Mittwoch, März 19

Nach einer jahrelangen Saga vermeldet Real Madrid am Montagabend die Verpflichtung von Kylian Mbappé. Es ist ein mächtiges Statement der Königlichen, und sogar die Politik spielt diesmal mit.

Anderthalb Zeilen enthielt die Transfer-Mitteilung, die Real Madrid am Montagabend verschickte. Ihr Inhalt überraschte in der Fussballbranche niemanden mehr: «Real Madrid und Kylian Mbappé haben eine Übereinkunft erzielt, wonach er für die nächsten fünf Saisons Spieler von Real Madrid sein wird.» Und es wird nicht einmal eine Ablösesumme fällig. Dennoch handelt es sich um einen der spektakulärsten Wechsel der vergangenen Jahre.

Die Präsentation mit allem galaktischen Pomp im futuristisch runderneuerten Stadion Santiago Bernabéu soll erst im Juli zelebriert werden. Vorher steht Mbappé, 25, nicht zur Verfügung, er weilt bereits mit Frankreichs Nationalteam zur EM-Vorbereitung im Leistungszentrum Clairefontaine. Am Mittwoch steht ein erstes Testspiel gegen Luxemburg an. In dessen Rahmen kann er dann aber immerhin endlich offen sprechen.

Macron und der Emir von Katar stimmten ihn um

Seit der Weltmeister von 2018 und WM-Torschützenkönig von 2022 im Februar seinen Abgang von Paris Saint-Germain bekanntgab, hat er sämtliche Fragen zu seiner Zukunft stets umdribbelt.

Ein anderes Ziel als Madrid stand nie zur Debatte, und die Verträge waren längst besprochen, aber wegen der laufenden Wettbewerbe beider Vereine und aus Sorge um die Reaktion des Pariser Publikums unterblieb die Verlautbarung. Die Diskretion beider Seiten während dieser Monate war bemerkenswert.

Sie spricht für das Vertrauensverhältnis, das Mbappé und der Real-Präsident Florentino Pérez etabliert haben – trotz manchen Verstimmungen in den vergangenen Jahren. Mbappé sagte Real zweimal ab. Zunächst 2017, als er sich angesichts der Konkurrenz des «BBC»-Sturmtrios aus Gareth Bale, Karim Benzema und Cristiano Ronaldo noch nicht reif genug für Madrid fühlte. Und dann vor allem 2022, als sein Vertrag in Paris schon einmal auslief und der Wechsel ebenfalls beschlossene Sache schien. Doch damals liess er sich unter anderem von Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron und dem Emir von Katar, dem Besitzer von PSG, doch noch zu einem Verbleib umstimmen.

Der Sinneswandel hätte zu einem definitiven Zerwürfnis führen können. Doch während sich Reals erzürnte Klubpresse mit Verratsvorwürfen überbot, obsiegte beim Bauunternehmer Pérez das strategische Denken. Nach einem Anruf Mbappés akzeptierte er dessen Beweggründe und überwand den verletzten Stolz. Den persönlichen Kontakt liess er nie abreissen. Elf Jahre nach einem ersten Besuch des kleinen Kylian auf dem Trainingsgelände von Real darf sich Pérez am Ziel fühlen.

Seriensieger in der Champions League, eine imposante Stadionrenovation und nun auch das letzte Lachen in der Mbappé-Saga – es sind triumphale Wochen in Madrid. Während sie in Paris ihre Wunden lecken und dem Spieler laut «L’Équipe» zuletzt demonstrativ die Gehaltszahlungen verweigerten, darf sich Pérez auch machtpolitisch als Sieger fühlen. Obwohl er durch seine versuchte Superliga-Sezession im Clinch mit den Fussball-Behörden liegt, konnte er dem Uefa-Alliierten PSG mit seinem Präsidenten Nasser al-Khelaïfi – gleichzeitig Chef der europäischen Klubvereinigung ECA – den Starspieler entreissen. Und obwohl er nicht die Gelder eines Staatsfonds hinter sich weiss wie etwa PSG, kann er ihn auch locker bezahlen.

Dass Mbappé ablösefrei kommt, macht die Verpflichtung noch lange nicht billig. Das Handgeld dürfte in die atemberaubenden Dimensionen der dreistelligen Millionensumme gehen, die Real schon vor zwei Jahren geboten hat. Solche Prämien gelten jedoch nicht als das Problem. Pérez ging es vor allem um ein halbwegs überschaubares Grundgehalt, um das Lohngefüge in der Mannschaft nicht allzu stark durcheinanderzubringen. Laut Medienberichten soll Mbappé mit rund 26 Millionen Euro brutto pro Saison nur knapp über den bisherigen Topverdienern David Alaba, Luka Modric, Vinícius Júnior und Jude Bellingham liegen. Dafür könnte sich Real anders als bei früheren Transfers auch darauf eingelassen haben, auf 50 Prozent der Bildrechte des Spielers zu verzichten.

Dem Gesamtpaket zuträglich ist ausserdem eine geplante Steuererleichterung der Region Madrid für ausländische Spitzenverdiener. Investitionen in Vermögenswerte sollen mit einem Abschlag von 20 Prozent bei der Einkommenssteuer belohnt werden. Mbappé hat laut Medienberichten bereits für 11 Millionen Euro das ehemalige Anwesen von Bale im Nobelvorort La Finca erworben. Damit qualifiziert er sich problemlos für die Vergünstigung, die rückwirkend ab Jahresbeginn 2024 gelten soll – und in politischen Kreisen bereits «Ley Mbappé» genannt wird.

Und doch gibt es auch Stimmen, die Real nach dem Transfer Mbappés Ego-Probleme prophezeien. Bei Joan Laporta, dem Präsidenten des abgehängten Erzrivalen FC Barcelona, mag die pure Verzweiflung dahinter stehen, wenn er auf «Verzerrungen in der Kabine» spekuliert.

Doch auch eine Instanz wie der frühere Real-Trainer Vicente del Bosque mahnte, im Trubel um Mbappé künftig «nicht die zu unterschätzen, die schon da sind». Del Bosque gewann um die Jahrtausendwende zweimal die Champions League und war der erste Coach der «Galaktischen»-Ära mit Stars wie Figo, Zidane, Ronaldo und Beckham – kaum einer weiss besser, wovon er spricht.

Mbappé kommt mit dem klaren Ziel nach Madrid, noch mehr Sichtbarkeit zu gewinnen und damit endlich auch individuelle Meriten wie die Auszeichnung zum Weltfussballer des Jahres. In Paris verwickelte ihn dieser Geltungsdrang immer wieder in Hahnenkämpfe – besonders mit Neymar. Bei allem Schmerz über den Verlust seiner Tore (256 in 308 Spielen) und seines Marketingpotenzials werden sie Mbappés Capricen und gelegentliche Abwehrverweigerung am Eiffelturm eher nicht vermissen.

Nun trifft er auf andere Ausnahmetalente wie Bellingham, 20, und Vinícius Júnior, 23, die es zwar in puncto PR-Wert (noch) nicht mit ihm aufnehmen können – fussballerisch in letzter Zeit aber eher mehr Ansprüche auf den Thron erwarben. Das Zusammenspiel und die Arbeitsteilung des neuen Traum-Trios werden mit der Lupe betrachtet werden.

Die «Galaktischen» gewannen einst mit jedem Zugang weniger. Nachdem zwischen 2003 und 2006 kein einziger Titel resultierte, trat Pérez mit dem Eingeständnis ab: «Ich habe die Spieler verzogen.» Doch einem wie ihm passiert derselbe Fehler selten zweimal. Seit seiner Rückkehr ins Präsidentenamt 2009 achtet Real gekonnt auf die Bändigung der Allüren. Cristiano Ronaldo erzielte 450 Tore in 438 Partien, aber als er darauf bestand, ähnlich bedingungslos hofiert (und bezahlt) zu werden wie sein Erzrivale Lionel Messi in Barcelona, verkaufte Pérez ihn 2018 lieber an Juventus Turin. Die folgende Delle mit drei Jahren ohne Triumph in der Champions League nahm Pérez hin. Mit Sergio Ramos liess er 2021 auch die zweite Überfigur der letzten Dekade ziehen, ebenso ging der exzentrische Individualist Bale. Mit einem betont harmonischen Team folgten seither zwei weitere Champions-League-Titel.

Vor diesem Hintergrund vertraut man in Madrid darauf, dass der Mythos Real, sein gegenwärtiger Erfolg, das einfühlsame Händchen des Trainers Carlo Ancelotti sowie die französischen Landsleute Aurélien Tchouaméni, Eduardo Camavinga und Ferland Mendy auch Mbappé davon überzeugen, dass hier der Klub grösser ist als jeder Spieler. Mehr noch als den Goldenen Ball und wohl auch als Voraussetzung dafür braucht Mbappé endlich seinen ersten Champions-League-Titel. Dafür, so die Kalkulation, wird er auch bereit sein, sich mit grösserer Demut ins Team einzuordnen als im PSG.

Nun hat Real wieder einen echten «Galaktischen»

Einen ersten zählbaren Erfolg gibt es aus Sicht des Klubs schon zu vermelden. Der Mann aus der Pariser Vorstadt Bondy konnte davon überzeugt werden, sich von seinem Olympiatraum zu verabschieden. Auch darüber wurde seit Monaten gesprochen, erneut mischte sich Macron ein. Doch als der Auswahltrainer Thierry Henry am Montagvormittag sein Olympia-Aufgebot bekanntgab, fehlte Mbappé. Er erhält keine Freistellung. «Die Leute von Real Madrid waren da sehr direkt», sagte Henry.

Acht Stunden später offizialisierte Real den Transfer. Es findet zusammen, was sich lange gesucht hat, in Madrid beginnt eine neue Zeitrechnung. Sechs Jahre nach Ronaldos Abgang hat Real wieder einen echten «Galaktischen».

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