Dienstag, März 18

Die Umweltverschmutzung soll Autofahrer und Hausbesitzer etwas kosten. So lautet die wirtschaftlich sinnvolle Strategie der EU. Doch je näher die beschlossenen Massnahmen dazu rücken, desto heftiger wird die politische Auseinandersetzung.

Der Green Deal der EU und die ökologische Wende kosten viel Geld. Manche werden gewinnen, andere verlieren. Zu Letztgenannten gehören möglicherweise Autofahrer, Hausbesitzer und Mieter.

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Alles hängt davon ab, wie teuer es sein wird, ab 2027 Kohlendioxid (CO2) auszustossen. Ab jenem Jahr werden Kraft- und Brennstoffe in das europäische Emissionshandelssystem ETS 2 einbezogen. Die Umwelt zu verschmutzen, wird einen Preis bekommen.

Die Händler von Benzin, Heizöl und Diesel müssen dann für die ausgestossenen Treibhausgase bezahlen, und sie werden versuchen, die Kosten an die Kunden weiterzureichen. Der Preis richtet sich dabei nach dem Markt. Wer CO2 ausstösst, muss Zertifikate kaufen. Deren Anzahl nimmt über die Jahre ab, CO2 wird also immer teurer.

Die «Bild»-Zeitung macht Stimmung

Politisch schürt das Vorhaben bereits heftige Emotionen. «Krachen die Benzinpreise bald um einen Euro rauf?» lautete im Februar die Schlagzeile der Boulevardzeitung «Bild».

Geradezu auf Panik machte der polnische Ministerpräsident Donald Tusk, als er im Januar meinte, die hohen Energiepreise schürten in der Bevölkerung Unzufriedenheit und könnten viele demokratische Regierungen zu Fall bringen. «Das ist eine ernsthafte Angelegenheit», sagte Tusk. Polen ist besonders verwundbar, weil viele Einwohner immer noch mit Kohle heizen.

Bis 2050 will die EU netto klimaneutral sein. Industrie und Haushalte dürfen ab dann nur noch so viel CO2 und andere Treibhausgase ausstossen, wie mit technischen und natürlichen Mitteln aus der Atmosphäre absorbiert werden können. Ein Marktpreis für CO2 ist dabei das Schlüsselinstrument, um dieses Ziel zu erreichen. «Ohne CO2-Preis wird die EU ihre Klimaziele drastisch verfehlen», sagt Peter Liese, EU-Parlamentarier der CDU.

Aber der Green Deal, also das Gesetzespaket der EU, das zu Klimaneutralität führen soll, ist jüngst unter Druck gekommen. Er gilt als bürokratischer Preistreiber. Diese Kritik dürfte sich noch verstärken, wenn Güter infolge des Handelskriegs, den der amerikanische Präsident Donald Trump angezettelt hat, noch teurer werden. Die Inflation ist jedenfalls nicht besiegt. Für ETS 2 ist das ein schlechtes Vorzeichen.

Die EU hat am Green Deal zwar Retuschen angebracht, doch am Ziel der Klimaneutralität und am ETS will sie unbedingt festhalten – das Abrücken davon brächte ihre ganze Klimapolitik zum Einsturz. «Wir müssen weg vom CO2», sagte die EU-Kommissions-Präsidentin Ursula von der Leyen, als sie vor eineinhalb Wochen Bilanz zog zu den ersten hundert Tagen ihrer zweiten Amtszeit.

Die EU will am CO2-Preis unbedingt festhalten

Aber damit stehen der EU harte politische Konflikte bevor. Von der Leyen hat den Green Deal stets als Geschäftschance für Europas Industrie bezeichnet. Und an dieser Meinung hält sie fest. «Warum investieren die Chinesen so viel in E-Autos und die arabischen Staaten in grünen Wasserstoff?», fragte sie jüngst rhetorisch. Die Regierungen dieser Länder wüssten, dass es hier um die Märkte von morgen gehe, meinte sie.

Die Klagen, dass der Green Deal das Alltagsleben der «normalen Bürger» verteure, werden allerdings kaum verstummen. Zumal vielfältige Konflikte absehbar sind, etwa zwischen Stadt und Land: So sind die Bewohner urbaner Gegenden nicht so sehr auf das Auto angewiesen wie jene, die fernab der Zentren wohnen.

Die «Bild»-Zeitung hat den Ton dafür vorgegeben. Und das ist der Stoff, aus dem sich politische Kampagnen stricken lassen, vor allem in den Mitgliedsstaaten, in denen Wahlen anstehen wie in Polen jene zum Staatspräsidium im Mai. Und da die EU 27 Mitgliedsländer hat, finden fast ständig irgendwo Wahlen statt. Die Kommission muss sich also auf Daueropposition gefasst machen.

Ständig neue Umweltauflagen kosten auch Geld

Allerdings ist auch ihr bewusst, welche Sprengkraft allfällig höhere Kosten für das Autofahren und das Wohnen haben. Ein «Klimazielfonds» soll deshalb Härten abfedern. Aus jetziger Sicht wird er 86,7 Milliarden Euro enthalten, die zum grossen Teil aus dem Verkauf der CO2-Zertifikate stammen.

Bis zum Juni müssen die Mitgliedsländer der Kommission mitteilen, wofür sie das Geld verwenden möchten. Es gibt Spielraum. Sie können Geld an die Bürger rückvergüten, Verkehrsbillette vergünstigen oder die bessere Isolierung von Häusern subventionieren. Schwierige Verteilungsprobleme bleiben aber: Sollen etwa «arme» Haushalte mehr Geld erhalten als «reiche»?

Europas Politiker werden ihren Bürgern also mühsam erklären müssen, warum ein CO2-Preis, der sie finanziell möglicherweise belastet, eine gute Idee ist. «Ständig neue Umweltauflagen kosten allerdings auch Geld», sagt Götz Reichert, Bereichsleiter beim Centrum für Europäische Politik (CEP). Die CO2-Bepreisung hingegen überlasse den Bürgern und Firmen den Entscheid, wie sie Treibhausgase reduzierten, und sie schaffe Transparenz darüber, was die grüne Wende koste.

Gross ist allerdings unter Politikern die Furcht, dass der CO2-Preis mittelfristig stark steigt und die Bürger gegen das Instrument aufbringt. Zu Beginn ist der Preis zwar bei 45 Euro pro Tonne gedeckelt. Die EU will so viele CO2-Zertifikate ausgeben, dass diese Obergrenze in den ersten drei Jahren hält.

Damit wäre der CO2-Preis niedriger als der in Deutschland derzeit geltende von 55 Euro, der jährlich politisch festgelegt wird. Und in der Schweiz liegt er ohnehin höher: nämlich bei 120 Franken, allerdings umfasst er bloss Brennstoffe und nicht Benzin und Diesel. «Die immer wieder kolportierte Preisexplosion wird daher nicht stattfinden», glaubt Liese.

Das gilt allerdings bloss für Deutschland und jene EU-Staaten, die irgendeine Form von nationalem CO2-Preis haben. In Polen und anderen osteuropäischen Länden jedoch gibt es keine nationale Lenkungsabgabe, die Einführung des Marktprinzips des ETS 2 und ein CO2-Preis von 45 Euro könnten dort durchaus einen Schock auslösen.

Die relativen Kosten eines E-Autos sinken

Wie «hart» diese Obergrenze von 45 Euro ist, beurteilen Ökonomen ohnehin verschieden. Und für die Zeit ab 2030 gibt es unzählige ökonomische Modellrechnungen mit sehr unterschiedlichen Resultaten. Die Spannweite reiche von 60 bis 380 Euro, schreibt die Friedrich-Ebert-Stiftung.

Mittelfristig wird der CO2-Preis umso niedriger sein, je rascher die Emissionen sinken, beispielsweise durch die steigende Verbreitung von E-Autos. Deren Gesamtkosten («cost of ownership») würden immerhin durch einen CO2-Preis relativ abnehmen, betont Reichert vom CEP. Unter anderem, weil der Betrieb eines Verbrennerautos teurer würde.

Die Politiker werden aber auf jeden Fall eine schwierige Abwägung machen müssen. Der CO2-Preis muss die Bürger schmerzen, damit sie ihr Verhalten anpassen, zum Beispiel, indem sie ein E-Auto kaufen. Finanziell sollten sie aber nicht so sehr unter Druck kommen, dass sie den CO2-Preis grundsätzlich ablehnen.

Das ist ein Balanceakt zwischen der Markt- und der politischen Logik, sagt Felix Schenuit, Forscher bei der Stiftung Wissenschaft und Politik. «Völlig voneinander trennen lassen sie sich nicht.»

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