Samstag, November 23

VW warnt in Deutschland vor Werkschliessungen, Toyota wächst hochprofitabel. Vier Faktoren erklären, warum der japanische Erzrivale viel erfolgreicher ist.

Volkswagen könnte Werke in Deutschland schliessen? Der Autobauer schockierte die Nation kürzlich mit der Nachricht, nicht genug Autos zu verkaufen, um die heimischen Werke auszulasten. Ein Vergleich mit dem weltgrössten Autohersteller Toyota zeigt, warum die VW-Krise kein Wunder ist: Die Deutschen haben zu viel Personal, eine weniger belastbare Lieferkette, haben zu stark auf China gesetzt und verfolgen eine zu binäre Elektrifizierungsstrategie mit zu wenig Hybridfahrzeugen.

Man stelle sich vor: Vor wenigen Jahren lag VW mit über zehn Millionen produzierten Autos noch vor Toyota. Heute ist Japans Branchenprimus der einzige Hersteller, der zuverlässig mehr als zehn Millionen Autos produziert – und das auch noch hochprofitabel. Die Japaner verzeichneten Rekordabsätze und -gewinne, zweistellige Gewinnmargen und sind an der Börse mit 223 Milliarden Dollar etwa viermal so viel wert wie die Wolfsburger.

Allein die Zahl der Mitarbeiter erklärt einen Grossteil der Kluft. VW beschäftigte Ende 2023 rund 650 000 Menschen. Toyota verkaufte im selben Jahr mit 270 000 Mitarbeitern rund zwei Millionen Autos mehr, nämlich 11,2 Millionen. Toyota produziert also wesentlich effizienter.

Das liegt zum einen an Toyotas ewiger Sparsamkeit, zum anderen am Schock der Weltfinanzkrise 2008, als Toyota in nur zwölf Monaten von Rekordgewinnen tief in die Verlustzone stürzte. Der Konzern schwor sich daraufhin, die Produktion so zu flexibilisieren, dass das Unternehmen auch bei einem ähnlichen Markteinbruch von 20 Prozent profitabel bleibt.

Dies zahlte sich während der Corona-Pandemie aus. Toyota war einer der wenigen Hersteller, die keine Verluste hinnehmen mussten. Dabei halten auch die Japaner wie VW an ihrer Heimat als wichtigem Produktionsstandort fest – als Dienst an der Autonation. Das Management hat versprochen, mindestens drei Millionen Autos im eigenen Land zu bauen, um die Zulieferstruktur des Landes nicht zu zerstören.

Die Konzentration auf China ist ein Klumpenrisiko

Der zweite Punkt ist Volkswagens waghalsige Wette auf einen ausländischen Markt: China. Dort haben die Deutschen auf ihrem Höhepunkt im Jahr 2019 rund 40 Prozent ihres Absatzes erzielt. In Japan schüttelt man über diese freiwillige Abhängigkeit den Kopf – und hat vorerst recht. Chinesische Hersteller drängen zunächst auf den heimischen Markt und drängen ausländische Marken zurück.

Auch Toyota sieht das Reich der Mitte als Wachstumsmarkt. Doch aus Gründen der wirtschaftlichen Sicherheit achten die Japaner seit Jahren darauf, weltweit möglichst gleichmässig aufgestellt zu sein. Denn so können sie lokale Krisen besser abfedern.

In China erwirtschaften die Japaner derzeit weniger als 20 Prozent ihres Umsatzes, in ihrem stärksten Markt Nordamerika sind es rund 25 Prozent. Selbst in Europa sind die Japaner auf dem Vormarsch und erwirtschaften dort inzwischen mehr als 10 Prozent ihres weltweiten Absatzes.

Ein tiefer Blick in die Lieferkette

Der dritte Punkt – die Widerstandsfähigkeit der Lieferkette – zeigte sich während der pandemiebedingten Chipkrise. Während andere Hersteller wegen fehlender Halbleiter ihren Absatz drastisch senken mussten, konnte Toyota weiterhin mehr als zehn Millionen Autos produzieren. Denn Toyota konnte tiefer in die Lieferketten gucken und früher reagieren als die Konkurrenz.

Ständige Erdbeben und eine enge Kooperation mit Zulieferern erklären diese Leistung. Da Grossbeben immer wieder die japanische Autoindustrie für Wochen oder Monate lahmlegten, überzeugte Toyota mehr und mehr Zulieferer auch der unteren Stufen, dem Auftraggeber Einblick in die Lieferkette zu gewähren.

Viele Zulieferer machen mit, denn Toyota behandelt sie nicht wie eine Zitrone, die bis zum letzten Tropfen ausgepresst werden muss. Vielmehr ist der Konzern ein sehr fordernder, aber auch treuer Kunde, der in der Not auch einmal hilft.

Hybride erfreuen sich grosser Nachfrage

Der vierte Punkt ist die Jagd nach dem Elektroauto. Es ist dem VW-Management hoch anzurechnen, dass es früher als Toyota auf den Trend aufgesprungen ist. Der japanische Branchenprimus ist heute bei reinen Elektroautos ein Zwerg, weil er deren Boom lange unterschätzt hat.
Aber im Gegensatz zu den Wolfsburgern verfolgen die Japaner keine Entweder-oder-Strategie – Verbrenner oder Elektroauto. Multipathway ist Toyotas Slogan, mit einem besonderen Gewicht auf der Teilelektrifizierung des Antriebs, also Hybridautos.

VW leidet auch darunter, dass der Markt für batterieelektrische Autos in vielen Märkten derzeit weniger schnell wächst als von vielen erwartet. Vor allem in China, dem führenden Markt für Elektroautos, ist der Preiskampf aufgrund des Überangebots extrem.

Toyota profitiert hingegen von seiner Weltmarktführerschaft bei Hybridautos, die der Konzern, von vielen Konkurrenten belächelt, vor fast dreissig Jahren einführte. Denn viele Kunden bevorzugen zurzeit den Mischantrieb als Übergangslösung zu vollelektrischen Mobilen.

Mit seiner nur langsam anrollenden Elektroautooffensive läuft Toyota langfristig sicher das Risiko, von agileren Anbietern überholt zu werden. Für Investoren bleiben die Japaner jedoch bis jetzt die überzeugendste Wahl unter den traditionellen Automobilherstellern – und nicht VW.

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