Der kommende US-Präsident Donald Trump droht mit Zöllen und macht die EU nervös. Diese versucht, den selbsternannten «Deal Maker» auszutricksen. Die EU würde besser anderweitig ein Zeichen setzen.
Alte wirtschaftspolitische Rezepte, die kaum etwas taugen, sterben in der EU offensichtlich nicht aus. Das zeigt die Debatte zum internationalen Handel und zur Gefahr, die Zölle für den Wohlstand darstellen.
Trump bei seinem Narzismus packen
Donalds Trumps Anspielung, Güter aus der EU möglicherweise mit 10 bis 20 Prozent Zoll zu belegen, machen EU-Vertreter und andere Entscheidungsträger offenbar nervös. Zu Recht. Europas Wohlstand und Sicherheit hängen auch von einem möglichst freien Austausch von Gütern und Dienstleistungen ab.
Europa versucht daher, den selbsternannten «Deal Maker» aus den USA aufs Glatteis zu führen. Die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und die EZB-Präsidentin Christine Lagarde haben angetönt, man könnte mehr Flüssiggas in den Vereinigten Staaten kaufen und so den europäischen Handelsbilanzüberschuss gegenüber dem grossen Verbündeten reduzieren.
Vielleicht gelänge der Trick kurzfristig. Schliesslich würde man Trump bei seiner schwächsten Stelle treffen, seinem Narzissmus. Er hätte einen weiteren Deal arrangiert und seinen Ruf auf diesem Gebiet zementiert. Ein Hochgefühl verspürte er fast sicher, und das leidige Thema, dass ein Handelsbilanzdefizit per se schlecht ist, wäre vorübergehend vom Tisch.
Die EU rückt von guten Vorsätzen ab
Doch zum Glück funktioniert die Welt nicht so einfach, wie sich das die europäischen Strategen ausmalen. Den grossen Flüssiggas-Deal wird es nicht geben – höchstens den Anschein davon.
Erstens ist der Gasmarkt ein freier Markt, auf dem viele Händler aktiv sind. Sie kaufen und verkaufen den Energieträger für ihre Kunden, zum Beispiel aus der Industrie.
Die EU ist in diesem Geschäft nicht aktiv. Und versuchte sie mitzumischen, erlitte sie zweitens schnell Schiffbruch. Der EU-Kommission gelänge es kaum, als Vertreter der Mitgliedsstaaten für diese Gas zu kaufen, etwa für die öffentliche Versorgung. Die Bereitstellung von Energie sehen die Länder als sicherheitsrelevant an, dreinreden lassen sie sich auf diesem Gebiet nicht.
Zumal im ersten Halbjahr 2024 bereits 48 Prozent des in die EU gekommenen Flüssiggases aus den USA stammten. Die Vertreter des Staatenbundes haben jüngst stets betont, dass man den Kreis der Energielieferanten vergrössern wolle, um nicht von einem von ihnen abhängig zu werden. Diesen Vorsatz scheint man in der EU und bei der EZB bereits wieder vergessen zu haben.
Mit der neuesten Idee scheint von der Leyen einer Art Neomerkantilismus zu huldigen. Aber hielte in der EU diese Philosophie Einzug, laut der die Länder gleichsam über Verhandlungen versuchen, eine möglichst positive Handelsbilanz zu erzielen, würde sie nur verlieren. Anders als China oder die USA ist die EU keine Macht, sondern ein Staatenbund, der bei fast keinem Thema mit einer Stimme spricht. Sie kann daher nur gedeihen, wenn sie und die grossen Wirtschaftsblöcke den regelbasierten Freihandel pflegen.
Ein Handelsabkommen mit dem Mercosur wäre ein Zeichen
Eigentlich wissen das in der EU fast alle, und deshalb wäre es das beste, die Mitgliedsländer würden ein Zeichen dafür setzen: zum Beispiel, indem man endlich mit den lateinamerikanischen Staaten Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay (Mercosur) das geplante präferenzielle Handelsabkommen abschliesst.
Doch mehrere Mitgliedsstaaten blockieren das Vorhaben, darunter das mit politischen, sozialen und wirtschaftlichen Krisen kämpfende EU-Schlüsselland Frankreich. Dabei ist es bestimmt nicht der Freihandel, der Lagardes Heimatstaat in Schwierigkeiten gebracht hat.