Sonntag, November 24

Jedes Jahr sterben weltweit rund 400 000 Menschen an Malaria, vor allem Kleinkinder. Ein Impfstoff soll helfen. Auch wenn er schwächer wirkt als erhofft.

Kamerun hat als erstes Land der Welt ein Routine-Impfprogramm für Kinder gegen Malaria gestartet. «Wir haben lange auf einen Tag wie diesen gewartet», sagte Mohammed Abdulaziz von den Afrikanischen Zentren für Krankheitskontrolle und -prävention (CDC) bei einer Medienkonferenz mit der Weltgesundheitsorganisation (WHO) am Montag. Zehntausende von Kinderleben sollen jährlich gerettet werden, man erhoffe sich einen Meilenstein im Kampf gegen Malaria.

Die von Moskitos übertragene und durch Parasiten ausgelöste Infektion ist eine der gefährlichsten Krankheiten, an denen die Menschheit leidet. Jedes Jahr sterben rund 400 000 Menschen, mehr als 90 Prozent von ihnen auf dem afrikanischen Kontinent. Zwei Drittel der Opfer sind Kinder unter fünf Jahren. Diese werden nun im Rahmen ihrer routinemässigen Kinderimpfungen mit dem vom britischen Pharmakonzern GlaxoSmithKline (GSK) entwickelten Impfstoff Mosquirix geimpft. Rund vierzig Jahre war an dem Präparat gearbeitet und geforscht worden.

Komplexer Parasit macht hohe Impfwirksamkeit bislang unmöglich

Mosquirix ist der bisher einzige verfügbare Impfstoff gegen Malaria. Seit 2019 liefen Pilotprogramme in Ghana, Kenya und Malawi, wo bereits mehr als 800 000 Kinder mit Mosquirix geimpft worden sind. Dabei zeigte sich, dass Säuglinge und Kinder in Endemiegebieten vor einer Infektion durch den wichtigsten Malaria-Parasiten geschützt werden können. Eine 2012 publizierte Schlüsselstudie im «New England Journal of Medicine» gab die allgemeine Schutzwirkung mit rund 30 Prozent an. Darin flossen Ergebnisse von 16 000 Kindern aus sieben afrikanischen Ländern ein.

Manuel Hetzel, Präsident der Swiss Malaria Group, sagt: «Diese Feldversuche haben gezeigt, dass die Anzahl der Hospitalisierungen, der schweren Infektionen und auch der Todesfälle deutlich abnimmt, nachdem die Kinder geimpft worden sind.» Insofern sei es «eine extrem gute Nachricht», dass Kamerun nun Routine-Impfprogramme um den Malaria-Wirkstoff erweitere. Bislang habe man dessen Wirkung nur in durch Wissenschafter sehr nah begleiteten und kontrollierten Studien untersucht. «Wir hoffen nun, dass wir durch die flächendeckende Verbreitung der Impfungen zusätzliche Evidenz für die Abnahme von Infektionen oder Toten erhalten können», sagt Hetzel.

Man müsse sich aber auch ganz klar bewusst sein, dass sich die Wirksamkeit von Mosquirix nicht in dem Bereich bewege, den man gerne hätte. «Impfstoffe gegen andere Kinderkrankheiten haben in der Regel eine Wirksamkeit von mehr als 90 Prozent», sagt Hetzel. Dass dies bei Malaria ein bislang unmöglicher Wert sei, habe mit der Komplexität des tropischen Parasiten zu tun. Er verändert seine Lebensform auch innerhalb des Menschen noch mehrmals, passt seine Oberflächenstruktur immer wieder an. Für einen Impfstoff ist es schwierig, eine Immunreaktion auszulösen, die gegen das sich immer wieder verändernde Aussehen von Malaria wirklich wirkt. Es komme nicht von ungefähr, sagt Hetzel, dass die Entwicklung eines Malaria-Impfstoffs zwar in den 1960er Jahren begonnen habe, es aber erst seit 2021 einen von der WHO empfohlenen wirksamen Impfstoff gebe.

Dennoch haben laut der globalen Impfstoffallianz Gavi bereits neunzehn weitere Länder angekündigt, in diesem Jahr Malaria-Routineimpfungen für Kinder einzuführen. Rund 6,6 Millionen Kinder sollen so bis 2025 gegen Malaria geimpft werden. Eine zunehmende Resistenz gegen Insektizide, die Corona-Pandemie und weitere Faktoren hatten dazu geführt, dass die Zahl der Malariafälle nach jahrelangem Rückgang wieder stieg. Laut Angaben der WHO gab es bis zum Jahr 2022 jährlich rund 5 Millionen Neuinfektionen. Da die Zahlen immer nachgemeldet werden, gibt es noch keine genauen Angaben für das vergangene Jahr.

Die WHO hatte 2016 eine Studie in Auftrag gegeben, die herausfinden sollte, ob sich Malaria auch ganz ausrotten lässt. Ergebnis: Innert einer Generation könnte die Welt malariafrei sein. Eine Expertenkommission kam seinerzeit zum Schluss, dass die tödliche Krankheit bis 2050 besiegt werden könne.

«Wichtiger Schritt in Richtung Malaria-Eliminierung»

«Malaria vollständig auszurotten, ist keine Utopie. Der Zeitrahmen ist meines Erachtens aber unsicher», sagt Manuel Hetzel. Drei Faktoren macht er dafür verantwortlich. Erstens die Wirksamkeit von Impfstoffen, Medikamenten und auch mit Insektiziden imprägnierten Mückennetzen, die die Sterblichkeit nachhaltig senken. Zweitens kommt es auf die jeweiligen Gesundheitssysteme an. «Da geht es darum, wie gut man Erwachsene, vor allem aber Kinder in entlegenen, armen Gebieten in Afrika erreichen kann», sagt Hetzel. Dort sind die Malaria-Fallzahlen am höchsten und die Gesundheitssysteme am geringsten entwickelt. «Das ist eine ganz, ganz grosse Herausforderung. Und da nutzen auch sehr gute Impfstoffe alleine noch nichts», sagt Hetzel. Drittens schliesslich spielt auch die politische Stabilität der betroffenen Länder eine Rolle im Kampf gegen Malaria. Eskaliert, wie beispielsweise jüngst im Sudan, ein Konflikt, kann ein Gesundheitssystem komplett kollabieren. Auch in solchen Fällen nützen Impfungen als einzige Intervention nichts. Weil man sie weder zu den Patienten bringen noch langfristig vor Ort finanzieren kann.

Insofern sei die Kampagne, die Kamerun nun gestartet hat, «ein sehr guter, wichtiger Schritt in Richtung Malaria-Eliminierung», sagt Hetzel. «Aber das allein genügt nicht.»

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