Das Gastgeberland Italien und seine Regierungschefin Giorgia Meloni blicken mit Stolz auf das Treffen der Staats- und Regierungschefs der wichtigsten westlichen Wirtschaftsnationen zurück. Es zeigte auch, wie Meloni gedenkt, künftig die Fäden zu ziehen.

Es wurde als Treffen der lahmen Enten bezeichnet. Nur wenige Tage nach für einige Teilnehmer niederschmetternden Resultaten bei den Europawahlen und anderen politischen Rückschlägen fand von Donnerstag bis Samstag in Apulien das Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs der G-7 statt. Nur eine strahlte: die Gastgeberin Giorgia Meloni, deren Partei Fratelli d’Italia am vergangenen Wochenende ein hervorragendes Wahlresultat erzielt hatte.

Es sei «ein schlechtes Zeichen für die westliche Demokratie, wenn die italienische Ministerpräsidentin die einzige populäre Regierungschefin ist», so kommentierte das «Wall Street Journal» maliziös. Meloni ihrerseits scheint fest entschlossen, diese Konstellation zu ihren Gunsten zu nutzen. «Italien verblüfft und stellt die Weichen», sagte sie am Freitagabend selbstbewusst. «Wir vergessen oft, wozu wir fähig sind», ergänzte sie am Samstagnachmittag bei der abschliessenden Medienkonferenz.

50 Milliarden Dollar aus Zinserträgen

Das Gipfeltreffen stand ganz im Zeichen weiterer Hilfszusagen für die Ukraine. Die Staats- und Regierungschefs einigten sich darauf, dem von Russland angegriffenen Land bis Ende Jahr einen Kredit von 50 Milliarden Dollar zur Verfügung zu stellen. Finanziert werden soll der Betrag aus den Zinserträgen eingefrorener russischer Vermögen.

Zudem haben der amerikanische Präsident Joe Biden und sein ukrainischer Amtskollege Wolodimir Selenski am Rande des Treffens ein bilaterales Sicherheitsabkommen unterzeichnet. Darin soll es laut Presseberichten um weitere militärische Unterstützung, Kooperation im Bereich der Rüstungsindustrie und um den Austausch von Geheimdienstinformationen gehen. Ähnliche Abkommen gibt es auch mit den anderen G-7-Ländern.

Giorgia Meloni trägt die verschiedenen Initiativen zugunsten der Ukraine bekanntlich seit Beginn ihrer Amtszeit im Palazzo Chigi ohne Wenn und Aber mit. «Ukraine» laute das «Passwort, mit dem sich Meloni Zugang zum euroatlantischen Establishment» verschafft habe, meinte der «Corriere della Sera» treffend.

Melonis Stempel

Davon ausgehend versucht sie jetzt, auf weiteren Gebieten Nägel einzuschlagen, wie man am G-7-Gipfel feststellen konnte. So unter anderem in der Migrationspolitik. Der von ihrer Regierung entwickelte Plan zur Unterstützung afrikanischer Länder ist nun mit dem Treffen in Apulien offiziell Teil der «G-7-Partnerschaft für globale Infrastruktur und Investitionen» geworden, die man auch schon als westliche Alternative zum «Seidenstrasse»-Projekt der Chinesen bezeichnet hat.

Dahinter steht Melonis Credo, in der Flüchtlingspolitik die Priorität darauf zu legen, die Migration am Ausgangspunkt zu stoppen. Demgegenüber soll die Frage der Verteilung der Migranten in Europa in den Hintergrund rücken. Diesbezüglich steht Italien bekanntlich seit geraumer Zeit auf dem Bremspedal – zum Ärger seiner europäischen Partner. Beinahe unmerklich versucht Meloni, den Fokus zu ändern. Mit Erfolg, wie die Ergebnisse des Gipfels zeigen.

Ein zweites Zeichen ist der Versuch, ethische Fragen ins Zentrum zu rücken. Die erstmalige Einladung des Papstes an ein G-7-Treffen ist auch vor diesem Hintergrund zu sehen. Franziskus sprach am Gipfel über die Herausforderungen der künstlichen Intelligenz und ermahnte die Teilnehmer, dabei stets den Menschen im Zentrum zu halten.

Doch mit der pontifikalen Visite in Süditalien wollte Meloni einen besonderen Akzent setzen. Denn trotz Divergenzen in politischen Fragen besteht zwischen der italienischen Regierungschefin, die ihre christlichen Wurzeln immer wieder betont, und dem Papst grosse Übereinstimmung – dann etwa, wenn es um Themen wie Abtreibung, Leihmutterschaft oder Gender-Theorie geht. Es sind die Klassiker konservativer Gesellschaftspolitik, die Meloni damit auf die Agenda setzen will.

In Apulien zeigte sich dies beispielhaft bei der Diskussion um die Frage der Abtreibung. Offenbar hätte in die Abschlusserklärung ein Passus aufgenommen werden sollen, gemäss welchem das Recht auf Abtreibung als ein Grundrecht definiert worden wäre. Frankreich soll darauf gedrängt haben.

Doch in der Erklärung ist nunmehr lediglich in allgemeineren Worten von «sexueller und reproduktiver Gesundheit» die Rede beziehungsweise von einer «Verpflichtung für den allgemeinen Zugang zu angemessenen, erschwinglichen und hochstehenden Gesundheitsdiensten für Frauen». Ein italienischer Minister erklärte die Zurückhaltung und die vorsichtigere Formulierung mit der Anwesenheit des Papstes an der Tagung in Apulien. Man habe diesen nicht vor den Kopf stossen wollen – eine etwas seltsame Erklärung für ein Mitglied der Regierung eines säkularen Staates.

Ob diese Episoden ein Vorgeschmack darauf sind, wie sich die internationale Politik mit der zunehmenden Dominanz der Rechten in der nächsten Zeit entwickeln wird? Man wird es sehen.

Verpeilter Biden?

Im Übrigen bot der Gipfel vor der herrlichen apulischen Kulisse alles, was man von einem Treffen auf diesem Niveau erwarten darf: etwas Klatsch, einige Episoden und kleinere Geschichtchen, von denen man als Beobachter nie so richtig weiss, ob sie sich auch wirklich so zugetragen haben, wie sie geschildert werden. Der Tagungsort in Borgo Egnazia und das Medienzentrum in Bari lagen einige Kilometer voneinander entfernt, und es ist gut möglich, dass sich die Wahrheit auf dieser Distanz mitunter verflüchtigt.

So zeigte eines der Bilder, die vom Gipfeltreffen den Weg in die sozialen Netzwerke fanden, einen offensichtlich wieder einmal etwas verpeilten amerikanischen Präsidenten, der irgendwo ins Leere schritt, während Fallschirmspringer punktgenau vor den Füssen der Teilnehmer landeten. Ein Faktencheck, der einen etwas anderen Blickwinkel zeigte, förderte später zutage, dass der US-Präsident sehr wohl etwas Konkretes ins Auge gefasst hatte, bevor ihn Giorgia Meloni wieder in den Kreis der anderen Gipfelteilnehmer zurückführte: Biden sah nämlich einfach dem Landemanöver eines anderen Fallschirmspringers zu.

Das unterkühlte Lächeln der italienischen Regierungschefin bei der Begrüssung Emmanuel Macrons vor dem grossen Diner, das Staatspräsident Sergio Mattarella gab, die betonte Herzlichkeit Melonis im Gespräch mit Rishi Sunak oder das Geburtstagsständchen für Olaf Scholz waren andere Momente, die in den italienischen Medien mangels härterer News ausführlich diskutiert wurden.

So endete der Gipfel der «lahmen Enten» nicht anders als Konferenzen, bei denen sich die Teilnehmer im Vollbesitz ihrer Kräfte befinden: mit einem Mix aus politischer Substanz, ein paar schönen Familienfotos und einigen Showelementen. Italien hat einen ordentlichen Job gemacht.

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