Mittwoch, Januar 15

Der Frauenanteil in den Schweizer Führungsetagen steigt erneut leicht an. Doch die Firmen tun sich immer noch schwer, Frauen zu finden – und sie zu halten.

Das Gute vorneweg: In den Geschäftsleitungen und Verwaltungsräten der hundert grössten Schweizer Firmen sitzen so viele Frauen wie noch nie. So bestehen die Geschäftsleitungen zu 20 Prozent aus weiblichen Mitgliedern. Im Vorjahr waren es noch 19 Prozent gewesen. Das geht aus dem neusten Schillingreport des Executive-Search-Spezialisten Guido Schilling hervor, der am Freitag publiziert wurde. In diesem werden seit 2006 Daten zum Frauenanteil in den grössten Schweizer Firmen gesammelt.

Auch in den Verwaltungsräten ist der Frauenanteil gestiegen, von 29 auf 31 Prozent. Damit erreichen die Firmen die vom Gesetzgeber geforderten Richtwerte. Grosse börsenkotierte Unternehmen müssen im Verwaltungsrat einen Frauenanteil von 30 Prozent aufweisen. In der Geschäftsleitung müssen 20 Prozent der Mitglieder weiblich sein. Erreichen diese Unternehmen diese Richtwerte bis 2025 (VR) sowie 2030 (GL) nicht, müssen sie im Vergütungsbericht die Gründe dafür angeben und Massnahmen zur Verbesserung darlegen.

Der Frauenanteil hat den Richtwert erreicht

Frauenanteil in Prozent bei den Geschäftsleitungen der hundert wichtigsten Schweizer Firmen

Dass die Schweiz diese Werte bereits Jahre vor Ablauf der Frist erreiche, sei bereits seit längerem absehbar gewesen, sagt Guido Schilling. «Die Werte sind zugleich aber auch ein Risiko.» In den vergangenen Jahren hätten die Unternehmen mit grossem Elan daran gearbeitet, mehr Frauen zu rekrutieren.

Allerdings würden sich erste Signale einer gewissen Müdigkeit abzeichnen und die Werte wieder abflachen oder stagnieren. Die diesjährigen Ergebnisse dürften deshalb nicht als Erfolg verbucht werden, sagt Schilling.

Die Schweiz hat Nachholbedarf

Im internationalen Vergleich hinkt die Schweiz immer noch hinterher. So liegt der Frauenanteil in den Verwaltungsräten französischer Unternehmen bei 46 Prozent. In der Schweiz hingegen lediglich bei 31 Prozent. Im europäischen Vergleich belegt die Schweiz mit dieser Quote den zweitletzten Platz.

Laut Schilling erfordere es hierzulande nachhaltige Veränderungen, um die Quote zu verbessern. Unternehmen müssten die Rahmenbedingungen schaffen, zum Beispiel mit flexiblen Arbeitszeiten. Und die Frauen müssten noch mehr gewillt sein, sich für die Doppelaufgabe Familie und Karriere einzubringen. Zudem müsse der Staat seine Strukturen anpassen und mehr Angebote für die Kinderbetreuung schaffen. «Zuletzt muss auch die Gesellschaft lernen einer Frau Anerkennung entgegen zu bringen, wenn sie bereit ist, eine Doppelrolle einzunehmen.»

Expats nutzen die Schweiz als Sprungbrett

Zudem gebe es verschiedene Indikatoren, die langfristig Risiken bergen. Einer davon ist die Fluktuation. Die Schweizer Firmen können ihre weiblichen Führungskräfte kaum halten. Mit lediglich drei Jahren weisen die Frauen eine deutlich kürzere Verweildauer in den Gremien auf als ihre männlichen Kollegen mit sieben Jahren. «Das ist erschreckend. Eine derart kurze Zugehörigkeit kann kaum nachhaltig sein», sagt Schilling. Aktuell traten 33 Frauen von ihrer Position in der Geschäftsleitung zurück – ein Höchststand. In den Vorjahren waren es noch zwischen 10 und 16.

Ein weiteres Problem ist, dass die Unternehmen vermehrt auf Expats setzen. Aktuell rekrutieren die Firmen für die Positionen in den Führungsetagen vor allem im Ausland. 57 Prozent aller neu hinzugekommenen weiblichen Geschäftsleitungsmitglieder haben laut dem Report keinen Schweizer Pass. Bei den Männern sind es 45 Prozent.

Die Schweiz sei im internationalen Vergleich ein kleiner Markt, sagt Schilling. Als Beispiel nennt er Aglaë Strachwitz. Die Österreicherin war drei Jahre lang Chefin von McDonalds Schweiz. Im vergangenen Sommer wurde sie vom Unternehmen nach Frankreich berufen.

Den Bedarf mit heimischem Personal zu decken, sei schwierig. In der Schweiz sei die Anzahl an qualifizierten weiblichen Führungskräften noch sehr begrenzt. «Unter anderem aufgrund mangelnder Möglichkeiten für die Kinderbetreuung», so Schilling. Die Firmen müssten künftig einen eigenen Pool an qualifizierten Frauen aufbauen, die sie intern entwickeln können.

Laut dem Report werden 45 Prozent der Frauen extern rekrutiert. Jemand Externes müsse sich erst mit der neuen Rolle, dem Unternehmen und der Kultur vertraut machen. «Intern Berufene haben den Vorteil, dass sie die DNA der Firma kennen und bereits vernetzt sind», sagt Schilling.

Die Gremien werden zunehmend älter

Ein weiterer Trend, der sich in den Schweizer Unternehmen verstärkt: Die Gremien werden zunehmend älter. Die Geschäftsführer der Unternehmen sind im Durchschnitt 55 Jahre alt. 2011 lag der Schnitt noch bei 52 Jahren.

Oftmals fördern die Unternehmen ihre jungen Talente zu wenig. «Sie suchen Führungskräfte, die über entsprechende Erfahrung verfügen und an einem anderen Ort bereits einmal die nötigen Aufgaben vollzogen haben», sagt Schilling. Für die Firma möge das kurzfristig das Richtige sein. Doch langfristig könne die Überalterung von Gremien in eine Sackgasse führen. Die Firmen müssten die Geschäftsleitung schneller ersetzen. Weil sie ihren Angestellten jemand Älteres vorziehen, verlieren sie oft qualifizierte Top-Nachwuchskräfte.

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