Samstag, Oktober 12

Mit dem Zeppelin DS8 präsentierte Maybach in den Zwischenkriegsjahren eine Luxuslimousine mit Zwölfzylindermotor und bis zu acht Litern Hubraum. Heute versucht der Hersteller die Kunden immer noch mit Opulenz zu begeistern – nur ganz anders.

Ein Doppel-M ziert die Front. Mächtig, stolz, wie das ganze Auto. Weit geschwungene Kotflügel, dazwischen eine lange Motorhaube. Darunter verbirgt sich einer der voluminösesten Verbrennungsmotoren der Automobilgeschichte: ein 8,0-Liter-V12.

Mit dem Maybach Zeppelin DS8 konstruierte Wilhelm Maybach um 1930 ein wahres Luxusfahrzeug. DS steht für Doppel-Sechszylinder, die Zahl steht für den Hubraum in Litern. Der Maybach kostete 1930 als «Transformations-Kabriolett» 36 000 Reichsmark – der Wert eines mehrstöckigen Eigenheims. Purer Luxus.

Der Motor leistete 200 PS und ermöglichte eine Spitzengeschwindigkeit von 170 km/h in einer edlen Kabine. Das war zwar nicht einmalig, Bugattis Type 41 Royal mit einem 12,6-Liter-Achtzylinder-Reihenmotor verkaufte Ettore Bugatti ab 1926 an Könige und Kaiser. Doch Maybach setzte auf den damals prestigeträchtigen V12 und eine überlegene Kraftübertragung. In einer Zeit, in der Autofahrer ihre Gänge mit lauten Nebengeräuschen in einem unsynchronisierten Getriebe wechselten, konstruierte Maybach ein Doppel-Schnellgang-Getriebe (DSG) mit unterdruckbetätigter Vorwählschaltung.

Eine Probefahrt beweist die Zeitlosigkeit

Das Flair der oberen zehntausend hat der DS8 in die Neuzeit hinübergerettet, wie eine Begegnung mit dem Wagen zeigt. Auch heute noch öffnet die grosse Tür so schwer wie vor 94 Jahren, gibt den opulenten Innenraum frei. Vorne sitzt der Chauffeur, die feine Gesellschaft nimmt im Fond Platz. Es ist eher ein Aufsteigen als ein Einsteigen, so hoch liegt der Innenraum. Weiche und bequeme Ledersitze sacken direkt tief ein, wenn die Personen Platz nehmen.

Eine grosse Anzahl von Bordinstrumenten auf einem wuchtigen Holzarmaturenbrett informiert den Chauffeur. Kilometerzähler, Benzinuhr, Uhr, Kühlwasser-Temperaturanzeige und Ölmanometer zählen ebenso zur Ausstattung wie Vakuummeter für die Servobremse und Instrumenten-Beleuchtung.

Mit einer leichten Handbewegung lässt sich der Zündschlüssel drehen, und die Kontrollleuchte leuchtet rot auf. Nur noch den Startknopf drücken, und der Anlasser bewegt heulend die Kurbelwelle – bis das Triebwerk endlich zündet und rundläuft. Grummelig tief verfällt der V12 in seinen Leerlauf, blubbert ein paar Töne aus dem Auspuff.

Jetzt nur noch die Richtungswahl für Vorwärts- und Rückwärtsgang in die Vorwärtsposition stellen, die Gangvorwahl-Hebel auf dem Lenkrad in die gewünschte Position legen, Gas geben und langsam die Kupplung kommen lassen. Mit sattem Drehmoment rollt der Zeppelin gemächlich los, verlangt aber zügig nach einem höheren Gang. Also die Verstellhebel auf dem Lenkrad auf den zweiten Gang legen, Gas wegnehmen, warten und wieder beschleunigen. Das Getriebe schaltet selbständig und geräuschlos. Und das zuverlässig seit 1930.

Nun gut, die Lenkung ist schwergängig wie bei einem alten Lkw, und die Bremsen verlangen vorausschauendes Fahren, aber die Schaltarbeit erledigt sich bei einem fast 95-jährigen Gefährt erstaunlich leicht. Nicht die einzige technische Besonderheit des Cabrios: Bei einer Reifenpanne, bei dem Zustand der Strassen vor 95 Jahren nicht gerade unüblich, hebt eine integrierte Stempelanlage das rund drei Tonnen schwere Luxusfahrzeug an. Um die Reifen aufzupumpen, hilft ein kleiner Kompressor an Bord. Dafür, dass bei einem Treibstoffverbrauch von rund 30 Litern pro 100 Kilometer nicht so oft nachgetankt werden muss, sorgt ein 135-Liter-Tank.

«Maybach war im vergangenen Jahrhundert die Top-Marke unter den Luxusmarken, sowohl technisch als auch preislich», sagt Frank Wilke, Geschäftsführer von Classic Analytics, einem Unternehmen zur Marktbeobachtung und Bewertung von Oldtimern. «Der Zwölfzylinder-Motor war einzigartig in dieser Epoche.» Viele Details und Lösungen des Maybach stammen aus der Luftfahrt, wie das unterdruckgesteuerte Vorwahlgetriebe. Dazu war die Kombination von kraftvollem Motor und höchsten Komfortansprüchen seinerzeit einzigartig.

Den Wert des gefahrenen Modells von 1932 schätzt der Experte Frank Wilke aufgrund seines aussergewöhnlichen Zustands und seines Bekanntheitsgrades auf etwa 2,5 Millionen Euro. Zum Vergleich: 2015 wurde ein baugleiches Auto, aber mit nicht originaler Karosserie vom Auktionshaus RM Sotheby’s für rund 1,4 Millionen Euro versteigert.

Alleingang nach Zerwürfnis mit Daimler

In der jungen Automobilszene Anfang des vergangenen Jahrhunderts galt Wilhelm Maybach als Ausnahmetalent. Nach Streitigkeiten mit Gottlieb Daimler machte sich Maybach 1909 selbständig. Gemeinsam mit seinem Sohn Karl, auch er ein begnadeter Konstrukteur, und Ferdinand Graf von Zeppelin entwickelten sie in ihrer Luftfahrzeug-Motorenbau GmbH zunächst Diesel- und Gasmotoren für Zeppelin-Luftschiffe.

Ab 1918 änderten die Partner wegen des Versailler Vertrags als Maybach-Motorenbau GmbH (daher das Doppel-M im Emblem) ihren Fokus auf Antriebe für Lokomotiven und Autos. 1919 entstand der erste Versuchswagen, W1, das erste Serienauto, W3, wurde ab 1921 verkauft.

Zum Automobilhersteller wurde Maybach durch Zufall: Von den vorher vereinbarten 1000 Motoren für den niederländischen Autohersteller Spyker nahm dieser nur einen Bruchteil (je nach Quelle 150 bis 225 Stück) ab. Also musste Maybach selbst ein Auto bauen. Mit dem Zeppelin DS präsentierte Maybach 1930 die grösste deutsche Limousine mit Zwölfzylindermotor und sechs, sieben oder acht Litern Hubraum.

Es waren die grössten, stärksten und luxuriösesten Autos ihrer Zeit. Maybach konkurrierte in einer Liga mit Bugatti, Duesenberg, Hispano-Suiza, Mercedes und Rolls-Royce. Die junge Firma baute aber lediglich Fahrgestelle. Für das Blechkleid mussten die Kunden zu Karosserie-Schneidern wie Papler, Hermann Spohn oder Erdmann & Rossi wechseln.

1940 stellte Maybach die Produktion der Luxusautos ein, insgesamt entstanden 1800 Fahrzeuge. Die Motoren fanden im Zweiten Weltkrieg weiter Einsatz in Panzern, Booten, Sonderkraftwagen und Flugzeugen. Nach dem Krieg sank deren Absatz nahezu auf null. Das Unternehmen entschloss sich, keine Fahrzeuge mehr zu produzieren, stattdessen Motoren für Schienenfahrzeuge und Schiffe.

1960 übernahm Daimler-Benz die Firma, taufte das Unternehmen in MTU Friedrichshafen um. Den Markennamen Maybach aktivierte Daimler-Chrysler erst 2002, als «Maybach Manufaktur», und produzierte bis 2012 die Luxuslimousinen 57 und 62 – verlängerte Luxusversionen der Mercedes-S-Klasse, jedoch wenig erfolgreich.

Mercedes-Modelle bilden die Basis

Seit 2014 nennt Mercedes-Benz seine Luxussparte Mercedes-Maybach. Eigene Modelle gibt es nicht mehr, stattdessen unterscheiden sich die Fahrzeuge mit dem Doppel-M von Mercedes-Baureihen durch eine luxuriösere Ausstattung. Spötter sprechen eher von einer Luxus-Ausstattungsvariante statt einer eigenen Marke. Passanten erkennen einen Maybach unter anderem am geänderten Kühlergrill und an beleuchteten Maybach-Logos. MM-Embleme verzieren den kompletten Innenraum.

Beim neuen Mercedes-Maybach EQS 680 SUV sind es auch eher die weichen Polster, das feine Leder und die Chrom-Applikationen, die den Unterschied machen – weniger die reine Ingenieurskunst. Technisch orientiert sich das neue Modell am Mercedes EQS 580 SUV mit 544 PS. Mit 658 PS wird der 5,13 Meter lange Maybach allerdings zum stärksten EQS SUV. Bei voll durchgetretenem Strompedal erreicht das elektrische SUV die 100 km/h aus dem Stand in 4,4 Sekunden.

Dort, wo früher massives Metall, Holz und Leder als opulente Luxusausstattung zum Einsatz kamen, zeigt das Maybach-SUV neben Napa-Leder und natürlichen Hölzern auch Kunststoff. Der beste Platz bleibt in einem Maybach weiter hinten rechts: Lounge-Sessel mit Massage, Belüftung und Nackenheizung verwöhnen den Passagier. Dabei kann er sich über die 11,6 Zoll grossen Displays berieseln lassen und dabei aus versilberten Champagnerkelchen nippen. Preis: mindestens 200 000 Euro und damit rund 65 000 Euro teurer als der EQS 580 SUV. Erfolgreich soll das neue Modell vor allem in den USA und in China sein.

Ob das gelingen mag? «Mercedes-Benz ist es in den vergangenen Jahren nicht wirklich gelungen, Maybach als internationale Luxusmarke zu etablieren», sagt Stefan Bratzel, Direktor des Center of Automotive Management (CAM) in Bergisch Gladbach bei Köln. Mit der Unternehmensstrategie, Mercedes-Benz als Luxusmarke zu positionieren, werde es zunehmend schwieriger, Maybach als Super-Luxus-Marke zu vermarkten. Zumal Maybach keine eigenen Modelle biete, sondern als Submarke von Mercedes-Benz fungiere. «Für einen sehr speziellen Kundenkreis kann das funktionieren, aber der bleibt sehr klein, und somit bleiben auch die Stückzahlen gering», sagt Bratzel.

Genau das hat Maybach bisher ausgemacht, auch wenn es eher ungewollt war. Maybach hatte in seiner Anfangszeit damals keinen internationalen Anspruch und ist eher in Europa bekannt. Dazu kommt, dass Mercedes zwar zwischen 2002 und 2012 wieder Autos unter der Marke und seit 2014 Fahrzeuge unter der Ergänzungsmarke verkaufte, doch den Glanz einer historischen Luxusmarke wie Rolls-Royce erreicht Maybach nicht.

«Die Erinnerung an die Blütezeit von Maybach ist zu lange her, die imposanten Luxuslimousinen von einst strahlen nicht mehr auf heutige Fahrzeuge ab», sagt der Oldtimer-Experte Wilke. Trotz der überlegenen Technik und dem überbordenden Luxus.

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