Sonntag, September 8


Destination

Nicht neureich-protzig wie Courchevel und kein Stau auf der Piste wie in Chamonix: Megève in Haute-Savoie ist der bodenständigere Nobelskiort in den französischen Alpen.

Wer über den Teller seiner Jakobsmuscheln auf die Rue Charles Feige schielt, zählt innert einer Mittagspause acht Pelzmäntel: Nerz, seltener Chinchilla, dazu Moonboots in allen Farben und schwarze Sonnenbrillen wie Schutzschilder. Selbst das Mädchen, schätzungsweise sieben Jahre alt und engelsgleich, rennt schon in Fell gehüllt am Fenster vorbei.

Wir sitzen auf der beheizten und überdachten Terrasse von «Le Hibou Blanc» in Megève und beobachten die Szenerie. Es ist People-Watching vom Feinsten! Unter anderem dafür besucht man das halbrund gebaute und zur Place de L’Église ausgerichtete Lokal im Herzen von Megève.

Das «Hibou» wirkt alteingesessen, wurde aber erst 2017 eröffnet und ist ein Ableger des bekannten Restaurants im Odéon-Viertel in Paris. Das Lokal passt in dieses Chalet-Dorf in der Haute-Savoie, wo sich Tradition und Neues mischen, ohne ultra-hip sein zu wollen. Mehr Quiet Luxury als Balenciaga-Logopulli, und die Avocado kommt ohne Microgreens dafür zu Krabbe und Mayonnaise.

Der pelzige erste Eindruck des Dorfes täuscht: Zwar schreit nichts lauter nach Luxus und altem Geld als Pelz. Aber die Atmosphäre hier wirkt ziemlich laid back, also um einiges entspannter als zum Beispiel in St. Moritz, dem ursprünglichen Vorbild des Skiorts Megève oder in Courchevel, wo mehr Neureiche absteigen. Das hat wohl auch mit der Entstehungsgeschichte von Megève als Feriendestination zu tun, die auf einer Abneigung gegenüber prolligem Getue und den Prunkbauten des bürgerlichen Geldadels gründet.

Das «St. Moritz der französischen Alpen»

Es war Baronesse Noémie de Rothschild, die Megève in den 1920er Jahren entdeckte und zu einem Nobelskiort machte. Ihre Vision: die Errichtung eines «Saint Maurice français», eines französischen St. Moritz. Die Idee dazu entsprang im Bündner Bergdorf, wo die Französin längere Zeit verweilte, um sich von der Arbeit im Lazarett nach dem Ersten Weltkrieg zu erholen. Doch: Schnell sei die Baronin gelangweilt von St. Moritz und genervt von den selbstgefälligen Leuten gewesen, die dort verkehrten.

Allen voran von den Deutschen, heisst es in den Memoiren «Megève, un roman d’amour» von Schwiegertochter Nadine de Rothschild, und insbesondere vom Industriellen Baron Gustav Krupp, den sie im «Badrutt’s Palace» traf und der die Armee des deutschen Kaisers Wilhelm II. mit Waffen belieferte. Extrem verärgert, da sie noch das Leid des Ersten Weltkriegs vor Augen hatte, soll die patriotische Baronin das Luxushotel mit dem Entschluss verlassen haben, ein eigenes Skiresort in Frankreich ins Leben zu rufen.

Die Baronesse fand ihr vom Tourismus noch unentdecktes Terrain im bäuerlich und religiös geprägten Benediktinerdörfchen Megève am Fusse des Mont Blanc. Auf der Domaine du Mont d’Arbois eröffnete sie 1921 das «Palace des Neiges», das erste Luxushotel der französischen Alpen. Es folgten Skianlagen und private Chalets, die vom damals noch unbekannten jungen Kunststudenten und Anhänger der Art-Déco-Bewegung Henry Jacques Le Même gestaltet wurden. Später liess die gesamte französische Bourgeoisie ihre Chalets beim Architekten in Auftrag geben. Der Hauptaspekt: Sie sollten den Bauernhäusern ähneln, aber mit komfortablem Luxus, etwa einem Skiraum zum Wachsen der Skis, ausgestattet sein.

Der Ort wurde schnell zum beliebten Treffpunkt der französischen Aristokratie. 1968 fand hier die Winterolympiade statt, später kam das internationale Showbusiness hierhin. Audrey Hepburn, Romy Schneider und Alain Delon zählten zu den wiederkehrenden Gästen, was natürlich auch die Hotellerie und Gastronomie befeuerte.

Hide-away auf der anderen Talseite

Die Hotelgruppe Four Seasons hat mittlerweile einen Teil des Erbes der Rothschilds übernommen und beherbergt auch das Sternerestaurant «La Dame de Pic – Le 1920» von Starköchin Anne-Sophie Pic.

Wer lieber auf der anderen Talseite residieren will, wo die Sonne abends etwas länger scheint, checkt bei «L’Alpaga» ein. Das Fünfsternehotel gehört zur Beaumier-Gruppe, die unter anderem das ikonische «Les Roches Rouges» in Südfrankreich betreibt. Das Hotel ist ein Hide-away, nicht nur, weil es ausserhalb liegt, sondern 33 schmucke Zimmer und Suiten sowie fünf private Chalets führt, die auch vermietet werden.

Alles hier ist sehr persönlich, intim und die Bar in der Lobby gar so klein und fein, dass man sich zuerst fast nicht traut, einen Drink zu bestellen. Allenfalls geht man daher schnurstracks ins Nebengebäude, wo die zwei Restaurants Le Bistrot de L’Alpaga (Savoyarde-Cuisine und altes Holzhandwerk an den Wänden) und das Fine-dining La table de l’Alpaga auch auswärtige Gäste empfängt.

Was im «Alpaga» und auch im Rest des Dorfes Freude macht, ist die optische Einheit ohne extreme bauliche Wildwüchse. Die Dorfgestaltung ist eine Ode an das Handwerk, die bäuerliche Bau-Vergangenheit. All das macht Megève heute eher zu einem Gstaad als zu einem St. Moritz – aber die Luxus-Bauernchalet-Repliken kosten mittlerweile auch hier Millionen.

Ein Wochenende in Megève

Hotel

«L’Alpaga» liegt abgeschieden etwas ausserhalb des Dorfes. Das Fünfsternehaus verfügt über 33 Zimmer und Suiten sowie 5 separate Privat-Chalets mit bis zu sechs Zimmern, die vermietet werden. 

Essen & Party auf der Piste

Mittags im Pistenrestaurant:
«Super Megève» in Rochebrune, grandiose Aussicht, Fleisch vom Grill oder Tartiflette mit Reblochon-Käse, dazu erlesene Weine. Mit der Gondel und auch ohne Ski zugänglich. 

Für mehr Party geht’s zu «La Folie Douce» in Saint-Gervais Megève. Das Lokal ist nur mit den Ski erreichbar. Hier gibt’s viel Show zu DJ-Musik, und der Champagner wird bei spezieller Bestellung von der Terrasse herunter in einer Mini-Gondel aus Glas geliefert. 

Shopping

Concept-Store Scarlett mit Kunst, Mode und grosser Lektürenauswahl von Assouline-Bildbänden über Kochbücher bis zu Romanen.

Angel des Montagnes (51 rue Charles Feige): alles rund ums Chalet, von Möbeln bis zu Kerzenständern und Tischsets aus Fell. 

A.Allard: 1926 eröffnete Armand Allard sein erstes Schneideratelier. Er gilt zudem als Erfinder der aerodynamischen Spindel mit deren man ein Gummiband unter der Ferse anbringen konnte, so dass die in den Dreissigern beliebte Schlaghose nicht aus den Skistiefeln rutschte. Die Keilhose war geboren. Heute wird das Traditionshaus in dritter Generation geführt und verkauft exklusive Prêt-à-Porter-Mode.

Anreise

Mit dem Auto ab Zürich etwa 4 Stunden.

Der Aufenthalt wurde vom Hotel unterstützt.

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