gitarrenakkorden, die förmlich zum Singen einladen. Und sobald der hüpfende Bass einen Weg vorgibt, der mit diskreter Perkussion rhythmisch getaktet wird, verfällt der Autor in lockeren Sprechgesang, ohne die Stimme zu forcieren.

Die Easy-Listening-Anklänge des Arrangements lassen inhaltlich eine Affäre oder Liebelei erwarten. In seinem klaren, leicht gehauchten Sprechgesang aber überrascht Biller zunächst mit Strophen über etwas ganz anderes: zum Thema wird ein deutscher Minister – genauer: ein Interview mit einem deutschen Minister. Zuletzt liefert der Song allerdings eine Pointe, die sich dann doch in das klangliche Framing fügt. Der Politiker nämlich hat sich in den Journalisten verliebt; von «amour fou» ist gar die Rede.

Maxim Biller:  Die Kriegsreporterin

Wie in «Der Minister» folgen Billers Songs oft dem roten Faden einer prägnanten Erzählung. Einmal singt er von einem Neider, der mit wachsender Aggression das glamouröse Leben eines Prominenten beobachtet. Ein andermal schildert er die Liebe zu einer Kriegsreporterin, die den Tod findet in ihrem Beruf. Dann wiederum wird eine junge Frau zum Thema, die nach Berlin zieht, um sich hier ganz den Lockungen der Grossstadt hinzugeben.

Aber auch wenn der Songwriter mit lakonischem Gestus und gespieltem Ennui manchmal bloss persönliche Eindrücke und schmerzliche Gefühle suggeriert, dominiert die sprachliche Verve.

Es gibt dabei wenig expressive Wechselwirkungen zwischen Text und Musik; Letztere fungiert zumeist als Unterfütterung. In enger Verbindung mit dem Mikrofon lässt Billers Stimme zwar die unterschiedlichen Timbres von Geflüster oder kehligem Brustton erkennen. Als Sänger erinnert er dabei an hauchende und flirtende Vokalisten wie Serge Gainsbourg, Leonard Cohen, Hildegard Knef. Weil er aber fast durchwegs auf Diskretion setzt, fehlt es an fiebrigem Ausdruck, an schwärmerischem Nachdruck.

Etwas mehr Dringlichkeit

Tatsächlich lässt sich Biller nicht auf dynamische Überraschungen oder expressive Extreme ein. Die Begleitung wechselt zwar den Takt und das Tempo. Billers Melodien sind jedoch stets von einer ruhigen Dünung getragen. Es gibt auch kaum Refrains, über die sich der Sänger in Hitze oder Rage steigern könnte. Bisweilen sorgen die Instrumente für Dichte und Überschwang – aber dann geht das prompt auf Kosten der sprachlichen Verständlichkeit.

Die gesangliche Zurückhaltung lässt zwar eine gewisse Reife erkennen. Der 63-jährige Sänger macht weder den Clown noch den Rebellen. Trotzdem raubt die Gleichförmigkeit dem Album insgesamt die Spannung. Billers Geschick und Musikalität zeigt sich weniger im Album als in einzelnen Songs. Zum Beispiel in einer Ballade über die irisch-amerikanische Journalistin Maeve Brennan, wo plötzlich mehr Hitze im Gesang zu spüren ist. Einmal singt er russisch, um sich förmlich in den Klang der Worte zu lehnen. In «6 Uhr 30» macht Maxim Biller den 7. Oktober zum Thema. Und sowie sich sein Engagement ausbreitet im Song, gewinnt die Musik an Dringlichkeit.

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