Der Spitzenkandidat hat mit Äusserungen über die SS für Empörung gesorgt. Für die Partei hat der Vorgang weitreichende Auswirkungen.

Die AfD hat ein Auftrittsverbot gegen ihren Spitzenkandidaten für die Europawahl im Juni, Maximilian Krah, verhängt. Das teilte ein Parteisprecher am Mittwoch mit. Zudem zieht sich Krah nach europaweit kritisierten Äusserungen zur SS aus dem Bundesvorstand seiner Partei zurück. Auch will er nicht mehr im Wahlkampf auftreten, wie er auf der Plattform X schrieb. Krah distanzierte sich von seinen Äusserungen in der Sache nicht. Seinen Schritt begründete er mit der Sorge um die Einigkeit der Partei.

«Ich nehme zur Kenntnis, dass sachliche und differenzierte Aussagen von mir als Vorwand missbraucht werden, um unserer Partei zu schaden. Das Letzte, was wir derzeit brauchen, ist eine Debatte um mich. Die AfD muss ihre Einigkeit bewahren. Aus diesem Grunde verzichte ich ab sofort auf weitere Wahlkampfauftritte und trete als Mitglied des Bundesvorstands zurück», schrieb er auf X.

Vorausgegangen war eine Sondersitzung des Bundesvorstands seiner Partei. Krah habe den Gremien zur Kenntnis gegeben, die volle politische Verantwortung zu übernehmen und mit sofortiger Wirkung sein Mandat im Bundesvorstand niederzulegen, erklärte ein AfD-Sprecher. Sein konsequenter Rückzug aus der Öffentlichkeit sei mehrheitlich begrüsst worden.

Die Sitzung wurde anberaumt, nachdem Europas Rechtsparteien nach Krahs Äusserungen zur SS auf Distanz zur deutschen Schwester gegangen waren. In der AfD sorgte das für Alarmstimmung.

Am Dienstag hatte das französische Rassemblement national von Marine Le Pen angekündigt, künftig nicht mehr in einer gemeinsamen Fraktion mit der AfD im Europäischen Parlament zu sitzen. Wenig später schloss sich die italienische Lega von Matteo Salvini der französischen Position an. «Matteo Salvini und Marine Le Pen sind sich wie immer vollkommen einig», hiess es seitens der Delegation der Lega im Europäischen Parlament. Bislang sind die Parteien in der Fraktion Identität und Demokratie gemeinsam organisiert.

Die AfD ist in der Defensive

Krah, formal immer noch Spitzenkandidat der AfD bei der Europawahl am 9. Juni, hatte sich am Wochenende im Interview mit der italienischen Zeitung «La Repubblica» zur SS eingelassen und vor Generalisierungen gewarnt. «Ich werde nie sagen, dass jeder, der eine SS-Uniform trug, automatisch ein Krimineller war», sagte Krah. Dies sorgte sowohl in Italien wie in Frankreich für Empörung. Beide Länder pflegen die Erinnerung an die Verbrechen, die während des Zweiten Weltkriegs von der SS begangen wurden.

Der CSU-Generalsekretär Martin Huber forderte Krah auf, von allen Ämtern zurückzutreten und auf seinen Sitz im Europaparlament zu verzichten.

Für die AfD ist die jüngste Aufregung um Krah auf mehreren Ebenen höchst problematisch. Unmittelbar fürchtet man in der Partei die Auswirkungen auf die Europawahl am 9. Juni. Der Wahlkampf befindet sich jetzt schliesslich in seiner heissen Phase. Er wurde von Anfang an von Vorwürfen gegen Krah und den Zweitplatzierten auf der Europaliste, Petr Bystron, überschattet. Die Partei ist seither in der Defensive und tut sich schwer damit, eigene Themen zu setzen.

Nach Spionagevorwürfen gegen einen langjährigen Mitarbeiter Krahs im Europäischen Parlament wurde entschieden, den Wahlkampf mit Krah einzudämmen. So taucht er nicht auf Wahlplakaten und in Werbevideos auf. Gegen Bystron wurden in der vergangenen Woche Ermittlungen wegen des Anfangsverdachts der Bestechlichkeit und der Geldwäsche aufgenommen.

Weite Teile der Partei pochen auf die Unschuldsvermutung. Dass die juristischen Massnahmen gegen Krahs mittlerweile entlassenen Mitarbeiter und Bystron wenige Wochen vor der Europawahl erfolgten, ist aus ihrer Sicht zudem kein Zufall. Sie behaupten eine politische Instrumentalisierung der Justiz.

Selbst den europäischen Schwesterparteien zu rechts

Grosse Teile der Wählerschaft scheinen dieser Einschätzung zu folgen oder die Vorwürfe gar nicht zur Kenntnis zu nehmen. So rangiert die Partei in den Umfragen mit etwa 17 Prozent immer noch an zweiter Stelle hinter der Union. Die Tendenz ist aber fallend.

Im Vergleich zum April verlor die AfD laut einer in der vergangenen Woche veröffentlichten Umfrage des Instituts Insa zwei Prozentpunkte. Als relativierend und revisionistisch wahrgenommene Äusserungen zur NS-Geschichte könnten auf Protest- und Wechselwähler zusätzlich abschreckend wirken. Dass zudem europäische Rechtsparteien auf Distanz zur AfD gehen, dürfte manche Wähler ebenfalls stärker beeindrucken als die gewohnte Kritik durch politische Mitbewerber links von der AfD. Die Partei muss fortan mit dem Makel leben, dass sie selbst ihren europäischen Schwesterparteien zu rechts ist.

Für die AfD stellt sich zudem die Frage, wie sie im Europäischen Parlament nach der Wahl ohne Verbindung zu den grossen europäischen Rechtsparteien überhaupt gestalterisch tätig sein kann. Ihre Erzählung, Teil eines gesamteuropäischen rechten Aufbruchs zu sein, läuft so ins Leere.

Durch Krahs Äusserungen wird die AfD auch angreifbarer für den politischen Gegner in Deutschland. Prominente Politiker wie die SPD-Chefin Saskia Esken oder der christlichdemokratische Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen Hendrik Wüst haben die AfD wiederholt als Nazipartei bezeichnet. Dieser Terminologie schlossen sich bisher bei weitem nicht alle deutschen Spitzenpolitiker an.

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