Im Bemühen, Rechtsextremismus und autoritäre Tendenzen zu bekämpfen, wittern Medien überall Faschismus – ohne Rücksicht auf Mass und Schamgrenzen.

Sie sitzen im Weissen Haus, regieren Italien, greifen in Paris und Berlin nach der Macht und haben neulich dafür gesorgt, dass Österreich «in den Vierzigerjahren aufgewacht» ist. Glaubt man Schlagzeilen in den Medien, sind Nazis und Faschisten achtzig Jahre nach Adolf Hitlers Tod wieder allgegenwärtig. Die Welt, so stellte die linke «Wochenzeitung» fest, «marschiert in den Faschismus». Der Autor des Artikels nennt sich zwar Satiriker, aber diesen Satz meinte er offensichtlich sehr ernst.

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Vorsicht vor Dackeln – sie gehören zur «Fascho-Fashion»

Das deutsche Magazin «Der Spiegel», bekannt für seine Hitler-Obsession, fragte im letzten Oktober schon fast erwartungsvoll: «Kehrt der Faschismus zurück? Oder ist er schon da, mit Trump, Orban und Höcke?» Wer sich durch den gross aufgemachten Beitrag kämpft, wird mit Vergleichen, Relativierungen und Warnungen verwirrt. Rechte Kritik an «Gender-Gaga» werten die Autoren bereits als Zeichen dafür, dass wir mitten in einem «Faschisierungsprozess» stecken. Faschismus beginnt demnach schon, wenn sich jemand an Gendersternchen, Glottisschlägen oder gemischtgeschlechtlichen Toiletten stört.

Hängen bleibt nach der Lektüre, dass Donald Trump, Wladimir Putin, Giorgia Meloni, Marine Le Pen, Javier Milei, Björn Höcke oder Geert Wilders alle irgendwie mit Faschismus und Adolf Hitler zu tun haben. Der Titel des Artikels lautete: «Die heimlichen Hitler».

Da die neuen Nazis ihre Gesinnung angeblich oft verbergen, geben Zeitungen ihren Lesern Tipps, wie man sie erkennt. Etwa an ihrer «modernen Fascho-Fashion», wie es die «Süddeutsche Zeitung» nennt. Wer an Springerstiefel, Lonsdale-Pullover und Kampfhunde denkt, liegt falsch. Vielmehr trägt der Faschist 2.0 laut der «Süddeutschen» gern Sneaker und Polohemd – und er wird nicht selten von einem Dackel begleitet, weil der AfD-Mann Alexander Gauland gern Krawatten mit Hundemotiv getragen hat.

Gerhard Pfister sucht in der «Republik» nach Faschisten

«Woran erkenne ich einen Faschisten?», fragt sich auch der Mitte-Präsident Gerhard Pfister, der seine wendige Laufbahn vom Konservativen zum Mitte-Links-Populisten wohl nicht mit einem Bundesratsamt, sondern mit einer Kolumne in der linken «Republik» krönt. Einem Medium, das beinahe jede Woche über den «Vormarsch des Faschismus» schreibt.

Pfister beantwortet seine Frage unter Berufung auf einen schwammigen Kriterienkatalog von Umberto Eco: Faschisten trieben unter anderem einen Kult um Traditionen, sie lehnten die Meinungsvielfalt ab, verachteten die Schwachen und strebten nach einem starken Führer.

Namen, die man seiner Meinung nach in die Nähe von Faschismus rücken darf, kommen Pfister viele in den Sinn. Von Donald Trump über den politischen Wirrkopf Nicolas A. Rimoldi und die Hamas bis zu SVP-Vordenker Christoph Blocher.

Denkfaulheit und Demagogie

Wenn man bedenkt, wie viele Faschisten zusammenkommen, wenn die Kritik an Gendersternen potenziell faschistisch und jeder Dackelbesitzer mit Sneakers verdächtig ist, marschiert die Welt tatsächlich in den Faschismus.

Seriöse Wissenschafter sind vorsichtig mit Faschismus-Vergleichen, weil der Begriff meist mehr verwischt als aufklärt. Wer den Etatisten Viktor Orban, den Kriegsverbrecher Wladimir Putin, den AfD-Ideologen Björn Höcke und den Libertären Javier Milei gleichsetzt, ist bestenfalls denkfaul. Oder ein Demagoge. Das heisst nicht, dass die genannten Figuren alle harmlos wären. Viele sind autoritär, unberechenbar und manche rechtsextrem.

Selbstverständlich ist es niemandem unbenommen, Giorgia Meloni und Marine Le Pen als «Faschistinnen» zu bezeichnen, weil sie rechte Parteien anführen, die von Altfaschisten und Kollaborateuren gegründet wurden. Aber was macht das für einen Sinn, wenn sich bisher beide an demokratische Prinzipien halten? Und wenn sie, wie im Fall Marine Le Pen, Extremisten aus der Partei werfen und die Mitverantwortung Frankreichs am Holocaust anerkennen?

Die deutschen Nazis und die italienischen Faschisten waren militarisierte Kampfbünde, die schon vor ihrer Machtübernahme auf Einschüchterung, Terror und Mord setzten. Sie zwangen die Bevölkerung in staatliche Organisationen, um sie zu indoktrinieren, führten mit eliminatorischen rassistischen Hass Vernichtungskriege. Deshalb vergleicht kein ernst zu nehmender Historiker die heutige Situation mit 1933.

Warum sollen linke Diktatoren keine Faschisten sein?

Bezeichnenderweise würde niemand in den Medien das Jahr von Stalins Machtübernahme beschwören und zum Widerstand gegen den Neokommunismus aufrufen, wenn eine Linksaussenpartei in einem Land 10 oder 20 Prozent der Stimmen holt. Ebenso fragt man sich, weshalb linke Autokraten und Diktatoren wie Nicolas Maduro, Kim Jong Un oder Xi Jinping kaum je vorkommen, wenn sich Medien an ihren Faschismus-Thesen berauschen.

Maduro fälscht Wahlen, lässt Journalisten verfolgen und politische Gegner foltern. Wie andere sozialistische Diktatoren ist er mit Wladimir Putin verbrüdert. Sein Regime ist, wenn man den Begriff so weit fasst wie heute in manchen Medien üblich, eindeutig faschistisch. Gleiches gilt für den islamistischen Autokraten Recep Tayyip Erdogan oder das Mullah-Regime in Iran, das Judenhass verbreitet und die Bevölkerung mit Schlägertrupps terrorisieren lässt.

Medien fördern Verharmlosung des Nationalsozialismus

Die Willkür und die Einseitigkeit, mit der das Prädikat «faschistisch» vergeben wird, hängt mit der Geschichte des Begriffs zusammen. Dieser ist mehr politisch als wissenschaftlich geprägt. Faschismusvorwürfe sind seit den 1920er Jahren eine Art Allzweckwaffe der extremen Linken. Der Vorwurf kann sich gegen jeden wenden, der ihren demokratiefeindlichen Zielen im Weg steht. Als Erstes mussten das die Sozialdemokraten erfahren. Sie wurden vor Hitlers Machtergreifung von den moskautreuen Kommunisten als «Sozialfaschisten» diffamiert.

Selbst Überlebende des Holocausts liess Stalin nach dem Zweiten Weltkrieg als faschistische Verräter verfolgen. Und weil sich der neu gegründete Staat Israel nicht in seinen Machtbereich begeben wollte, erfand die sowjetische Propaganda die Legende vom zionistischen Faschismus. Eine Lüge, die bis heute das politische Klima vergiftet.

Auch aus diesem Grund sollten seriöse Medien zurückhaltend sein mit Faschismus- und Nazivergleichen. Die Demos «gegen rechts» in Deutschland richten sich aufgrund ausufernder linker Faschismus-Definitionen oft gegen alles, was rechts von der SPD steht, also auch gegen FDP und CDU. Die Instrumentalisierung und Verharmlosung des Nationalsozialismus, die an diesen Demonstrationen zelebriert wird, wird von manchen Medien sogar gefördert.

Tipps für das Leben im «antifaschistischen Widerstand»

Als im letzten Jahr Hunderttausende «gegen rechts» protestierten, postete der Südwestdeutsche Rundfunk zur Unterstützung ein Bild der deutschen Widerstandskämpferin Sophie Scholl. Als ob es das Gleiche wäre, unter Todesgefahr gegen eine Diktatur zu kämpfen und in einem demokratischen Rechtsstaat auf die Strasse zu gehen.

Nach Kritik entschuldigte sich der Sender halbherzig für die Bildwahl. Aber der Vorfall zeigt, wo mittlerweile die Schamgrenze liegt. Corona-Massnahmengegner, die ähnliche Vergleiche anstellten und sich im «Widerstand» wähnten, wurden in den Medien noch vor wenigen Jahren gnadenlos niedergeschrieben.

Heute ist es angesichts von permanenten Warnungen vor einem neuen Faschismus offensichtlich legitim, sich auf das Schlimmste vorzubereiten. Die von linken Medien hofierte Gender-Forscherin Franziska Schutzbach gab im SP-Magazin «Direkt» unlängst Handlungsempfehlungen für das Leben im «antifaschistischen Widerstand». Zum Beispiel: «Teile deine Besorgnis», «lies politische Bücher», und, natürlich: «Trag deinen Antifaschismus auf die Strasse».

Man könnte über dieses Pathos lachen, wenn es nicht mit einer aufreizenden Gleichgültigkeit gegenüber aller Intoleranz und Gewalt einherginge, die nicht von rechts kommt. Während der «Spiegel» und andere Medien über den neuen Faschismus dozieren, werden in europäischen Städten Juden attackiert, Parolen wie «Tod den Juden» gerufen, und bärtige Palästina-Demonstranten recken den Arm zum Hitlergruss.

Das Ziel des Attentäters: «Juden töten»

In Hamburg demonstrieren mehrere tausend Islamisten für einen Gottesstaat. Studenten solidarisieren sich mit der Hamas, die in ihrer Gründungsurkunde zur Tötung von Juden aufruft. Vor dem Holocaust-Denkmal in Berlin sticht ein Syrer einen Spanier nieder, weil er «Juden töten» will. Die heutige antisemitische Welle, das zeigen Opferbefragungen der EU-Grundrechteagentur, geht in vielen Ländern mehrheitlich von Muslimen und Linksextremen aus. Rechtsextreme folgen meist erst an dritter Stelle.

Das gilt auch für Österreich, das laut den Tamedia-Zeitungen wegen des Wahlsieges der FPÖ «in den Vierzigerjahren aufgewacht» ist. Und es gilt besonders für Frankreich, wo Islamisten der jüdischen Bevölkerung das Leben zunehmend unerträglich machen. Es gibt Anschläge auf Synagogen, Pöbeleien und Morde. Die linksextreme Partei La France Insoumise (LFI) verbrüdert sich offen mit islamistischen Agitatoren. Man demonstriert gemeinsam, verbreitet dieselbe Genozid-Propaganda und Verschwörungstheorien über Juden.

Der LFI-Chef Jean-Luc Mélenchon beschimpft Journalisten, die ihm nicht passen, gern als «Fachos». Den Judenhass, den er selber mit schürt, bezeichnet er als Restproblem. Der jüdische Historiker und Holocaust-Überlebende Serge Klarsfeld, der sein Leben lang alte Nazis aufgespürt und den Front national bekämpft hat, erklärte im letzten Frühling, er würde wegen der LFI im Zweifel lieber für Marine Le Pen stimmen als für die vereinigte Linke.

In deutschen Medien war man über diese Aussagen entsetzt. Dass in den letzten Jahren Zehntausende Juden Frankreich verlassen haben, auch weil sie sich nicht mehr sicher fühlen, ist offensichtlich noch nicht überall angekommen. Die politische Reaktion auf die antisemitische Welle in Europa, so stellte der österreichische Historiker und Islamismus-Experte Heiko Heinisch nach dem Massaker des 7. Oktober fest, sei bisher überschaubar.

Das liegt auch an den Medien: Sie beschäftigen sich oft lieber mit heimlichen Hitlers – und lenken damit ab von roher Gewalt, die wirklich an dunkelste Zeiten erinnert.

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