Mittwoch, Januar 15

Die Milliardenkorrektur des Bundes sorgt für Theater und Irritationen. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Ja, was gilt denn nun? Das mögen sich viele gefragt haben, die am Mittwoch die «Tagesschau» von SRF gesehen haben. Da hiess es plötzlich, der Bund habe sich bei der AHV um 14 Milliarden Franken verrechnet. Dabei war tags zuvor die Rede von einer Differenz von 4 Milliarden gewesen – und schon dies war peinlich genug. Ist nun alles noch viel dramatischer? Die wichtigsten Fragen im Überblick.

Wie werden aus 4 Milliarden plötzlich 14?

Kurze Antwort: mittels einer simplen Addition. Längere Antwort: Die 4 Milliarden Franken beziehen sich auf ein einziges Jahr (2033). In diesem Jahr fallen die Ausgaben der AHV gemäss den neuen Zahlen um 4 Milliarden tiefer aus als bisher angenommen (total 67 statt 71 Milliarden). Weil aber die fehlerhaften Formeln logischerweise auch für die Jahre zuvor angewendet worden waren, mussten die Ausgaben in diesen Jahren ebenfalls nach unten korrigiert werden. Darauf hat das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) bereits am Dienstag von sich aus hingewiesen und entsprechende Grafiken veröffentlicht. Wenn man die Differenzen der Jahre 2024 bis 2033 kumuliert, kommt man auf die von der «Tagesschau» vermeldeten 14 Milliarden.

Welche Zahl ist relevant?

Sicher aussagekräftig sind die 4 Milliarden. Wie sich die jährlichen Ausgaben der AHV verändern, beeinflusst direkt den Finanzbedarf des Sozialwerks. Banal formuliert: Sind die Ausgaben in einem bestimmten Jahr eine Milliarde tiefer, benötigt die AHV in diesem Jahr eine Milliarde weniger Lohnbeiträge und Steuern. Die Aussage mit den 14 Milliarden hingegen ist wenig hilfreich – vor allem, weil der Zeitraum völlig willkürlich ist. Man stelle sich vor, das BSV hätte einen anderen Zeithorizont gewählt. Es hätte zum Beispiel mit Verweis auf die mittelfristigen Unsicherheiten Zahlen nur bis ins Jahr 2030 vorlegen können. Dann müsste sich das Amt nun nach «Tagesschau»-Logik bloss vorwerfen lassen, sich um 4,4 Milliarden verrechnet zu haben. Hätte es hingegen wie im Frühjahr Zahlen für einen längeren Zeitraum bis 2040 publiziert, nähmen die kumulierten Abweichungen erst recht exorbitante Ausmasse an.

Welche Zahlen sind für die Zukunft der AHV entscheidend?

Es sind primär zwei. Erstens: das jährliche Umlageergebnis. Dieses zeigt, ob die AHV stabil finanziert ist. Es entspricht den Einnahmen minus die Ausgaben. Nicht berücksichtigt sind dabei die Einnahmen aus dem Kapital des AHV-Fonds; diese können in guten Börsenjahren einen Beitrag leisten, für eine solide Finanzierung des Sozialwerks sind sie aber nicht entscheidend. Zweitens: der Stand des AHV-Fonds. Er zeigt an, wie gross die Reserven des Sozialwerks sind, die aus früheren Überschüssen über die Jahrzehnte aufgebaut worden sind. Generell kommt die AHV mit relativ geringen Reserven aus, weil sie im Umlageverfahren finanziert ist – das Geld fliesst quasi in Echtzeit von den Erwerbstätigen zu den Pensionierten. Ein solcher «Durchlauferhitzer» braucht die Reserven vor allem, um immerwährende Liquidität sicherstellen zu können – auf dass alle Ausgleichskassen im ganzen Land Monat für Monat sämtliche Renten pünktlich auszahlen können. Zurzeit sind es 4,2 Milliarden Franken im Monat.

Wie verändern sich die Umlageergebnisse in den nächsten Jahren? Und was bedeutet das für uns alle?

Weil die Ausgaben weniger stark wachsen, fallen auch die Umlageergebnisse besser aus. Besser heisst aber nicht gut. Auch nach den neuen Zahlen ist davon auszugehen, dass die AHV nach der Einführung der 13. Rente im Jahr 2026 unmittelbar das erste Umlagedefizit einfahren wird. Voraussichtlich fehlen in diesem Jahr 580 Millionen Franken (bisherige Annahme: 790 Millionen). In den folgenden Jahren nehmen die Finanzierungslücken zu, wenn auch weniger stark als bisher angenommen. Im Jahr 2033 beträgt das mutmassliche Defizit nach neuen Zahlen 4,2 Milliarden Franken (bisherige Annahme: 7,5 Milliarden). Damit reduziert sich der Sanierungsbedarf deutlich, doch er verschwindet nicht. Die denkbaren Massnahmen sind allesamt unpopulär: höhere Lohnbeiträge, höhere Steuern, höheres Rentenalter, Reform der Witwenrenten, Erschliessung neuer Einnahmequellen. Was immer die Politik davon beschliessen wird: Die Massnahmen müssen weniger rasch erfolgen und weniger rigoros ausfallen.

Können Bundesrat und Parlament jetzt einfach abwarten?

Sicher ist eines: Wenn sie sich an das Recht halten wollen, sollte die Verzögerung nicht allzu lange dauern. Das Gesetz schreibt vor, dass der Stand des AHV-Fonds «in der Regel» nicht unter 100 Prozent der jährlichen Ausgaben fallen darf. Diese Grenze wird nach den neuen Zahlen wohl bereits 2027 unterschritten. Die gesetzliche Vorgabe lässt jedoch einen gewissen Spielraum, den das Parlament nutzen dürfte. Laut den Fachleuten des Bundes sollte man aber nicht zu lange warten. Denn der Trend ist weiterhin klar, ohne Gegenmassnahmen würden die Umlagedefizite mit den Jahren zunehmen, würde der Fonds zusehends wegschmelzen. Und je länger man wartet, umso mehr Geld muss später eingeschossen werden bzw. umso stärker müssen die Leistungen reduziert werden, um nachträglich wieder auf 100 Prozent zu kommen. Und umso stärker werden damit auch die Lasten auf die nachfolgenden Generationen abgeschoben.

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