Donnerstag, November 7

Kaum ein Land hat sich bei seiner Verteidigungsfähigkeit so abhängig gemacht von den USA wie die Bundesrepublik. Schon in seiner ersten Amtszeit hat Donald Trump die Regierung in Berlin vor sich hergetrieben. Seine zweite Amtszeit lässt noch Schlimmeres befürchten.

Am Ende seiner ersten Amtszeit hat Donald Trump den Verbündeten in der Nato gezeigt, wie er Kriege beendet. Er schloss ein Abkommen mit den Taliban über den Abzug der US-Truppen aus Afghanistan, ohne die westlichen Verbündeten einzubinden. Die deutsche Regierung sah sich damals, wie die meisten anderen in der Nato auch, vor vollendete Tatsachen gestellt.

Schon damals hatte Trump im Wahlkampf getönt, wenn er Präsident sei, werde er den Krieg in Afghanistan beenden. Nun hat er Ähnliches für die Ukraine angedeutet. Noch vor seinem Amtsantritt, verkündete er, werde er den Krieg dort innerhalb von 24 Stunden beilegen. Seit Monaten kann man in Berlin die Sorge vernehmen, dass Trump einen «Deal» mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin über die Köpfe der Europäer und vor allem der Ukrainer hinweg machen könnte.

Wie weiter in der Ukraine?

Es sind Fragen von enormer Tragweite, die sich mit dem Sieg Trumps für die deutsche Sicherheitspolitik auftun. Wie es in der Ukraine weitergeht, ist lediglich eine. Trump hat immer wieder durchblicken lassen, dass er die Waffenlieferungen nicht in dem Masse fortführen würde, wie sie unter Joe Biden stattfanden. Selbst wenn er mit Putin keinen «Deal» machen, sondern die Waffenhilfe reduzieren würde, hätte das erhebliche Auswirkungen auf Deutschland.

Die Bundesrepublik steht dann vor der Frage, ob sie in die Lücke springt und die globale Führerschaft bei der Unterstützung der Ukraine übernimmt. Bisher waren aus Moskaus Sicht die Vereinigten Staaten der grosse Widersacher. Dann wäre es möglicherweise Deutschland. Ist das Land dazu willens? Allein im Hinblick auf die Bereitschaft, mehr Geld für die Ukraine in die Hand zu nehmen, bestehen Zweifel. Die Bundesregierung plant im nächsten Jahr mit weniger Militärhilfe, obwohl es für die Ukraine militärisch immer schlechter aussieht.

Hinzu kommt: Wenn die USA nicht mehr liefern, woher kommen dann Waffen und Munition für die Ukraine? Wer produziert, was das Land für seinen Überlebenskampf braucht? Deutschlands Rüstungsindustrie ist mit ihrer auf Manufakturfertigung ausgelegten Fabrikation nach wie vor nicht zur Massenproduktion von Waffensystemen, etwa Panzern, in der Lage. Die Kapazitäten wurden kaum hochgefahren, nicht zuletzt, weil langfristige finanzielle Zusagen der Politik fehlen.

Bereits während seiner ersten Amtszeit hat Trump die Nato wiederholt infrage gestellt. Deutschland lag besonders in seinem Fokus. Es verdanke seinen wirtschaftlichen Erfolg massgeblich den USA, weil sie für seine Sicherheit sorgten, klagte er und forderte von der damaligen Regierung von Angela Merkel, endlich das Zwei-Prozent-Ziel zu erfüllen. Nun dürfte davon auszugehen sein, dass Trump diese Karte erneut spielt.

Nicht mehr zwei, sondern drei Prozent für das Militär

Deutschland erfüllt inzwischen zwar das Zwei-Prozent-Ziel, aber nur mit Trickserei. Vor allem aber steht es vor der Frage, wie es die Modernisierung der Bundeswehr («Zeitenwende») weiter finanzieren will, wenn das 100-Milliarden-Sondervermögen mutmasslich schon 2026 aufgebraucht ist. Dann muss die Bundesregierung im regulären Etat schlagartig gut 30 Milliarden Euro mehr aufbringen. Die bisherige Bundesregierung hat sich bisher um eine Erklärung gedrückt, wie sie das schaffen will.

Es könnte nun aber noch schlimmer kommen. Trump hat in seiner ersten Amtszeit die Deutschen und andere Verbündet dahin getrimmt, dass sie zwei Prozent ihres Bruttoinlandprodukts für das Militär aufbringen. In Nato-Kreisen heisst es längst, dass das nicht mehr reicht. Inzwischen ist die Rede von bis zu drei Prozent. Das wären nach heutiger Rechnung für Deutschland gut 120 Milliarden Euro pro Jahr. Bei dieser Summe schlucken selbst CDU und CSU, die sich seit dem russischen Angriffsbeginn im Februar 2022 für deutlich höhere Verteidigungsausgaben aussprechen.

Das sind längst nicht alle möglichen Negativfolgen einer zweiten Amtszeit Trumps für Deutschlands Sicherheitspolitik. Was geschieht mit der nuklearen Abschreckung, wenn sich Trump wirklich von Europa abwenden sollte? Die USA gewährleisten für Deutschland ein atomares Gleichgewicht zu Russland, weil sie ihren Nuklearschirm auch über die Bundesrepublik gespannt haben. Welche Optionen hätte Deutschland?

Eine Möglichkeit wäre massive konventionelle Aufrüstung. Auch hier stünde die Frage nach der Finanzierung. Die Antwort könnte ein Investitionsprogramm für die Sicherheit sein, angelegt auf ein Jahrzehnt, von Scholz mit dem Sondervermögen begonnen, aber nicht konsequent fortgeführt. Eine andere Option wäre ein nuklearer Schutzschirm mit Frankreich oder Grossbritannien. Beide sind Nuklearmächte. Aber wäre das Abschreckung genug?

Folgen für Verteidigungspläne der Nato

Ausserdem: Die Bundesregierung hat mit Joe Biden vereinbart, ab 2026 konventionelle Mittelstreckenraketen und Marschflugkörper in Deutschland zu stationieren. Sie sollen dazu dienen, im Fall eines russischen Angriffs auf Nato-Territorium die Depots, Abschussrampen, Kommandozentralen und Flugplätze im Hinterland des Gegners auszuschalten. Was geschieht, wenn Trump dieses Abkommen aufkündigt, weil er die Prioritäten anders setzt?

Im kommenden Jahr werden die Staats- und Regierungschef der Nato die Verteidigungspläne der Allianz finalisieren. Der grösste Brocken liegt bei den USA, im Kriegsfall stellen sie die meisten Truppen. Dahinter folgt Deutschland, das künftig mutmasslich fünf bis sechs Brigaden mehr stellen muss als bisher. Das wären 20 000 bis 30 000 Soldaten zusätzlich.

Trump wird sich mit grosser Wahrscheinlichkeit die Nato-Planungen noch einmal ansehen. Was ist, wenn er an den bisherigen amerikanischen Zusagen rüttelt? Wenn er weniger Truppen stellt und von den Europäern mehr fordert? Deutschland, das zeichnet sich schon länger ab, dürfte nicht umhinkommen, die Wehrpflicht wieder einzuführen. Anders wird es den Personalbedarf der Bundeswehr nicht decken können, Trumps Wahl hin oder her.

Exit mobile version