Dienstag, Oktober 8

Die Regierung von Keir Starmer präsentiert ein Massnahmenbündel im Kampf gegen die Bootsmigration über den Ärmelkanal.

Der Verzicht auf den Rwanda-Plan war im Juli eine der ersten Amtshandlungen des neuen britischen Premierministers Keir Starmer gewesen. Die konservative Vorgängerregierung hatte viel Geld und Energie in eine Abschreckungspolitik investiert, welche die Ausschaffung von irregulär über den Ärmelkanal gelangten Asylsuchenden ins ostafrikanische Land zum Ziel hatte.

Der Plan konnte wegen rechtlichen Hürden nie umgesetzt werden, und Starmer hatte ihn stets als unseriösen «Werbetrick» abgelehnt. Doch dass der neue Premierminister den Rwanda-Pakt sang- und klanglos beerdigte, setzte ihn dem Vorwurf aus, er unternehme nichts gegen die Migration über den Ärmelkanal. Die ausländerfeindlichen Sommer-Krawalle und Umfragen, wonach eine Mehrheit der Briten die Migration als wichtigstes Problem bezeichnet, haben den Druck auf die Regierung weiter erhöht.

Zurück zu ordentlichen Verfahren

Am Mittwoch nun hat Starmers Innenministerin Yvette Cooper ein Bündel von Massnahmen vorgestellt, die Härte in der Asylpolitik markieren sollen. Im Zentrum steht das Versprechen, mehr abgewiesene Asylsuchende in ihre Heimat zurückzuschaffen. Konkret will Cooper zwei wegen des Widerstands der Lokalbevölkerung geschlossene Internierungslager für Ausschaffungshäftlinge mit fast 300 Betten wiedereröffnen. 300 Mitarbeiter des Innenministeriums wurden in eine Verwaltungseinheit transferiert, die Migranten ohne Bleiberecht in Grossbritannien aufspüren, festnehmen und ausschaffen soll.

Cooper verspricht, in den nächsten sechs Monaten 14 500 abgewiesene Asylbewerber aus dem Land zu bringen. Eine solch hohe Ausschaffungsquote wurde zuletzt 2018 unter der Ägide von Theresa May erreicht. Ein Blick auf die Statistiken zeigt, dass die Zahl der zwangsweisen Rückführungen seit 2018 gesunken ist. Allerdings war die Zahl in den Jahren vor 2018 deutlich höher, womit das Ziel von Labour weder besonders ambitioniert noch unrealistisch wirkt.

Einlösen will Cooper ihr Versprechen mit einer Rückkehr zur Normalität im Asylwesen. Ein Teil des Rwanda-Plans der Konservativen war eine 2023 verabschiedete Gesetzesrevision gewesen, die besagte, dass über den Ärmelkanal gelangte Migranten in Grossbritannien kein Recht auf ein Asylverfahren haben. Die Labour-Regierung will nun wieder ordentliche Verfahren durchführen – und Gesuchsteller mit negativem Asylentscheid in ihre Heimat zurückführen.

Mehr Beamte im Kampf gegen Schlepper

Der Erfolg von Ausschaffungen hängt aber stets von der Bereitschaft der Herkunftsländer ab, ihre Staatsangehörigen zurückzunehmen. Im Fall Afghanistans und Irans, die derzeit zu den wichtigsten Herkunftsstaaten gehören, sind die Asylquoten hoch und die Aussicht auf Rückführungen gering. Dafür will Cooper die Kooperation mit Staaten wie Vietnam, Indien oder Pakistan verbessern, um neue Rückübernahmeabkommen abzuschliessen oder bestehende Verfahren zu beschleunigen.

Die Ankündigungen stiessen bei Nichtregierungsorganisationen auf Kritik. Eine Sprecherin von Amnesty International warf der Labour-Regierung vor, sie wärme die «migrationsfeindliche Rhetorik» der Vorgängerregierung auf. Enver Solomon, der Direktor des Refugee Councils, empfahl der Regierung, mehr Geld in freiwillige Rückkehrprogramme statt in teure Zwangsmassnahmen zu investieren.

Teil der Labour-Pläne ist auch die Rekrutierung von 100 neuen Beamten der National Crime Agency (NCA). Diese sollen in Zusammenarbeit mit Europol und anderen Behörden auf dem europäischen Kontinent versuchen, die Schlepperbanden mit staatlicher Repression zu zerschlagen.

Ob und wie sich die Ankündigungen Labours auf die Migrationszahlen auswirken werden, bleibt abzuwarten. Im laufenden Jahr sind mehr als 19 000 Personen in kleinen Booten über den Ärmelkanal gelangt. Das sind etwa 10 Prozent mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahres, aber etwas weniger als im Rekordjahr 2022. Damals hatten zwischen Januar und Ende August rund 21 000 Bootsmigranten den Kanal überquert.

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