Gegen den Captain der französischen Fussballnationalmannschaft soll wegen Vergewaltigung ermittelt werden. Die ungeklärten Vorgänge passierten auf einem Luxustrip, wie er für Fussballstars heutzutage alltäglich ist.
Die Stockholmer Diskothek «V Wall» definiert sich als «most VIP Club in Sweden». Das Mindestalter wird mit 25 Jahren angegeben, die Öffnungszeit als kurz, von 23 bis 3 Uhr. Billig wird es trotzdem nicht: Ein Tisch kostet 1750 Euro, auf der Getränkekarte steht unter anderem Champagner für bis zu 44 000 Euro (eine Neun-Liter-Flasche Armand de Brignac). Immerhin, schon mit dem Erwerb einer Sechs-Liter-Flasche Dom Pérignon Luminous für 13 000 Euro darf man die Show schmeissen und den Laden eine Stunde länger geöffnet halten.
Um welche Uhrzeit genau Kylian Mbappé in der Nacht vom 10. auf den 11. Oktober das Etablissement verliess, ist (noch) nicht bekannt. Vor allem aber bleibt weiter ein Rätsel, was sich danach abspielte. Laut schwedischen Medien wird der Fussballstar verdächtigt, sich einer Vergewaltigung im nahe gelegenen Luxushotel «Bank» schuldig gemacht zu haben.
Mbappé streitet das vehement ab. Die Staatsanwaltschaft in Stockholm bestätigte nur die Aufnahme von Ermittlungen, nicht aber den Namen des oder der Verdächtigen. Einige französische Medien berichteten, Mbappé habe einvernehmlichen Sex mit einer Frau gehabt, es habe sich dabei aber um eine andere Person gehandelt als die Anzeigenstellerin. Mehr Klarheit gibt es in der Angelegenheit bis jetzt nicht.
Besucher mussten Handys abgeben
Belastbar wirkt jedoch der Milieu-Einblick. Er ist nicht neu, wird durch die Figur Mbappé aber akzentuiert. Der Franzose von Real Madrid pflegte bislang ein Image als Musterprofi ohne übermässigen Partytrieb. Wohl auch deshalb suchte er absolute Diskretion. Zumindest an einem der zwei Abende, an denen er in der «V Wall» war, seien Mobiltelefone am Eingang abzugeben gewesen, berichtet die Presse.
Ob er es wollte oder nicht: Ein Fussballstar kann nicht mit Ryanair durch die Gegend fliegen und sich dann durch eine Grossstadt treiben lassen. Er lebt in einer Mini-Bubble aus Gleichgesinnten und Entourage, in einer «gated community», die sich mitten in Europa kaum anders anfühlt als am populären Fussballer-Reiseziel Dubai, berühmt für seine Goldsteaks, oder in der neuen Kicker-Destination Saudiarabien. Der öffentliche Raum ist sowieso tabu, privat leben sie umso mehr nach ihrer Façon. Mbappé soll nach einer Rekonstruktion von «L’Équipe» allein 100 000 Euro für den Privatjet ausgegeben haben, der ihn während der geschwänzten Länderspielpause von Madrid erst nach Schweden, dann nach Korsika und schliesslich über Paris wieder zurück nach Madrid brachte. Auf diesen 6600 Kilometern für einen Fünf-Tages-Urlaub habe das Flugzeug rund 25 Tonnen CO2 ausgestossen, so die Rechnung; der Durchschnittsverbrauch eines Franzosen für das ganze Jahr liege bei 10 Tonnen.
Allerdings war Mbappé in Begleitung unterwegs. Mit ihm reisten ein Kumpel, der Leverkusen-Profi Nordi Mukiele, ein Bodyguard und seine persönliche Assistentin Yaelle, die als Bekannte von Mbappés Mutter das Vertrauen des Familienclans besitzt. Nicht zuletzt sie ist gemeint, wenn Mbappés Anwältin zur Entlastung ihres Mandanten erklärte, dieser könne gar nichts verbrechen, er sei doch «nie allein».
Yaelle würde demnach auch die Rolle der Anstandsdame spielen – irgendwer muss es ja tun. Mbappés Klubtrainer Carlo Ancelotti jedenfalls fühlt sich nicht zuständig. «Es waren fünf freie Tage angesetzt, jeder kann mit ihnen machen, was er will», so der Italiener süffisant: «Ich habe kein Reisebüro, um Spielertrips zu organisieren.»
All inclusive für Topverdiener
Doch auch darum kümmern sich andere in der Welt der VIP. «Concierge-Service», nennen entsprechende Agenturen ihre Angebote, und Hausmeisterdienste sind damit eher nicht gemeint. Es geht um den flotten Jet, die glamouröse Jacht, das exklusive Restaurant oder eben die diskrete Party, ohne dass sich der erholungsbedürftige Klient selbst mit irgendwelchen Reservierungen herumschlagen muss.
Klassischerweise nahmen sich Spieleragenten auch dieser Thematik an. Der Branchenprimus heisst Jorge Mendes. Der Portugiese formte die Karriere von Cristiano Ronaldo, vertritt fast die komplette Nationalelf seines Landes und Supertalente wie den 17-jährigen Lamine Yamal aus Barcelona. Mendes, heute sagenumwoben reich, begann einst als Quereinsteiger. Den Durchbruch bescherte ihm: eine Diskothek.
An der portugiesischen Grenzregion zu Spanien gelang es ihm, Fussballer von beiden Seiten als Kundschaft anzulocken. Sie schätzten die Diskretion im Club Alfândega. So freundete sich Mendes mit dem Torwart Nuno Espírito Santo an, dieser wurde sein erster Kunde. «Jorge sagte zu mir: ‹Mach dir keine Sorgen, ich werde dir dein Leben regeln.›», erinnerte sich der heutige Trainer von Nottingham Forest einmal.
Das Leben regeln – dieser Business-Zweig hat sich seither zunehmend diversifiziert. Den Mbappé-Trip fädelte laut «Le Parisien» eine Agentur namens MP Hospitality ein, deren Inhaber Marco Djelevic gleichzeitig an der «V Wall» beteiligt und ein Bekannter von Mbappés Kumpel Mukiele sei.
Diesem habe er bereits öfter ein Gesamtpaket inn der unter Fussballern immer populäreren Luxusdestination Stockholm organisiert. Dazu gehöre neben der 200-Quadratmeter-Suite im obersten Stock des «Bank» dann auch der Besuch in der «V Wall» samt der Offerte eines Séparés und der «Gesellschaft junger Frauen, die im Wesentlichen nach ästhetischen Kriterien eingeladen werden».
Es ist der Punkt, an dem die Grauzone beginnt. Berühmte Männer, viel Testosteron im Umlauf und eigens gecastete Frauen, ob Fans, Models oder Hostessen – man kennt das von Silvio Berlusconis «Bunga-Bunga»-Partys, Rammsteins «Row Zero» oder dem Verfahren gegen den letztlich freigesprochenen Manchester-City-Verteidiger Benjamin Mendy wegen ungeheuerlich klingender Vorgänge in dessen Chalet.
Die Mädchen denken an eine Party, die Männer an eine Orgie, und die Gerichte sind dann lang damit beschäftigt, herauszufinden, was passierte und was beweisbar ist. Mendy klagte kürzlich, als einziger City-Spieler an den Pranger gestellt worden zu sein, obwohl etliche Teamkollegen bei den einschlägigen Festen dabei gewesen seien: «Alle tranken wir Alkohol, alle hatten wir zwanglose Beziehungen zu Frauen.»
Im Nachtleben gilt für viele Fussballer ein abgetrennter Bereich mit reichlich «Ware» als so selbstverständlich, dass, erzählt eine Insiderin, ein bekannter Torwart völlig entgeistert gewesen sei, als sie ihn einmal am üblichen Türsteher vorbei einfach nur in eine angesagte Bar geführt habe. Auch der wohl bekannteste Vergewaltigungsfall der letzten Jahre ereignete sich in einem solchen Séparé. Der Ex-Barcelona-Star Dani Alves wurde wegen eines Übergriffs in der Diskothek «Sutton» zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt, derzeit befindet er sich wegen laufender Berufungen unter Kaution auf freiem Fuss.
Wie in Spanien gilt auch in Schweden – wo zudem Prostitution verboten ist – im Sexualstrafrecht der Grundsatz «Nur Ja heisst Ja». Liegt kein klar erkennbares Einverständnis der Frau zu sexuellen Handlungen vor, sind sie als Übergriff zu werten. In Frankreich wird neben den Entwicklungen im Fall Mbappé derweil in drei Wochen auch das Urteil gegen Wissam Ben Yedder erwartet. Der ehemalige Nationalspieler soll betrunken eine Zufallsbekanntschaft in seinem Auto betatscht haben, während er dazu onanierte. Im Prozessverlauf bat er das Opfer um Entschuldigung und erklärte, er sei trunksüchtig: «Der Alkohol half mir, nicht zu denken.»
Offenbar hatte er keine Agentur, die es ihm abnahm.
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