Donnerstag, Januar 30

Wer den schwedischen Pass beantragt, muss künftig höhere Anforderungen erfüllen. Die Reform des Staatsbürgerschaftsgesetzes wird aber ein gravierendes Problem kaum lösen.

Schwedin werden, ohne Schwedisch zu sprechen? Einen schwedischen Pass erhalten, ohne irgendetwas über die neue Heimat zu wissen? Das sei bis heute möglich, aber eigentlich verrückt, klagte der schwedische Migrationsminister Johan Forssell kürzlich. Eine Expertenkommission hat deshalb Vorschläge für ein rigideres Einbürgerungsrecht vorgelegt.

Optimieren Sie Ihre Browsereinstellungen

NZZ.ch benötigt JavaScript für wichtige Funktionen. Ihr Browser oder Adblocker verhindert dies momentan.

Bitte passen Sie die Einstellungen an.

Laut den Empfehlungen müssen Ausländerinnen und Ausländer künftig mindestens acht Jahre in Schweden leben, bevor sie die Einbürgerung beantragen können. Neben Sprach- und Landeskenntnissen sollen sie über ein eigenes Einkommen verfügen, keine Straftaten begangen haben und einen «anständigen und ehrenhaften Lebenswandel» vorweisen können – alles Anforderungen, die in der Schweiz und vielen anderen Ländern längst selbstverständlich sind.

Die zweite Zeitenwende

Die konservative Regierung in Stockholm, die auf die Unterstützung der nationalistischen Schwedendemokraten angewiesen ist, vollführt gerade eine zweite Zeitenwende. Die erste war die Transformation vom pazifistisch angehauchten Bannerträger der Neutralität zum Nato-Mitglied. Und jetzt also der definitive Abschied vom Leitbild der humanitären Supermacht, die Migranten Tür und Tor öffnet, und der Übergang zu einem Land, das die Schwelle für die Einbürgerung markant erhöht.

An beiden Zeitenwenden führt kein Weg vorbei. So wie sich Schweden zu lange der Illusion eines für alle Ewigkeit friedlichen Europas hingab, so glaubte Stockholm zu lange an die segensvolle Wirkung einer offenen Einwanderungspolitik. Zu viel Migration in zu kurzer Zeit überforderte Behörden und Gesellschaft. Dass auch jene Einwanderer einen Pass erhalten, die wenig Integrationswillen zeigen, stösst nicht nur bei den Rechtsnationalisten auf Ablehnung. Ab 2026 sollen die Einbürgerungsbehörden die Schrauben anziehen, wenn das Parlament den Empfehlungen der Expertenkommission zustimmt.

Die Gegner einer Verschärfung behaupten, dadurch werde die Integration erschwert. Wer den Pass in der Tasche trage, sei stärker motiviert, sich in die Gesellschaft der neuen Heimat einzufügen. Doch gerade die Erfahrungen in Schweden belegen, dass sich diese Erwartung längst nicht immer erfüllt. Viele leben in von ihrem Herkunftsland geprägten Parallelwelten weiter – trotz dem schwedischen Pass.

Die Staatsbürgerschaft muss eine Auszeichnung sein

Zwar liegt es auf der Hand, dass die Staatsbürgerschaft den Integrationsprozess beschleunigen kann. So ist das Bürgerrecht meist Voraussetzung dafür, sich politisch zu betätigen. Wer sich aktiv mit der lokalen Politik auseinandersetzt, erfährt praktisch automatisch einen Integrationsschub. Gleichwohl darf man den Preis für den Pass nicht zu tief ansetzen. Was einem ohne Anstrengung in die Hände fällt, hat wenig Wert. Die Staatsbürgerschaft muss eine Auszeichnung für eine geglückte Integration sein – und nicht der Ausgangspunkt.

Kaum ein anderes europäisches Land bürgert mehr Ausländerinnen und Ausländer ein als Schweden. Doch diese Einbürgerungspraxis ist bloss Ausdruck einer hilflosen Migrationspolitik. Statt Integrationsprobleme anzuerkennen, drückten die Behörden den Zuwanderern den Pass in die Hand und hofften, dass es schon gut kommen würde.

Die Regierung möchte nicht nur die Schwelle für die Einbürgerung erhöhen. Sie will auch juristische Wege finden, um kriminellen Doppelbürgern den Pass zu entziehen. Damit zielt sie auf die virulente Bandenkriminalität in schwedischen Städten. Das Bandenunwesen hat einzelne Quartiere zu No-go-Areas degradiert. Immer wieder sterben Unbeteiligte im Kugelhagel von Drogenhändlern.

Ein schärferes Staatsbürgerschaftsgesetz allein wird der Bandenkriminalität aber nicht den Garaus machen: Selbst wenn eine Ausbürgerung rechtlich möglich werden sollte, stellt sich die Frage, ob die Herkunftsländer mutmassliche Gangsterbosse und Gangmitglieder zurücknehmen. Auch verfügen Kriminelle über Möglichkeiten, aus der Ferne ihre Drogengeschäfte in Schweden zu organisieren.

Unabhängig von den konkreten Auswirkungen der für 2026 geplanten Reform: Sie sendet ein klares und wichtiges Signal. Das Jeder-ist-willkommen-Zeitalter ist auch in Schweden definitiv vorbei.

Exit mobile version