Montag, September 30

Als zweite Massnahme soll dank einer Abgabe auf den Strompreis die Entwicklung saisonaler Energiespeicherung vorangetrieben werden.

Einen Schritt hin zur Nutzung der Windkraft machte die Zürcher Regierung vor den Sommerferien mit der Auswahl von 20 geeigneten Standorten für Windräder. Am Freitag hat Baudirektor Martin Neukom (Grüne) als nächstes Element der kantonalen Energiestrategie eine Solaroffensive eingeläutet.

Braucht es diese überhaupt noch? Neukom stellte vor den Medien die Frage gleich selber. Denn der Ausbau der Photovoltaik (PV) ist in den letzten Jahren explodiert. Vor 10 Jahren lag die jährlich installierte Leistung in der Schweiz bei etwa 300 Megawatt. Bis 2023 ist dieser Wert laut dem Bundesamt für Energie auf 1,7 Gigawatt oder das Fünffache gestiegen und dürfte in diesem Jahr mehr als 2 Gigawatt betragen.

Vom Sprint sei nun aber in den Marathon-Modus zu wechseln, meinte Neukom. Um das Ziel der Energiewende zu erreichen, müssten bis 2040 schweizweit jährlich 2 Gigawatt dazukommen. Das sei ohne Massnahmen kaum durchzuhalten.

PV auf grossen Dächern bis 2040

Die Regierung sieht deshalb eine Pflicht für die Ausrüstung von geeigneten Dächern mit Photovoltaik vor, wobei sie von einer «Vorgabe» schreibt. Auf den 20 Prozent der grössten Dachflächen liegt laut Neukom etwa 60 Prozent des Solarpotenzials. Neubauten müssen nach kantonalem Energiegesetz bereits einen Teil ihres Energieverbrauchs selbst produzieren. Nun kommen bestehende Dächer ab einer Fläche von 300 Quadratmetern dazu. Da betrifft etwa 45 000 Gebäude im Kanton.

Die Pflicht greift bei Dachsanierungen oder ist bis spätestens 2040 auszuführen. Es gibt aber Ausnahmen ähnlich wie beim Ersatz von fossilen Heizungen. Keine Photovoltaik braucht es, wenn es technisch nicht machbar oder sinnvoll ist, etwa wenn ein Dach mit Lukarnen oder Installationen überstellt ist. Die Pflicht entfällt auch, wenn eine Anlage unwirtschaftlich wäre. Auch dann, wenn aufgrund eines Schutzinventars nur eine in das Dach integrierte PV-Anlage infrage kommt, die teurer ist.

Keine Vorgaben macht die Regierung für PV an der Fassade. Der Grund ist nicht nur, dass diese Anlagen mehr kosten. Sie greifen besonders stark in die Architektur und die Gestaltung eines Gebäudes ein. PV an Südfassaden produziert allerdings im Winter, weil dann die Sonne tief steht, mehr Strom als Panels auf einem Flachdach.

Die kantonsrätliche Energiekommission geht hier weiter. Sie hat nämlich, wie an der Medienkonferenz zu erfahren war, kürzlich beschlossen, auch Vorgaben für PV an geeigneten Fassaden und über grösseren Parkplätzen zu machen. Auslöser war eine im Februar 2022 vorläufig unterstützte parlamentarische Initiative der Klima-Allianz im Parlament.

Zu dieser wird die Regierung erst noch Stellung nehmen. Aber es ist absehbar, dass die beiden Anträge von Regierung und Kommission zur Solarenergie, die in die gleiche Richtung zielen, im parlamentarischen Prozess zu einer einzigen Vorlage vereinigt werden.

Sommerstrom als Winterwärme speichern

Die Regierung nahm jedoch einen zusätzlichen Punkt auf. Eines der grössten Probleme besteht darin, dass inskünftig im Sommer zu viel Strom produziert wird, aber im Winter wie heute schon eine Lücke klafft, die mit Importen zu füllen ist. Es geht also darum, in Zukunft mehr überschüssigen Strom während mehrerer Monate zu speichern, wie das bereits mit Speicherseen geschieht.

Pilotprojekte für weitere Möglichkeiten gibt es bereits, etwa in Dietikon zur Herstellung von CO2-freiem Gas aus Wasserstoff und Klärgas. Der Flughafen Zürich klärt ab, im Sommer Abwärme aus Kühlprozessen in wasserführendem Schotter zu speichern. Ähnliches hat die Stadt Bern mit Abwärme aus der Kehrichtverbrennung vor. Neukom erwähnte auch Ideen im Ausland zur Energiespeicherung in riesigen Gruben oder durch die Erhitzung von Sand.

Der Kanton Zürich soll einen Beitrag leisten, damit diese Technologien marktreif werden. Der Regierungsrat sieht zur Finanzierung eine Abgabe von maximal 0,5 Rappen pro Kilowattstunde vor. Das ergebe jährlich Einnahmen von rund 45 Millionen Franken und belaste einen Haushalt bei einem Verbrauch von etwa 4000 Kilowattstunden mit 20 Franken im Jahr, rechnete Neukom vor.

Die vorgesehene Teilrevision des Energiegesetzes geht bis Ende November in eine Vernehmlassung. Die ersten Reaktionen aus den Parteien fielen erwartbar aus. Aus der Klima-Allianz wird der Antrag der Regierung begrüsst. Grüne und Grünliberale unterstützen explizit auch die saisonale Energiespeicherung. Die SP äussert hingegen Vorbehalte zur entsprechenden Abgabe, weil diese Menschen mit tiefen und mittleren Einkommen überproportional belaste.

Auf der Gegenseite äussert sich die SVP wenig überraschend sehr kritisch: Die Änderung bringe neue finanzielle Belastungen für die Eigentümer von Wohn- und Gewerbebauten. Weiter schreibt die Partei von einer ideologisch motivierten Bevormundung, die alle durch höhere Netzabgaben belasten werde.

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